Die Ausübung des Abzugs der Umsatzsteuer als Vorsteuer im Voranmeldezeitraum ist an Voraussetzungen gebunden. Zum Vorsteuerabzug in Verbindung mit Rechnungen ergingen in den letzten Jahren sowohl Urteile des EuGH als auch vom Bundesfinanzhof (BFH). Grundsätzliche Aussagen wurden hierzu zusammengefasst im BMF-Schreiben vom 18. September 2020 zu „Umsatzsteuer; Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung und Vorsteuerabzug ohne Besitz einer ordnungsmäßigen Rechnung“, worauf nachfolgend näher Bezug genommen wird. Zugleich erfolgten diesbezügliche Änderungen in den Abschnitten 14 und 15 im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010. Anzuwenden sind die Regelungen zu allen offenen Fragen. Erfordernis für die Ausübung eines Vorsteuerabzugs ist eine vom leistenden oder liefernden Unternehmen ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung nach den Vorschriften des § 14 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG), die beim Empfänger vorliegt. Ein Vorsteuerabzug ist ohne Vorliegen einer Rechnung gemäß formeller und materieller Voraussetzungen nicht möglich. Wenn die Zahlung zu einer Rechnung geleistet wird, kann der Vorsteuerabzug erst in dem Voranmeldezeitraum erfolgen, wenn die ordnungsgemäße Rechnung erstmals vorlag.
Das Recht auf Vorsteuerabzug kann jedoch ausnahmsweise (nach Tz. 10 im BMF-Schreiben) geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer eine Rechnung besitzt, die nicht alle formellen Voraussetzungen nach § 14 UStG erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde. Für die Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs muss dann aber der Unternehmer durch „objektive Nachweise“ belegen können, dass er tatsächlich eine Leistung oder Lieferung von einem anderen Unternehmen erhalten hat, die seinen der Umsatzsteuer unterliegenden Umsätzen dienten. Ohne einen solchen Nachweis können Zweifel verbleiben, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug tatsächlich vorliegen.
Gelingt dem Unternehmer kein objektiver Nachweis, kann er (nach Tz. 14 im BMF-Schreiben) auch eine nach § 31 Abs. 5 in UStDV berichtigte Rechnung verlangen. Zu berichtigen bzw. zu ergänzen wären die unvollständigen und ggf. fehlenden Aussagen und Angaben. Eine Rechnungsberichtigung erfordert immer eine spezifische und eindeutige Bezugnahme auf die ursprüngliche Rechnung, so beispielsweise mit Angaben der Rechnungsnummer, des Rechnungsdatums, des Rechnungsempfängers u. a. Vom Bauunternehmen als Leistungs- und Rechnungsempfänger bliebe zu prüfen und zu entscheiden, ob bei mit Zweifeln belegten Umständen es sinnvoller gegenüber Nachweisen ist, bei einer erhaltenen Rechnung mit fehlenden bzw. unvollständigen Pflichtangaben vorzugsweise vom Rechnungsaussteller eine korrigierte Rechnung zu verlangen. Im Falle von Zweifeln sowie bei Unklarheiten würde die Last dem Leistungs- bzw. Rechnungsempfänger zufallen.
Zu gewähren bzw. auszuüben ist der Vorsteuerabzug (nach Tz. 28 ff. im BMF-Schreiben)
bei nicht ordnungsmäßiger Rechnung, aber objektivem Nachweis in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag, wobei aber die nicht ordnungsgemäßen Angaben auf andere Weise zu legen wären,
bei einer berichtigenden bzw. rückwirkenden Rechnungskorrektur für den Besteuerungszeitraum, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag, bei Storno und Neuerteilung einer Rechnung erst für den Besteuerungszeitraum der Neuerteilung, wobei die Stornierung und ihre Neuerteilung eine Rückwirkung entfalten kann.
