Holz ist ein traditionsreicher Baustoff mit vielen Vorteilen. Der natürliche und nachwachsende Rohstoff bietet höchste Tragfähigkeit, ist flexibel einsetzbar, lässt sich einfach verarbeiten, schützt gut vor Wärme, Kälte und Schall.
Aber vor allem in einem Punkt zögern viele Menschen, wenn es um Holz als Baustoff geht: Besteht in Holzhäusern nicht erhöhte Brandgefahr?
Philipp Specht ist Architekt aus Miltenberg in Bayern. Der 32-Jährige studierte an der Bauhaus-Universität Weimar und betreut heute verschiedene Bauprojekte in ganz Deutschland. Mit Holz hat er inzwischen auf vielen Baustellen gearbeitet. Im bauprofessor-Interview verrät er der Redakteurin Jeanette Miltsch, was am Ruf von leicht brennbaren Holzhäusern dran ist.
Architekt Philipp Specht
Herr Specht, es gibt unzählige langlebige, preiswerte Baustoffe – was fasziniert Sie so an Holz?
Holz ist ein sehr vielseitiger Baustoff mit tollen Eigenschaften, der nachwächst und keinen Müll hinterlässt. Das Gefühl, wenn man Holz berührt, die Optik und sein Geruch gefallen mir sehr. Denken Sie beispielsweise an Echtholzfußböden – die wirken einfach wunderbar.
Ganze Dörfer, deren Häuser größtenteils aus Holz gebaut waren, sind in der Vergangenheit abgebrannt. Holzhäuser haben bis heute den Ruf, leicht brennbar und damit gefährlicher zu sein als Steinhäuser. Stimmt das tatsächlich?
Für einen Brand kann es viele Gründe geben – der Baustoff des Hauses gehört allerdings nicht dazu. In den meisten Fällen sind es menschliche Fehler, die Brände verursachen. Heute gibt es strenge Brandschutzregeln, Brandwände, Feuerlöscher, Rauchmelder und Abstandsregeln, die auch verhindern, dass Flammen auf Nachbargebäude übergreifen. Jedes einzelne Bauteil ist brandschutzgeprüft. Auch die Feuerwehren sind jetzt wesentlich besser ausgerüstet und geschult. Heutzutage würde kein Dorf einfach abbrennen – egal, aus welchem Material die Häuser sind.
Können Sie einige Brandschutz-Maßnahmen speziell für Holzhäuser nennen?
Gern. Tragende Bauteile müssen mit feuerhemmenden Materialien wie beispielsweise Gipsplatten verkleidet sein, um die vorgeschriebene Feuerwiderstandsklassen 30 zu erreichen. So wird das Durchbrennen der tragenden Elemente verzögert. Alle Bauteile müssen selbstverständlich brandschutzgeprüft sein. In Holzhäusern sollten die tragenden Balken außerdem dicker sein als es die Statik vorsieht. Das hat mit dem natürlichen Brandverhalten von Holz zu tun.
Wie sieht das aus?
Das können Sie nach einem Waldbrand gut beobachten. Völlig verkohlte Baumstämme wirken wie tot, aber im Kern leben sie noch und treiben wieder aus. Bei großer Hitze bildet Holz eine Schutzschicht aus Kohle. Dadurch gelangt weniger Sauerstoff ins Innere des Holzes, was ein schnelles Verbrennen verhindert. Holz bringt also von Natur aus brandhemmende Eigenschaften mit.
Aber wenn Holz dann einmal richtig brennt…
…dann brennt es kontrolliert ab. An Balken in Flammen erkennen Feuerwehrleute genau, in welchem Zustand das Holz gerade ist. Sie wissen also, wie viel Zeit sie noch haben, um Menschen aus dem Gebäude zu retten, bevor das hölzerne Tragwerk einstürzt. Bei Stahl ist das anders. Bei großer Hitze wird er instabil und stürzt schlagartig ein. Wann genau das passiert, ist für die Feuerwehr unmöglich abzuschätzen, das passiert ohne Vorankündigung.
Ist Brandschutz in Holzhäusern teurer als in Steinhäusern?
Das lässt sich nicht einfach pauschal beantworten. Das ist immer projektspezifisch und im Zusammenhang zu sehen. Vergleicht man aber eine Holzwand mit Feuerwiderstandsklassen 90, mit einer F 90-Betonwand, dann ist die Holzwand teurer. Das liegt unter anderem an fehlenden Sägewerken in Deutschland. Einheimisches Holz muss deshalb teilweise weit transportiert werden.
Luftaufnahme eines Sichtsparren-Dachstuhls bei der Sanierung eines Einfamilienbaus in Berlin.
Bild: © Philipp Specht / f:data GmbH
Letzte Frage: In Österreich und der Schweiz entscheiden sich inzwischen viele Menschen für Holzhäuser. Warum ist das in Deutschland anders?
Ich denke, das ist eine Frage der Baukultur in Deutschland. „Stein-auf-Stein“ gilt bei den meisten deutschen Häuslebauern noch immer als stabilste Art, sein Eigenheim zu bauen. Das ist eher ein kultureller als ein rationaler Grund. Oft wird beispielsweise die vermeintlich schnelle Verwitterung von Holz-Fassaden bemängelt. Dabei sieht man jeder Fassade nach zehn Jahren an, dass sie täglich Witterungen ausgesetzt ist – egal aus welchem Material sie besteht. Im Gegensatz zu expandiertem Polystyrol ist Holz aber kein Sondermüll, sondern wiederverwendbar. Und wenn es als Brennholz im Kamin landet.
Der Experten-Tipp
Ralph Ulbrich ist verantwortlich für den vorbeugenden Brandschutz bei der Berufsfeuerwehr in Weimar und seit 37 Jahren Kamerad:
„Bei Brandeinsätzen an ungeschützten Stahlkonstruktionen sind die Eigenschaften von Stahl besonders zu betrachten. Im Gegensatz zu Holz dehnt sich Stahl bei starker Wärme- und Hitzeeinwirkung aus und zieht sich bei Kontakt mit Löschwasser zusammen. Dieses Verhalten kann zum Einsturz führen und muss deswegen besonders durch die Feuerwehr beachtet werden. Holz hat ein kalkulierbares Brandverhalten. Sein Nachteil ist, dass es eine zusätzliche Brandlast liefert. Stahl hingegen brennt nicht, verliert aber relativ schnell seine Tragfähigkeit.“