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Von einer Nachtragsforderungen ausschließenden Schriftformklausel wird einvernehmlich abgerückt, wenn die Bauvertragsparteien bei bauseitigen Veränderungen oder Anordnungen dazu übergehen, eine Mehr- oder Minderkostenliste zu führen.
Der Sachverhalt
Der Auftraggeber beauftragt einen Generalunternehmer (GU) mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses. Mit seiner Schlussrechnung macht der GU Nachträge in Höhe von ca. EUR 367.000 geltend. Die Bezahlung wird von dem Auftraggeber zum Teil mit der Begründung verweigert, dass der GU-Vertrag eine sog. Schriftformklausel enthalte, wonach Änderungen oder Erweiterungen (z. B. Nachträge) des vertraglichen Leistungsumfangs der Schriftform bedürften. Da nicht alle Nachträge schriftlich geschlossen worden seien, bestehe kein entsprechender Vergütungsanspruch, meint der Auftraggeber. Der GU wendet ein, man sei im Laufe der Durchführung des Bauvertragsverhältnisses dazu übergegangen, eine Mehr- und Minderkostenliste zu führen. Der GU erhebt Zahlungsklage.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Der Einwand des Auftraggebers, die Nachtragsforderungen des GU scheiterten an der vereinbarten Schriftform, greift nach der Ansicht des OLG Düsseldorf nicht durch (Urteil vom 07.12.2017, Az.: 5 U 124/16). Die Parteien seien schließlich einvernehmlich von den ursprünglichen vertraglichen Regelungen im GU-Vertrag abgerückt. Sie haben sich - aufgrund der bei Großbauprojekten üblichen tatsächlichen Veränderungen oder bauseitigen Weisungen - darauf verständigt, eine Liste über die Mehr- und Minderkosten zu führen und diese laufend fortzuschreiben. Dementsprechend hat der GU seinerzeit angekündigt: "Wir werden Ihnen mit jedem weiteren Nachtragsangebot einen aktuellen Stand der Liste zukommen lassen." Gegen dieses grundsätzliche Prozedere hat der Auftraggeber keine Einwendungen erhoben. Darauf, ob ihm nur drei Mehr- und Minderkostenlisten übermittelt worden sind, kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob er hinsichtlich der Arbeiten, die vor Überreichung der Mehr- und Minderkostenliste zur Ausführung gelangt sind, vorab Alternativangebote hat einholen können oder ihm die Kosten ungefähr bekannt gegeben worden sind. Der Auftraggeber hat die Ausführungsweisungen erteilt, an regelmäßigen Baubesprechungen teilgenommen und die überreichten Listen inhaltlich gewürdigt. Damit hat er die betreffende Vertragsklausel einvernehmlich abbedungen bzw. die Vorgehensweise zur Mehr- und Minderkostenliste genehmigt. Insofern besteht der Vergütungsanspruch für den GU.
Die Bedeutung
Schriftformklauseln werden in Bauverträgen häufig verwendet, obgleich sie meistens ihren Zweck verfehlen. Denn sie schließen die Möglichkeit einer mündlichen Vertragsänderung nicht aus. Außerdem kann auf ein vertragliches Schriftformerfordernis auch durch "gelebte" Tagespraxis grundsätzlich verzichtet werden. Hinzu kommt, dass nach Ansicht einiger Oberlandesgerichte eine vom Auftraggeber eines Bauvertrags vorformulierte Schriftformklausel, wonach "Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrags der Schriftform bedürfen und von dieser Schriftformvereinbarung nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden kann", den Auftragnehmer unangemessen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen benachteiligen und daher unwirksam sind.