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I) Nach der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019, die feststellte, dass Deutschland gegen die europäische Dienstleistungsrichtlinie verstoßen hat, weil es bis Ende 2009 nicht die Mindest- und Höchstsätze der HOAI für die Honorarberechnung aufhob, hat der Gesetzgeber reagiert und eine neue HOAI-Verordnung verabschiedet, die für Verträge ab 01.01.2021 gilt.
Gegenstand dieses Beitrags ist die Vergütung von Änderungsleistungen des Architekten in Form von nochmaligen Grundleistungen/Teilleistungen aus Leistungsphasen der HOAI bei Gebäuden.
II) Die Vertragspartner können Einvernehmen über solche Änderungsleistungen des Architekten erzielen, indem der Architekt den Änderungswunsch des Auftraggebers einverständlich umsetzt.
1. Wenn der Änderungswunsch des Bauherrn ein anderes „Objekt“ als das bisherige Objekt beinhaltet, gilt § 11 HOAI. Die Honorarberechnung ist dann für jedes der beiden Objekte mit den vollen Leistungsprozentsätzen der erbrachten Leistungen und Teilleistungen abzurechnen. Eine Anrechnung erbrachter Grundleistungen/Teilleistungen für das ursprüngliche Objekt kommt beim geänderten Objekt wegen der Objektverschiedenheit nicht in Betracht.
Das ursprüngliche Objekt wird vielmehr auf der Grundlage der dafür erarbeiteten Kostenberechnung mit den insoweit erbrachten Grundleistungen/Teilleistungen abgerechnet. Die Abrechnung der Grundleistungen/Teilleistungen für das Änderungsobjekt erfolgt nach Maßgabe der hierfür neu aufzustellenden Kostenberechnung.
2a) Handelt es sich um eine einvernehmliche Leistungsänderung für dasselbe Objekt/Gebäude mit dem Erfordernis der Wiederholung von Grundleistungen/Teilleistungen, wird bei Erhöhung der anrechenbaren Kosten eine neue Kostenberechnung aufgestellt, die gem. § 10 (1) HOAI Grundlage der Honorarabrechnung des Architekten für das Änderungsobjekt ist.
Das ursprüngliche Objekt wird mit den dafür erbrachten Leistungen nach der ursprünglichen und niedrigeren Kostenberechnung abgerechnet.
Soweit Leistungen für das geänderte Objekt nicht wiederholt werden müssen, bleibt es bei der Abrechnung dieser Leistungen auf der Grundlage der niedrigeren anrechenbaren Kosten der Erstplanung.
2b) Sind Grundleistungen/Teilleistungen nur teilweise zu wiederholen, ist es abrechnungstechnisch zweckmäßig, den Umfang dieser Leistungen nach dem Verhältnis zwischen ursprünglichen und höheren anrechenbaren Kosten zu bestimmen.
Beispiel: Die Entwurfsplanung braucht aufgrund des Änderungswunschs des Bauherrn nicht für das gesamte Gebäude geändert zu werden, sondern nur für einen Teil des Gebäudes. Die Leistungsprozentsätze in Leistungsphase 3 wären für die Änderungsleistung nach den dafür anfallenden höheren Baukosten und deren Verhältnis zu den ursprünglichen Baukosten zu berechnen. Bei einer Kostensteigerung von 20 % wären mithin 20 % der wiederholten Grundleistungen/Teilleistungen aus Leistungsphase 3 für das Änderungsobjekt abzurechnen.
2c) Eine Abrechnung mit den vollen Leistungsprozentsätzen für die Änderungsleistungen nur auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten, die auf die Änderungsleistung entfallen, scheidet dagegen aus, da die Kostenberechnung gem. DIN 276 anrechenbare Kosten nur für eine Gesamtmaßnahme kennt.
2d) Honorarpauschalen sind ebenfalls anhand dieser Grundsätze unter Berücksichtigung des Pauschalabschlags abzuändern. Dies ist allerdings streitig, da eine Honorarpauschalierung für die Ursprungsleistung rechtsgeschäftlich nicht notwendig auch für Leistungsänderungen gilt.
2e) Gibt es überhaupt keine Honorarvereinbarung, sondern wird im Vertrag nur auf die Abrechnungsparameter der HOAI verwiesen oder kann zwar für das Erbringen der Änderungsleistungen, nicht jedoch für die dazu erfolgende Honorarberechnung eine Einigung erzielt werden, kann bei erhöhten anrechenbaren Kosten die bisherige Kostenberechnung ebenfalls zur Abrechnung der Änderungsleistungen überarbeitet werden. Die Honorarberechnung für Änderungsleistungen und Ursprungsleistungen erfolgt dann nach Maßgabe der Grundsätze zu II / 2a und 2b).
