Nachträgliche Bauwerksabdichtung - mechanische Verfahren nach anerkannten Regeln der Technik
Bei der Sanierung oder Umnutzung von Bestandsbauten sind überwiegend auch Maßnahmen der nachträglichen Bauwerksabdichtung erforderlich. Meistens sind die Horizontalsperren entweder nicht vorhanden oder nicht mehr vollständig funktionstüchtig, um die aufsteigende Feuchte in höher gelegene Mauerwerksbereiche sicher zu unterbinden.

Aufsteigende Feuchtigkeit in salzbelastetem Mauerwerk
Bild: © Jürgen Weber
Dann kann durch den nachträglichen Einbau einer Horizontalsperre sichergestellt werden, dass keine aufsteigende Feuchte über den Mauerwerksquerschnitt die geplante Raumnutzung einschränkt. Der Einbau einer solchen Sperre erfolgt am sichersten mit Hilfe der mechanischen Verfahren wie:
- Schneid- und Sägeverfahren,
- Blecheinschlagverfahren,
- Maueraustausch- und Kernbohrverfahren.
Diese Verfahren sind den allgemein anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen und werden in einem WTA-Merkblatt 4-7 „Nachträgliche mechanische Horizontalsperre“ ausreichend beschrieben.
Nachträgliche Horizontalabdichtungen mit dem Injektionsverfahren
Wenn diese sicheren mechanischen Verfahren der nachträglichen Herstellung einer Horizontalsperre aus statischen oder materialspezifischen Gründen nicht möglich sind, bleibt nur das Injektionsverfahren zur Herstellung einer Abdichtungsebene. Das Injektionsverfahren ist zum Stand der Technik zu zählen.
In DIN-Normen sucht man vergeblich nach Verfahrensbeschreibungen und Hilfen bezüglich der Materialauswahl für nachträgliche Horizontalabdichtungen im Injektionsverfahren. Diese Lücke wird durch das WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport“ für die Injektionsverfahren geschlossen.
Damit ist das Injektionsverfahren in der Baupraxis einsetzbar, was nicht heißt, dass dieses Verfahren universell und unproblematisch einsetzbar ist und dass man keine dezidierte Planung und fachgerechte Ausführung benötigt.
Wirkungsweise des Injektionsverfahrens
Bei diesem Verfahren werden über Bohrkanäle Injektionsstoffe mit oder ohne Druck ins Mauerwerk eingebracht. Diese bewirken, dass die Kapillaren in dem Mauerwerk durch:
- Verstopfungen,
- Verengungen,
- Hydrophobierungen oder
- Verengung und Hydrophobierung
so verändert werden, dass ein Wassertransport durch die Kapillaren verhindert wird. Das Resultat ist das Erreichen der Ausgleichsfeuchte des Mauerwerkes über der nachträglich hergestellten Sperre im Mauerwerk.
Die richtige Planung – Garant für eine funktionsfähige Abdichtung mit Injektionsverfahren
Obwohl die Injektionsverfahren zum Stand der Technik gehören, weisen sie aber ein höheres Versagensrisiko auf als die mechanischen Verfahren [1, 2]. Der Grund des relativ hohen Versagensrisikos sind nicht die im Handel befindlichen Injektionsstoffe. Vielmehr sind eine fehlerhafte und unzureichende Planung sowie eine nicht fachgerechte und sorglose Ausführung die Ursache dafür, wenn nicht die gewünschte Abdichtungswirkung erzielt wird.
Voruntersuchungen - Grundlage für die Wahl des richtigen Injektionsstoffes
In der Planungsphase ist vor allem die Nichtbeachtung der Forderungen aus dem WTA-Merkblatt 4-10 Grund für die ungenügende Funktionstüchtigkeit der Abdichtung. Meistens werden die geforderten Voruntersuchungen gar nicht oder nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Daraus resultiert, dass nicht der auf das Mauerwerk abgestimmte Injektionsstoff vom Planer oder Ausführenden festgelegt wird [1, 2].
