In den Ländern der Europäischen Union gilt grundsätzlich Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Angehörige von Drittstaaten können ähnlich geschützt werden. Wer im Sinne eines Arbeitnehmers gilt, wird allgemein weit ausgelegt. Zuzurechnen sind alle Personen, die weisungsgebunden Leistungen gegen ein Entgelt wie Lohn und Gehalt ausführen.
Freizügigkeit bedeutet in erster Linie den freien Zugang des Arbeitnehmers zu einer Beschäftigung, für die er sich in einem Staat der Union bewerben darf und nach Erhalt einer Beschäftigung sich in diesem Land auch frei bewegen kann.
Am 1. Mai 2004 wurden die Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien und Ungarn aus Mittel- und Osteuropa Mitglied der EU. Damit traten auch die in den Beitrittsverträgen vereinbarten Übergangsfristen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie der Dienstleistungsfreiheit in Kraft. Grundlage war ein sogenanntes „2 + 3 + 2 -Modell“, das insgesamt 7 Jahre umfasst und in den einzelnen Stufen den Beteiligten verschiedene Schritte von Übergangsregelungen erlaubte.
Zum 30. April 2011 lief die durch Deutschland insgesamt ausgeschöpfte Übergangsfrist von 7 Jahren zum Ende der 3. Stufe aus. Damit fielen gegenüber den genannten Staaten bisherige Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland weg. Für die zur EU am 1. Januar 2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien liefen die Übergangsfristen zum 31. Dezember 2013 aus. Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der EU bei mit einer Übergangsregelung in der 1. Stufe bis 30. Juni 2015.
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und auch die Dienstleistungsfreiheit für Kroaten nicht länger zu beschränken. Kroatische Betriebe des Baugewerbes, der Gebäudereinigung und Innendekoration können - analog zu den früheren Regelungen bei den anderen angeführten Staaten - seit 1. Juli 2015 ihre Arbeitnehmer uneingeschränkt nach Deutschland entsenden und ihre Leistungen hier anbieten. Beispielsweise ist es nun nicht mehr erforderlich, Kontingente für Werkverträge zu beantragen. Arbeitskräfte, und folglich auch Bauarbeiter, erhalten aus den betreffenden Staaten unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
Zu beachten bleibt aber, dass die Arbeitnehmer aus den angeführten mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten auch Anspruch auf die deutschen Mindestlöhne haben. Die Mindestlöhne im Baugewerbe gelten grundsätzlich für alle Bauunternehmen, die auf dem hiesigen Markt Bauleistungen ausführen. Grundlagen sind die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (ArbEntG), des "Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe (TV-Mindestlohn)" sowie Tarifverträgen in verschiedenen Baunebengewerben (z. B. Elektrohandwerk, Malerhandwerk, Gebäudereinigung u. a.). Für weitere Tätigkeiten könnte auch der allgemeine Mindestlohn auf Grundlage des Mindestlohn- Gesetzes (MiLoG - in Kraft seit 1. Januar 2015) maßgebend sein, sofern keine Übergangsregelungen gelten. Der Wegfall von Beschränkungen für Arbeitnehmer auf dem deutschen Baumarkt macht auch die Kontrolle zur Einhaltung des Mindestlohns zwingender notwendig. Nachzugehen ist illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit. Werden diese Mechanismen nicht konsequent weiter durchgesetzt, bliebe der Wettbewerb auf dem Baumarkt verzerrt und würde zum Nachteil ansässiger Bauunternehmen gereichen.