Wer sich mit der Frage der Beweislastverteilung im Werkvertragsrecht auseinandersetzt, der kommt an der schlagwortartigen Beweislastregel „Vor der Abnahme trägt der Unternehmer die Beweislast für die Mangelfreiheit seiner Werkleistung, nach der Abnahme trägt der Besteller die Beweislast für die Mangelhaftigkeit der Werkleistung“ nicht vorbei.
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Dieser Grundsatz ist zutreffend. Da der Werkmangel als Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit definiert ist, findet die dargestellte Beweislastregel erst dann Anwendung, wenn die geschuldete Soll-Beschaffenheit zur Überzeugung des Gerichts feststeht, also ihrerseits bewiesen ist.
Hier hilft die Regel jedoch nicht weiter, wie das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 09.01.2018 (10 U 93/17 – IBR 2018, 139) zu Recht darlegt:
Die Besteller, ein Ehepaar, beauftragen einen Fensterbauer mit der Durchführung von Fenster- und Sonnenschutzarbeiten. Die Fenster und Türen werden eingebaut. Eine Abnahme erfolgt nicht. Die Besteller berufen sich auf Mängel insbesondere der Hebeschiebetüren, da diese weder bodentief, noch raumseitig eingebaut sind. Aus der von den Bestellern unterzeichneten Auftragsbestätigung geht die konkrete Art der Montage (raumseitig oder außenseitig bzw. bodentief oder mit Bodenschwelle) nicht hervor.
Die Vorschussklage der Besteller bleibt vor dem OLG Stuttgart erfolglos.
Der ausgeführte Einbau der Hebeschiebetüren ist fachgerecht. Es ist gerade nicht so, dass eine außenseitige Montage einer Hebeschiebetür bzw. der Einbau derselben mit einer Bodenschwelle fachlich falsch wäre.
Da ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht vorlag, konnten die Besteller ihren Anspruch nur darauf stützen, dass die konkrete Art der Montage gegen die vertraglichen Vereinbarungen verstieß. Es ist den Bestellern im Rahmen der Beweisaufnahme nicht gelungen, zu beweisen, dass es zusätzlich zur schriftlichen Auftragsbestätigung weitere Parteivereinbarungen in Bezug auf die Montage der Hebeschiebetüren gegeben hat.
Das OLG Stuttgart erinnert daran, dass den Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung derjenige zu beweisen hat, der sich darauf beruft. Im Rahmen der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten muss der Besteller die von ihm behauptete Soll-Beschaffenheit beweisen. Erst für die Frage der Mangelfreiheit/Mangelhaftigkeit der erbrachten Werkleistung – also der Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit – kommt die obige Beweislastregel zum Tragen und der Zeitpunkt der Abnahme ist maßgeblich.
Vorliegend scheiterten die Besteller schon im ersten Schritt, so dass sie aus der nicht erfolgten Abnahme für sich keinerlei Beweiserleichterungen herleiten konnten.