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Die Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen durch Basel III könnte erneut zu Engpässen bei der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen führen. Davor warnte der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen anlässlich des G20-Gipfels im November 2010. Jener Gipfel hatte den grundsätzlichen Beschluss zur Einführung von Basel III gefasst. BFW-Präsident Walter Rasch warnte davor, neue Finanzierungshemmnisse aufzubauen und kritisierte, dass die USA noch nicht einmal Basel II umgesetzt haben, an dessen Regelungen das Land aktiv mitgearbeitet hatte und von dem die Finanzkrise 2007 ausging.
Versuchen wir, uns dem Thema "Basel n" überblicksmäßig zu nähern. "Basel n" – bisher gibt es die Varianten "I" und seit Januar 2007 das Regelwerk "II" – bezeichnet die Gesamtheit der Eigenkapitalvorschriften für Banken, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht verabschiedet. Basler Ausschuss deshalb, weil die fachliche Federführung bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) liegt, die ihren Sitz in Basel hat. Ziel des Regelwerkes sind die Sicherung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung von Banken und die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die Kreditvergabe und den Kredithandel.
Die Kreditwirtschaft ist der Blutkreislauf der (Welt-)Wirtschaft. Welchen Zustand finden wir derzeit vor? Unser Finanz- und Wirtschaftssystem baut auf Kredit auf. Jede Währungseinheit kommt als Krediteinheit auf die Welt. Jede gewährte Krediteinheit erzeugt gleichzeitig eine Guthabenseinheit (Forderung) gleicher Größe – auf Seiten des Kreditgebers. Kein Kredit bei Wirtschaftssubjekt A – kein Guthaben bei Wirtschaftssubjekt B. Jeder Kredit ist zu verzinsen (Zinssystem). Die kontinuierlich steigende Verschuldung erzeugt zunehmende Zinslasten (Umverteilung von Einkommen und Vermögen von Kreditnehmer an Kreditgeber), die für einen begrenzten Zeitraum nur noch durch eine massive Zinssenkung bezahlbar bleiben. Damit die dennoch weiter steigende Zinslast im System erwirtschaftet und bezahlt werden kann, muss die Wirtschaft ständig wachsen. Es muss also stets weitere Nachfrage nach Waren, Dienstleistungen und damit nach Kredit erzeugt und die (monetäre!) Wirtschaftsleistung ständig wachsen (Wachstumszwang mit allen daraus erwachsenen Entwicklungen). Diese Spirale führt zu einem exponentiellen spiegelbildlichen Verlauf von Guthabens- und Verschuldungskurve, wie sie in nachfolgender Grafik illustriert ist. Die weltweite Geldmenge übersteigt die Warenmenge heute um ca. Faktor 4.
Dabei ist die Summe aller Konten (Guthaben und Kreditforderungen) gleich Null. Primär die Waren der Welt bilden nachhaltiges (Gebrauchs-)Vermögen in diesem System. Deren preisliche Bewertung ist dabei stets relativ.
Seit Jahren nehmen weltweit die Geldmengenausweitung und damit die Kreditforderungen drastisch zu. Die Bedienung der daraus erwachsenden Zinslasten und (unechten) Tilgungen bindet zunehmende Teile des Welteinkommens. Die Risiken aus Kreditgeschäften wachsen demnach ebenso seit Jahren. Es gibt einen stets härter werdenden Wettbewerb zwischen Banken um die lukrativen Kreditgeschäfte mit bonitätsstarken Schuldnern. Das System erzwingt kontinuierliche Kreditausleihungen an die Gesamtheit der Wirtschaftssubjekte und muss sich deshalb zwangsläufig mit der Zeit selbst destabilisieren. Um diesen komplex-gefährlichen Prozess so lange wie möglich im Griff zu behalten, gibt es u.a. das Regelwerk Basel "n". Im inhaltlichen Kern geht es dabei um einen angestrebten Marktüberwachungs- und Konzentrationsprozess im Banksystem selbst, der über entsprechende verschärfte Eigenkapitalregelungen für Banken gesteuert wird. Kapitalschwache Banken müssen sich aus dem Kreditgeschäft und damit perspektivisch mehr oder weniger schnell vom Banken-Markt verabschieden. Geht die Kreditvergabe weltweit zurück, nimmt auch das Guthaben weltweit ab und das System (umschrieben u.a. mit dem Begriff Konjunktur) "bockt". Kreditklemmen sind für das Gesamtsystem tödlich und sollen sogar vermieden werden. "Basel n" hat keine Einschränkungen der Kreditvergabe allgemein zum Ziel. Wenn Banken sich heute z.B. aus der Mittelstandsfinanzierung zurückziehen, so liegen die Gründe oftmals in der ungenügenden Eigenkapitalausstattung und damit abnehmenden Risikofähigkeit begründet, die wesentlich von der Ertragslage einer Bank abhängen.
