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Während deutsche Bauverbände die Entwicklung beim Ü-Zeichen kritisieren und auf die fehlende Sicherheit am Bau verweisen, blicken die Hersteller programmatisch voraus. Sie ergreifen die Möglichkeiten, die Ihnen die EU bietet, um die Güte Ihrer Produkte zu zertifizieren und damit deren Qualität und Konformität mit den Anforderungen aus den harmonisierten europäischen Normen zu bestätigen.
So z. B. die von der Ü-Zeichen Streichung betroffenen deutschen Mineralwolle-Hersteller. Sie haben sich dem unabhängigen europäischen Qualitätssicherungssystem und dessen Qualitätszeichen KEYMARK angeschlossen. KEYMARK, als europaweites Zertifizierungszeichen, dokumentiert die Übereinstimmung von Produkten mit harmonisierten europäischen Normen und geht damit über die CE-Kennzeichnung hinaus, die lediglich die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards anzeigt.
Vergeben wird die KEYMARK nach Prüfung des Produkts durch eine neutrale, unabhängige und kompetente Zertifizierungsstelle. Diese Stellen werden in Deutschland durch DIN CERTCO, ein gemeinsames Unternehmen des TÜV-Rheinland und des DIN Deutsches Institut für Normung, im Auftrag von CEN bevollmächtigt. Alle Produkt-Eigenschaften werden in der zur KEYMARK gehörigen Leistungserklärung (DoP) aufgeführt.
Über die Prüfung und Zertifizierung durch die unabhängigen Stellen hinaus muss der Hersteller eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) unter Berücksichtigung der Elemente der Normenreihe EN ISO 9001 durchführen. Das Qualitätssystem wird jährlich überwacht und alle zwei Jahre durch eine Produktprüfung ergänzt.
Damit ist die europaweite KEYMARK organisatorisch dem deutschen Ü-Zeichen sehr ähnlich. Auch bei der Ü-Zeichen-Vergabe wird/wurde unabhängig geprüft und zertifiziert und die Hersteller haben/hatten zudem die gleichbleibende Qualität Ihrer Produkte durch eigenen Kontrollen sicherzustellen.
Hintergrund des Wechsels der Mineralwolle-Hersteller zur KEYMARK-Zertifizierung war die Streichung der Ü-Zeichen-Zertifizierung für deutsche Mineralwolle Mitte Oktober 2016. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Sache C-100/13 vom Oktober 2014 hatte festgestellt, dass:
harmonisierten europäischen Normen unterliegen und daher nicht mehr national mit dem Ü-Zeichen zertifiziert werden dürfen, da das einen Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Marktteilnehmer und der Warenverkehrsfreiheit darstellt.
Das Urteil hat in einem weiteren Schritt bewirkt, dass die deutsche Bauregelliste B Teil 1 aufgehoben wurde. In Kraft tritt diese Aufhebung aber erst, wenn die zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission eingereichte Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) in Kraft getreten ist (spätestens Ende Januar 2017). Bis dahin gelten die Ü-Zeichen-Zertifizierungen der in der Bauregelliste B Teil 1 aufgeführten Bauprodukte weiter. Zudem ist eine neue deutsche Musterbauordnung in Brüssel eingereicht und notifiziert worden. Mit beiden Dokumenten werden die Anforderungen, die durch die deutsche Bauregelliste zusätzlich an Bauprodukte gestellt wurden, jetzt mit dem Gebäude verknüpft. Das heißt, die Anforderungen werden an das zu bauende Gebäude gestellt und die Bauprodukte müssen diese Anforderungen dann wieder erfüllen. So sollen die Bauwerkssicherheit oder auch national für erforderlich gehaltene Anforderungen im Bereich des Gesundheits- oder Umweltschutzes weiter erfüllt bleiben.
Angestrebt werden von der EU jedoch keine weiteren nationalen Eigenbröteleien, sondern europaweite Regelungen. Und so wird langfristig von der deutschen Bundesregierung lt. Urteilsbegründung auch erwartet, sich mit den notwenigen formalen Beschwerdeverfahren gegen als mangelhaft erachtete europäische Regelungen zur Wehr zu setzen. Anforderungen an Bauprodukte, die von der deutschen Bauindustrie als notwendig aus Gründen der Sicherheit, des Gesundheits- und des Umweltschutzes eingestuft werden, sollen in die harmonisierten europäischen Normen einfließen, damit sie mit der CE-Kennzeichnung und der KEYMARK europaweit Anwendung finden können.
"Panta rhei – Alles fließt und nichts bleibt" ist Fazit dieser Entwicklungen. An die Stelle nationaler Zertifizierung von Bauprodukten mit dem Ü-Zeichen und damit die Bestätigung von Qualitäten abgeleitet aus deutscher Normierung tritt im Zuge der Wandlung nationaler in harmonisierte europäische Normen auch eine europäische Zertifizierung, ausgedrückt mit CE-Kennzeichnung und KEYMARK.