Nach einem BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 kann für den Vorsteuerabzug darauf verzichtet werden, dass unter der Anschrift des leistenden Unternehmens auch seine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden muss. Das leistende Unternehmen soll aber unter der angegebenen Anschrift (ggf. auch eine c/o Adresse, einer Betriebsstätte oder Zweigniederlassung) erreichbar sein. Das ist demzufolge auf den Ausgangsrechnungen der Bauunternehmen sicherzustellen. Eine Rechnung soll dann bei einer Betriebsprüfung nicht mehr wegen fehlender wirtschaftlicher Tätigkeit unter der angeführten Anschrift zurückgewiesen werden. Verbunden ist damit eine Erleichterung für die beteiligten Unternehmen.
Für den Vorsteuerabzug ist vor allem eine "ordentliche Leistungsbeschreibung " zur Eingangsrechnung erforderlich. Dafür können die Aussagen auch in verschiedenen Unterlagen bzw. Dokumenten enthalten sein, beispielsweise der Vermerk auf Verträge, vorliegende Lieferscheine u. a. In einer BFH-Entscheidung vom 11.12.2013 wurde bezweifelt, dass es sich bei den Hinweisen "Erstellung Rohbau" und "Mehrmassen Stahl" um eine genaue Leistungsbeschreibung handelt. Mindestens wäre die Einbeziehung des zugrunde liegenden Angebots erforderlich gewesen. Auch Verweise nur auf "Malerarbeiten" oder "Technische Beratung" gelten allgemein als ungenügend für eine eindeutige Identifizierung. Eine allgemein gehaltene Angabe wie „Produktverkäufe“ reicht ebenfalls nicht aus, wenn die dabei abgerechnete Leistung nicht eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen ist. Für einen Vorsteuerabzug ist weiter zu prüfen, ob die auf den Eingangsleistungen in den Eingangsrechnungen berechnete Umsatzsteuer, überhaupt als Vorsteuer abziehbar ist ( vgl. § 15 Abs. 1, 1 a und 1 b UStG). Danach bedarf es der Feststellung im Sinne einer Identifizierung der Vorsteuerbeträge, ob den Eingangsleistungen ganz oder teilweise auch Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können, d. h. unschädlichen Ausgangsumsätzen zuzurechnen oder ggf. nach zuordenbaren und nicht zuordenbaren Vorsteuerbeträgen aufzuteilen sind. Zwischen den Eingangsrechnungen und Ausgangsrechnungen muss ein unmittelbarer Zusammenhang erkennbar sein. Dieser wäre ggf. nur dann nicht erforderlich, wenn die Aufwendungen aus den Eingangsrechnungen im Unternehmen zu den allgemeinen Aufwendungen zählen und über die Preisbildung für erbrachte Ausgangsleistungen mit Berücksichtigung finden. Entscheidend und ausreichend ist, dass der Leistungsempfänger nach einem Urteil des BFH vom 20. Oktober 2016 durch die „Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung identifizierbar“ ist.
Besondere Regelungen sind zu beachten, wenn:
Wird die Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten ausgestellt, dann muss die Angabe "Gutschrift" anstelle von Rechnung enthalten sein. Bei Rechnungen, die der Steuerschuldnerschaft unterliegen (beispielsweise Rechnungen zu Bauleistungen von Nachunternehmern gegenüber einem Bauunternehmen als Generalunternehmer bzw. Hauptunternehmer), ist in der Rechnung die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" aufzuführen. Für Rechnungen an ausländische Unternehmen kann auch der Begriff "Reverse Charge" vorgesehen werden. Auch aus Rechnungen für Übernachtungen bei einer dienstlichen Reise oder einer unternehmerisch bedingten Auswärtsbeschäftigung von Arbeitnehmern kann das Unternehmen den Vorsteuerabzug geltend machen, wenn die Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer zulasten des Unternehmens ausgestellt wurden. Das ist ebenfalls aus Rechnungen für Verpflegungsmehraufwendungen für Arbeitnehmer bei einer Auswärtstätigkeit möglich. Die Aufwendungen müssen auch durch Rechnungen auf den Namen des Unternehmens mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer bzw. durch Kleinbetragsrechnungen belegt werden. Bei Kleinbetragsrechnungen gilt als Ausnahme, dass die Umsatzsteuer nicht gesondert in einem Betrag ausgewiesen sein muss. Sie sind auch nur dann zu berichtigen, wenn nicht die an sie zu stellenden Angaben erfüllt werden.