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Das Kammergericht Berlin, also das Berliner Oberlandesgericht, hat in einem wirklich bemerkenswerten Urteil grundsätzlich und dazu noch anschaulich zu den Überwachungspflichten von Architekten in der Leistungsphase 8 Stellung genommen. (Urteil vom 27.11.2012, Aktenzeichen 27 U 25/09, bestätigt vom BGH durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 23.04.2015 - VII ZR 49/13.)
Diese Grundsätze sollten so etwas wie die 10 Gebote für die Architekten bei der Bauüberwachung darstellen.
Das Kammergericht hatte sich in einem Urteil nicht nur mit den Überwachungspflichten der Architekten, sondern auch mit den Pflichten der ausführenden Unternehmer, mit verbotenen Preisabsprachen und mit Kalkulationsbetrug zu befassen. Dies sei erwähnt, damit der Leser einen Eindruck davon gewinnt, wie bei dem vom Kammergericht entschiedenen Bauvorhaben insgesamt gearbeitet – will nicht sagen: geschlampt – wurde.
Das Gericht hatte hinsichtlich der bemängelten Leistung der Architekten ein Gutachten erstellen lassen, welches das Gericht überzeugte, dass eklatante Planungs- und Überwachungsfehler der Architekten vorlagen. Auch hatte das Gutachten zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass sämtliche Fehler des Bauvorhabens (auch) auf Überwachungsfehler der Architekten zurückzuführen waren. Der Sachverständige hat zudem ausgeführt, dass die vorgefundenen zahlreichen Mängel der Architektenleistungen sämtlich schon während der Bauüberwachung hätten erkannt werden müssen. Die den Architekten obliegende Rüge dieser Mängel hätte bereits während der Ausführungsarbeiten erfolgen können und "müssen".
Hierzu führt das Gericht in Bezug auf die den Architekten generell obliegenden Überwachungspflichten während der Leistungsphase 8 wie folgt aus:
Grundsätzlich haften Architekten – so das Gericht – zwar nicht ohne weiteres für Mängel, die am Bau auftreten. Architekten sind aber gerade im Rahmen der Bauüberwachung nach Leistungsphase 8 "zur stichprobenartigen Überwachung des Bauunternehmens" verpflichtet.
Der Architekt, so das Gericht, muss das Baugeschehen "aktiv leiten". Denn das vom Architekten dem Bauherrn gegenüber abgegebene werkvertragliche Erfolgsversprechen – so das Gericht wörtlich – geht dahin, dass das Bauwerk frei von Mängeln "entsteht". Hierbei, so das Gericht, geht es in erster Linie nicht um Mängelbeseitigung, sondern bereits um Fehlervermeidung.
Zur mangelfreien Entstehung eines Bauwerks muss der Architekt das Zumutbare beitragen, d. h. aber: klare Anweisungen geben und die Befolgung dieser Anweisungen kontrollieren. Überprüfungen vor Ort müssen ebenfalls und jedenfalls stichprobenartig erfolgen.
Im Rahmen der Bauüberwachung vor Ort durch den Architekten ist auch seine Überprüfung erforderlich, ob die tatsächliche Ausführung technisch und gestalterisch richtig ist.
Im Rahmen dieser Überwachungspflicht ist auch seitens des Bau überwachenden Architekten die "vorherige" Prüfung der Ausführungspläne erforderlich, auch wenn diese von einem anderen Architekten stammen.
Im Falle von Ausführungsmängeln hat der Architekt den Bauherrn zu unterstützen, indem er ihn auf die Mängel und auf bestehende Rechte hinweist. Er muss darauf hinwirken, dass der Bauherr von seinen Rechten Gebrauch macht und der Architekt hat die erforderliche Mängelbeseitigung fachlich zu überwachen.
Gerade in Bezug auf sogenannte "mangelanfällige" Arbeitsbereiche während der Ausführung obliegt dem Bau überwachenden Architekten eine besondere Überwachungspflicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch nachfolgende Arbeiten nicht mehr überprüft werden kann, ob an der vorhergehenden Bauleistung ein Mangel, und nunmehr ein so genannter "verdeckter" Mangel vorliegt.
Soweit es gerade die Verwendung von Fugendichtbändern und Gewebearmierung betrifft, ist seitens des Bau überwachenden Architekten besondere Sorgfalt geboten.
Die im konkreten Rechtsstreit von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen festgestellten Mängel in der Überwachung der Bauausführung sind von solch systematischer Art, dass das Gericht sogar gegenüber den Architekten mit den Grundsätzen des Anscheinsbeweises arbeitete. D. h., es lagen bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben derart viele, während der Ausführung erkennbare Ausführungsmängel vor, dass sich bereits aus diesem Geschehensablauf die typisierte Annahme ergab, dass gar keine Bauüberwachung durch die Architekten stattgefunden haben kann. Es brauchte also insofern kein kausaler Zusammenhang der fehlenden Überwachung mit dem Zustandekommen der Mängel nachgewiesen werden.
Hierzu sei erklärt:
Die Anwendung des Anscheinsbeweises durch das erkennende Gericht setzt so genannte typische Geschehensabläufe voraus, das heißt Abläufe, bei denen sich nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Handelnder seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt haben muss. Hierbei muss es sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (so genannter typischer Geschehensablauf). Soweit aber weitere Umstände eines Schadensereignisses bekannt sind oder bekannt werden, die als Besonderheit gegen diesen typischen Geschehensablauf sprechen, kann der Anscheinsbeweis nicht mehr angewendet werden.
Diese Entscheidung ist im konkreten Fall ein Schlag ins Gesicht der bauüberwachenden Architekten gewesen. Diese haben eklatant ihre Berufspflichten verletzt. Ich kann mir vorstellen, dass die zuständige Berufshaftpflichtversicherung derartige Überwachungsfehler aus dem Gesichtspunkt der groben Fahrlässigkeit der versicherten Architekten gar nicht mehr regulieren wird. Derartige Überwachungsfehler können für Architekten also ruinös sein. Dabei ist es ganz einfach, die vom Gericht aufgestellten Grundsätze durch sachgerechtes Projektmanagement auszuführen.