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Seit Wochen lesen wir Schlagzeilen über Griechenland. Das Land kann am internationalen Kapitalmarkt seine Staatsanleihen nicht mehr platzieren. Die Zinsaufschläge sind so hoch, dass das Land diese nicht mehr akzeptieren kann. Bereits die bestehenden normalen Zinsen auf ausgegebene Staatsanleihen kann Griechenland nicht mehr bedienen.
Fällige Anleihen zahlen Staaten heute in aller Regel durch die Aufnahme neuer Schulden (Ausgabe neuer Staatsanleihen) zurück, es findet also lediglich eine Umschuldung von alten in neue Schuldtitel ohne wirkliche Tilgung statt. Da internationale Investoren den Griechen nicht mehr über den Weg trauen, fehlt diese Umschuldungsmöglichkeit zu normalen Zinsen. In diese Lücke springen nun die Hilfskredite der Europäischen Union aus dem Topf des geschaffenen Euro-Rettungsschirms.
Die Gemeinschaft der Euro-Länder tritt mit seinen Krediten zu normalen Zinskonditionen für Griechenland praktisch an die Stelle internationaler Investoren, um Griechenlands Staatsbankrott noch zu verhindern.
Ähnliche Schwierigkeiten für die Refinanzierung der Staatsschulden sind bei Portugal, Spanien, Italien und Irland zu beobachten. Folgende Zahlen zeigen deren spezifischen Problemlagen und im Vergleich dazu die Situation in den USA und Deutschland auf (Quelle: DWS/Angaben für Euro-Länder ohne Belastungen aus Rettungsschirmpaket):
|
Griechenl. |
Portugal |
Spanien |
Italien |
Irland |
USA |
Deutschl. |
Brutto-Inl.-Prod. (in Mrd. USD) |
343,6 |
237,3 |
1.378 |
1.821 |
192 |
14.300 |
2.863 |
Investitionsquote (in % des BIP) |
24,9 |
21,9 |
30,1 |
20,5 |
19,8 |
14,6 |
18,9 |
Haushalt-Deckung (in Mrd. USD) |
-11,4 |
-6,1 |
-103,3 |
-64,0 |
-17 |
-450,0 |
+35,0 |
Haushalt-Deckung (in % des BIP) |
-3,3 |
-2,5 |
-7,5 |
-3,5 |
-8,9 |
-3,1 |
+1,2 |
Staatsverschuldung (in % des BIP) |
90,1 |
64,1 |
37,5 |
103,7 |
31,5 |
100 |
62,6 |
Die unterstrichenen Zahlen zeigen die aktuell wichtigsten Problemherde der einzelnen Länder. Was fällt auf? Griechenland hat zwar große Probleme aufgrund einer Staatsverschuldung in Höhe von 90% des Bruttoinlandsprodukts, um Italien steht es ebenfalls schlecht. Das Land mit den gleichen Schwachstellen in dieser Übersicht sind aber die USA. Bekannt ist zudem, dass das Land bereits im Mai 2011 seine gesetzlich fixierte Schuldenobergrenze erreicht hatte und bis Anfang August 2011 eine Anhebung durch Senat und Repräsentantenhaus erfolgen muss, um die offizielle Zahlungsunfähigkeit zu verhindern.
Eigentlich müssten US-Staatsanleihen gleichfalls abgeratet werden und der US-Dollar taumeln. Stattdessen werden Griechenland und Co. samt EURO durch die Negativ-Schlagzeilen getrieben. Eine Parallele gibt es dennoch; die FED übernimmt in den USA die Rolle des Rettungsschirms, in dem sie seit 2010 US-Staatsanleihen für 2 Billionen US-Dollar zu Niedrigzinsen kauft und damit die Zahlungsfähigkeit der USA aufrecht erhalten hat. Die FED hat China im Ergebnis dessen innerhalb kürzester Zeit als größten Gläubiger der USA abgelöst und auch strategisch einem möglichen Test der Zahlungsfähigkeit der USA durch China vorgebeugt. Zur Not kauft die FED die von China auf den Markt zu bringenden US-Staatsanleihen ebenfalls auf. (Quelle Value Investor, Sonderanalyse Ausgabe August 2011, Investor Verlag).