Die Anforderungen an Bonität, Eigenkapital und Sicherheitsleistung der Kreditnehmer haben sich in den letzten 15 Jahren trotz Basel I und II nur unwesentlich verändert. Verändert haben sich hingegen strukturelle Entscheidungswege und -kompetenzen sowie die Methoden der Risikobeurteilung, da diese wesentliches Kern-Element der Bestimmung der Größe des für einen Kredit zurückzulegenden Eigenkapitals der Bank darstellt. Verändert, weil vergrößert, haben sich weiterhin in dieser Zeit die gesamtwirtschaftlichen Kreditrisiken, die das System objektiv zu Anpassungen und Marktkonzentration im Kreditgeschäft zwingen. Wenn die durchschnittliche Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen in all diesen Jahren nahezu unverändert bei 8 bis 10% des Betriebsvermögens liegt und Wachstum weiter über Bank-Kredit angestrebt wird anstatt primär über Re-Investierung von Gewinnen und bankfernes Risikokapital, dann müssen diese gesamtwirtschaftlichen Kreditprozesse und die Kreditwünsche des einzelnen Unternehmens zwangsläufig mit der Zeit kollidieren. Das ist aber nicht dem Regelwerk "Basel n" geschuldet sondern dem Zustand des Gesamtsystems, auf den reagiert werden muss, um es insgesamt am Leben zu halten. Ob die dabei getroffenen Maßnahmen die Probleme heilen, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Die Kreditzurückhaltung privater Konsumenten nimmt zu; auch Unternehmer realisieren zunehmend, dass die Situation des Finanzsystems heute nicht mehr mit der vor 15 Jahren identisch ist und überdenken ihr bisher praktiziertes wirtschaftliches Handeln. Glückwunsch zu dieser Weitsicht! Auch wenn das Gesamtsystem insgesamt nicht aus der Kreditfalle herauskommt (es gibt derzeit leider keine politisch beherrschbaren Lösungsansätze) – das einzelne Wirtschaftssubjekt ist in der Lage, sich davon fern zu halten oder zumindest zu entfernen und zunehmend zu verhindern, dass Teile der eigenen Arbeitsleistung via Zins und Scheintilgung als zusätzliche Steuer an die kreditgebenden Banken abgeführt werden.
Das Regelwerk "Basel n" sollte nicht als das Problem angesehen werden; die täglich ablaufenden Prozesse im Wirtschafts- und Finanzsystem und deren Auswirkungen sind das objektive Problem. Klar ist, dass nicht jedes Eigenheim, nicht jedes Auto und nicht jede betriebliche Investition aus Eigenmitteln allein gestemmt werden kann. Eine kritischere Haltung zum Kredit kann aber zu der Einsicht führen: wenn schon Fremdmittel, dann nur so viel wie unbedingt notwendig und ergänzt durch eigenes Kapital. Dann wäre für den Einzelnen schon viel erreicht und das Gespräch bei der Bank läuft in aller Regel entspannter.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Vermögensberater Ralf Liebscher.