Bohrlochabstände bei fehlenden Herstellerangaben durch Probeinjektionen selbst ermitteln
Ein weiterer Grund ist die fehlerhafte Festlegung der Bohrlochabstände, welche überwiegend nach Wunschdenken hinsichtlich der Ausbreitung des Injektionsstoffes im Mauerwerk ermittelt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Applikation des Mauerwerkes um den Bohrkanal herum überwiegend nicht den Vorstellungen der Hersteller und Ausführenden entspricht. Die Ausbreitung des Injektionsstoffes ist nicht wie in der Theorie kreisförmig um das Bohrloch herum. Außerdem beeinflussen die materialspezifischen Eigenschaften und der Durchfeuchtungsgrad des Mauerwerkes grundsätzlich immer die tatsächliche Ausbreitung des Injektionsstoffes [1, 3].

Es ist nur eine 2 cm wirksame Applikation von Injektionsstoff um den Bohrkanal tatsächlich vorhanden.
Bild: © Jürgen Weber
Die derzeit noch im WTA-Merkblatt 4-10 ausgewiesenen bzw. empfohlenen Bohrlochabstände und Bohrlochanordnungen sollten daher mit Skepsis betrachtet werden. Sie wurden aus früheren baupraktischen Erfahrungen festgelegt und halten den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen in den letzten Jahren nicht mehr im Einzelfall stand.

Einreihige Bohrlochanordnung mit zu großem Abstand
Bild: © Jürgen Weber
Das Risiko, dass keine ausreichende Abdichtungsebene entsteht, kann durch angemessene Bohrlochanordnungen wesentlich verringert werden. Sinnvoller als eine starre Festlegung der Bohrlochanordnungen ist eine ermittelte Bohrlochanordnung auf Grundlage von Probeinjektionen in dem betreffenden Mauerwerk. Diese eigentlich sinnvolle Vorgehensweise dürfte allerdings nur in den wenigsten Fällen durchsetzbar sein. Aus diesem Grund ist es ratsam, dass die Hersteller der Injektionsmittel die Bohrlochanordnung aktenkundig und auf das jeweilige Objekt bezogen vorgeben.
Fehler bei der Ausführung des Injektionsverfahrens
In der Ausführungsphase ist der häufigste Fehler, dass nicht die erforderliche Menge des Injektionsstoffs ins Mauerwerk eingebracht und keine Abdichtungsebene geschaffen wird. Ursache dafür sind die zu kurze Injektionsdauer pro Bohrkanal, die nicht ausreichende Reinigung der Bohrlöcher, ein zu groß gewählter Bohrlochabstand für den Einzelfall und Abweichungen im Anstellwinkel beim Bohren der Kanäle. Aber auch die Nichtbeachtung von Hohlräumigkeit, zu hohe Durchfeuchtungsgrade und fehlende Vor- und Nachtrocknung zur Erreichung der erforderlichen bauphysikalischen Randbedingungen im Mauerwerk bei den flüssigen Injektionsstoffen führen zu unzureichender Abdichtungsqualität.

Prüfung der Parallelität der Bohrlochkanäle
Bild: © Jürgen Weber
Durch Hohlräume und Risse kann der flüssige Injektionsstoff ungehindert abfließen und es bildet sich keine Abdichtungsebene aus. Durch fehlendes Vortrocknen des Mauerwerkes wird der Durchfeuchtungsgrad, in dessen Höhe die Wirksamkeitsprüfung des jeweiligen Injektionsstoffes im Labor erfolgte, nicht näherungsweise erreicht, was wiederum die Ausbreitung des Injektionsstoffes wesentlich beeinträchtigen kann. Bei fehlender Nachtrocknung des Mauerwerkes entsteht nicht die erforderliche Randbedingung zur Entwicklung des Wirkprinzips (z. B. Ausbildung der Hydrophobie), sodass eine wirksame Abdichtungsebene überhaupt nicht erst entsteht. Weitere Ursachen und Ausführungsmängel, welche zu einer eingeschränkt funktionstüchtigen Abdichtungsebene führen, sind möglich.
