Der Auftraggeber kann Mängelrechte grundsätzlich erst nach einer Abnahme geltend machen. Anhand eines aktuellen Falls erläutert Rechtsanwalt für Bau- und Immobilienrecht Frederick Brüning die Hintergründe.
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Der Sachverhalt
Ein Bauträger teilt eine bestehende Immobilie in Wohneigentum auf und verpflichtet sich, Renovierungsarbeiten an dem Gemeinschaftseigentum zu erbringen, die er nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchführt. Die Erwerber erklären daher die Abnahme der Bauleistungen nicht. Nach Durchführung eines Beweisverfahrens verlangt die Gemeinschaft von dem Bauträger eine Vorschusszahlung für die Mängelbeseitigung in Höhe von 150.000 Euro. Das Landgericht München spricht der Wohnungseigentumsgemeinschaft in erster Instanz einen Betrag in Höhe von 125.000 Euro zu. Mit der Berufung rügt der Bauträger nunmehr, dass die Wohnungseigentumsgemeinschaft vor Abnahme keinen Vorschuss für die Mängelbeseitigung verlangen könne. Denn dies betreffe Mängelrechte, die erst nach Abnahme gegeben seien.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Das Oberlandesgericht München weist die Klage ab. Denn Mängelrechte und damit auch ein Vorschussanspruch können grundsätzlich erst nach einer Abnahme geltend gemacht werden. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
An einer solchen Abnahme fehlt es in dem vorliegenden Fall. Auch eine Entbehrlichkeit des Abnahmeerfordernisses in Form des sogenannten Abrechnungsverhältnisses liegt nicht vor. Allein das Verlangen von Vorschuss führt dieses nicht herbei. Ein Abrechnungsverhältnis liegt dann vor, wenn die Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht hätte, unter keinen Umständen mit dem Bauträger, der seine Arbeiten als fertig gestellt zur Abnahme angeboten hat, noch zusammenarbeiten zu wollen.
Die Bedeutung
Die Voraussetzung für den Übergang von einem Herstellungsanspruch zu Gewährleistungsansprüchen ist die sog. Abnahme der Werk- bzw. Bauleistungen. Vor Abnahme können grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche (z. B. Schadenersatz) geltend gemacht werden – so das Urteil des OLG München vom 22.03.2022, Az.: 28 U 3194/21 Bau.
Der Auftraggeber kann also Mängelrechte grundsätzlich erst nach einer Abnahme geltend machen. Diese gesetzgeberische Intention führt zu interessengerechten Ergebnissen: Vor Abnahme steht dem Auftraggeber der Anspruch auf Herstellung des Werks und die allgemeinen Leistungsstörungsrechte (Schadensersatz, Rücktritt und Kündigung aus wichtigem Grund) zu. Erst nach der Abnahme bzw. mit dem Eintritt in ein sogenanntes Abrechnungsverhältnis kann der Besteller Mängelrechte geltend machen.