Das alles geschieht im Schatten nachhaltiger Angriffe amerikanischer Rating-Agenturen auf den Euro via Griechenland und Co. Es geschieht, weil die Weltleitwährung US-Dollar heißt und die internationalen Handelsgeschäfte schwerpunktmäßig weiter in US-Dollar abgewickelt werden. Der unschätzbare Vorteil, sich in eigener (Weltleit-)Währung verschulden zu können, wird durch die sich zuspitzende Finanzlage der USA aber zunehmend selbst gefährdet. Und entsprechend reagiert Wall-Street strategisch, um Konkurrenz für die eigene Währungs-Vormachtstellung einzudämmen. Dabei kommt die strukturelle Schwäche des EURO, Länder mit höchst unterschiedlicher Produktivität und fehlender einheitlicher politischer Führung unter einer Währung vereint zu haben, gerade recht.
Produktivitätsunterschiede und Wettbewerbschancen können nur durch flexible Wechselkurs-Mechanismen schonend ausgeglichen werden. Genau dieses einzige wirksame Instrumentarium gegen allzu impulsive Einschnitte in Investition und Konsum eines Landes wurde mit der raschen Aufnahme von unterschiedlich starken Ländern in den EURO aufgegeben.
Die niedrigen Zinsen auf EURO-Anleihen ermöglichten z.B. Griechenland eine schnell zunehmende Kreditaufnahme und eine abnehmende Stimulierung eigener Produktivitätspotentiale z.B. im Tourismus-Bereich, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Folgen sind heute bekannt. Zudem erfüllte Griechenland niemals die Kriterien für die Aufnahme in den EURO-Währungsraum; mit tatkräftiger Unterstützung des Wall-Street-Anwohners Goldman Sachs reichte es seinerzeit aber doch für eine EURO-fähige Eröffnungsbilanz… Italien als EURO-Brandherd war wohl auch Wall-Street zu groß und damit zu gefährlich für das Welt-Finanzsystem?
Die Gefahr für die Spargroschen liegt weniger in Griechenland, dessen Anleihen bei deutschen Versicherern z.B. aktuell nur noch ca. 0,5 % der Kapitalanlagen und dessen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der EURO-Länder gerade mal ca. 3 % betragen. (Quelle: Value Investor, Sonderanalyse Ausgabe August 2011, Investor Verlag). Die Gefahren lauern konkret in den immer weiter ausufernden Verschuldungen aller Industriestaaten mit den USA an der unangefochtenen Spitze und den sich bereits sichtbar entwickelnden wirtschafts- und finanzpolitischen Verwerfungen und Kräfte-Verschiebungen von den USA und Europa weg und hin nach Asien, namentlich China und asiatischer Peripherie-Ländern und den damit einhergehenden, heute im wesentlichen währungspolitischen Auseinandersetzungen getreu dem Motto, Geld regiert die Welt.
Die Frage ist dabei, wessen Zahlungsversprechen (nichts anderes ist Papiergeld) künftig die Welt ab wann regieren wird. Diese und auch die nächste Dekade werden im Zeichen weiter zunehmender wirtschafts- und finanzpolitischer Verschiebungsprozesse stehen.
Gefahr für die Spargroschen lauert deshalb vor allem im Verzicht auf nachhaltige Streuung in verschiedene Anlageklassen und Märkte sowie fehlender nachhaltiger und zeitnaher Steuerung des gesamten Portfolios von Vermögensanlagen. Keine Anlageklasse wird im Zuge der angesprochenen Verschiebungsprozesse eine Komfortzone darstellen, nur ein Mix aus allem wird helfen, dennoch Vermögen aufbauen und Kaufkraft erhalten zu können.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Vermögensberater Ralf Liebscher.