Moderne Abdichtungscremes das "Allheilmittel"?
Die in den letzten 10 Jahren im Markt befindlichen Abdichtungscremes haben gegenüber den flüssigen Injektionsstoffen den Vorteil, dass sie einfacher ins Mauerwerk eingebracht werden können. Ein unbemerktes Abfließen des cremeartigen Injektionsstoffes bei gerissenem oder hohlräumigem Mauerwerk ist nicht zu befürchten. Da diese Injektionsstoffe bei 95 % Durchfeuchtungsgrad geprüft werden, veranlasst es einige Planer und Ausführende diese Cremes als „Allheilmittel“ einzustufen. Und so werden diese Injektionsstoffe teilweise ohne die eigentlich erforderliche Voruntersuchung und Planung eingesetzt. Aber Creme ist nicht gleich Creme. Auch diese Injektionsstoffe sind nur unter bestimmten Randbedingungen funktionstüchtig. Daher sollten die Forderungen aus dem WTA-Merkblatt 4-10 auch bei diesen Produkten eingehalten werden, wenn man als Planer oder Ausführender keinen Haftungsfall in Kauf nehmen will.
Horizontalabdichtung mit Injektionsverfahren – So gelingt es!
Um eine funktionstüchtige, nachträgliche Horizontalsperre mittels Injektionsverfahren herzustellen, sollten zumindest nachfolgende Hinweise beachtet werden:
Die gesamte Ausführungsplanung sollte auf Grundlage eines Sanierungskonzeptes erfolgen, welches wiederum auf der Basis der Ergebnisse einer ausreichenden Voruntersuchung zu erstellen ist. Es wird angeraten, einen erfahrenen Fachplaner mit der Erstellung des Sanierungskonzepts zu beauftragen.
Mit der Ausführung der nachträglichen Horizontalsperre sind nur ausgewiesene Fachfirmen zu beauftragen, die ausreichende theoretische und praktische Erfahrungen in der Behandlung von salz- und feuchtebelastetem Mauerwerk und mit WTA-zertifizierten Injektionsstoffen haben.
Zwischen den Baubeteiligten ist das Abdichtungsziel in der Planungsphase festzulegen und von den Bauherren aktenkundig zu bestätigen. Dabei sind u. a. die geplanten Raumnutzungsklassen [4] Grundlage des Abdichtungszieles.
Grundsätzlich ist das Injektionsverfahren nach dem WTA-Merkblatt 4-10 zu planen und auszuführen. Dieses Merkblatt sollte immer in den Verträgen aktenkundig von den betreffenden Baubeteiligten benannt werden.
Aus Kostengründen wird in einigen Fällen kein Fachplaner mit der Planung der nachträglichen Horizontalsperre beauftragt. Wenn dann eine Fachfirma ein Angebot für die Abdichtungsarbeiten abgibt und mit der Bauleistung beauftragt wird, so ist der ausführende Betrieb für Planungsfehler und Folgeschäden verantwortlich.
Das bisher noch nicht grundsätzlich gelöste Hauptproblem besteht in der richtigen Zuordnung der jeweiligen Injektionsverfahren und Injektionsstoffe hinsichtlich der physikalischen bzw. materialspezifischen Eigenschaften der mit einer Horizontalabdichtung zu versehenden Bauteile. Dieses Problem dürfte sich aber in den nächsten Jahren lösen lassen.
Literaturquellen:
[1] Weber, Jürgen; Hafkesbrink, Volker „Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung“, 5. Auflage, Springer Vieweg Verlag, 2018
[2] Weber, Jürgen, verschiedene Veröffentlichungen, eBook, Springer Vieweg Verlag 2021
[3] Walter, A.; Venzmer, H. „Bohrlochabstände feuchteabhängig wählen“, Zeitschrift der Bauschaden, April/Mai 2020 –Teil 1 und Juni/Juli 2020 – Teil 2