Der Architekt kann das erhöhte Änderungshonorar sofort einklagen und muss den Bauherrn nicht erst auf Zustimmung zu einer Änderung der bisherigen Honorarvereinbarung verklagen, da er einen Rechtsanspruch auf den Abschluss einer neuen Honorarvereinbarung besitzt, wenn die Parteien über die Leistungsänderung selbst Einvernehmen erzielt haben.
3. § 10 (2) HOAI befasst sich mit dem Fall, dass der Leistungsänderungsanspruch des Bauherrn/Auftraggeber nicht mit einer Erhöhung anrechenbarer Baukosten verbunden ist.
Auch hier besitzt der Architekt einen Anspruch auf die Honorierung änderungsbedingt wiederholter Grundleistungen/Teilleistungen, den er sofort durch Zahlungsklage geltend machen kann.
Die Honorarberechnung erfolgt für die änderungsbedingt wiederholten Grundleistungen/Teilleistungen auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten in der bisherigen Kostenberechnung mit den Leistungsprozentsätzen, die auf die Änderungsleistungen entfallen. Umfasst z. B. die Änderung der Entwurfsplanung ein Wiederholungsvolumen von 20 % der Grund-/Teilleistungen aus Leistungsphase 3, ist dieses Volumen auf der Grundlage der anrechenbaren Gesamtkosten in der bisherigen Kostenberechnung zusätzlich abzurechnen.
Hinzu kommt die Abrechnung mit dem Honorarprozentsatz der Leistungen für das ursprüngliche Objekt, die ebenfalls auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten der bisherigen Kostenberechnung erfolgt.
4. Die vorstehenden Grundsätze sind auch dann anwendbar, wenn es an einer formwirksamen Vereinbarung der Parteien zur einvernehmlichen Leistungsänderung fehlt, z. B. weil bei der Vereinbarung über die Leistungsänderung des Architekten gesetzliche Formvorschriften oder Vertretungsregelungen nicht beachtet wurden. In diesem Fall besitzt der Architekt für erbrachte Leistungsänderungen einen Honoraranspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. nach Bereicherungsrecht, falls der Auftraggeber die Änderungsleistungen des Architekten verwertet/nutzt.
III) Eine weitere Fallgruppe bildet das einseitige Anordnungsrecht des Auftraggebers gem. § 650q (2) BGB für Leistungsänderungen in Form wiederholter Grund-/Teilleistungen des Architekten, ohne dass eine Einigung mit dem Architekten über die Leistungsänderung und das dafür zu zahlende zusätzliche Architektenhonorar zu erzielen wäre.
1. Erfüllt die einseitige Anordnung des Auftraggebers gegenüber dem Architekten die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 650q (2) BGB, gilt ab 01.01.2021 gem. § 650q (2) BGB „§ 650c BGB entsprechend“.
Die Honorierung von Änderungsleistungen in Form wiederholter Grund- oder Teilleistungen aufgrund einer solch einseitigen Änderungsanordnung des Auftraggebers unterfällt mithin nicht den Vorschriften der HOAI über Leistungsänderungen. Der Architekt besitzt vielmehr in diesem Fall einen Zusatzhonoraranspruch gem. § 650c BGB, der nach seinen Mehrkosten für die anfallenden Änderungsleistungen zu berechnen ist. Das führt in der Regel zu einer Vergütung nach Zeithonorar mit der Möglichkeit, bei der in einem solchen Fall ja fehlenden Honorareinigung gem. § 650c (3) BGB ohne Nachweis zunächst einmal 80 % des vom Architekten behaupteten Mehraufwandes als Abschlagszahlung verlangen zu können. Meint der Auftraggeber, dies sei unangemessen, muss er insoweit eine gerichtliche Entscheidung beantragen.
2. Häufig wird man allerdings selbst in der „zähneknirschenden“ Befolgung der einseitigen Weisung des Auftraggebers durch den Architekten dessen nachträgliches stillschweigendes Einvernehmen mit der Leistungsänderung sehen können. Dann gilt wieder § 10 HOAI (vgl. II/1 – 3).
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Carlo Soiron, Kanzlei Delheid Soiron Hammer, Aachen, www.delheid.de.