07.12.2023 | Baurecht / BGB

Zwangslage ausgenutzt: Vergleich mit Haftungsausschluss unwirksam!

Die Zeit drängt. Der Auftraggeber steht unter großen Druck – auch, weil der Architekt fehlerhaft gearbeitet hat und nun neu planen muss. Der Architekt nutzt die Lage schamlos aus: Er verlangt einen Vergleich, der ihn von jeglicher Haftung befreit. Ist eine solche Vereinbarung zulässig?
Zwangslage ausgenutzt: Vergleich mit Haftungsausschluss unwirksam!
Bild: © f:data GmbH

Sachverhalt: Mangelhafte Arbeit des Architekten erfordert Neuplanung

Der Auftraggeber (Bauherr) beauftragt einen Architekten, insbesondere mit der Genehmigungsplanung. Diese erweist sich als mangelhaft, weshalb die zuständige Behörde eine Baueinstellungsverfügung erlässt. Eine Tektur ist erforderlich, die Pläne im Bauantrag müssen also nachträglich verändert und genehmigt werden.
In Anbetracht verbindlicher Fertigstellungstermine drängt allerdings die Zeit. Der Architekt macht die Übergabe nachgebesserter Pläne und die Einreichung eines zweiten Bauantrags davon abhängig, dass ein Vergleich unterschrieben wird, wonach der Architekt von jeglicher Haftung vom Bauvorhaben entlassen wird. Sodann vereinbaren die Parteien auf Vorschlag des Architekten, dass dieser neu planen soll, jedoch für den Schaden nicht haften muss. Ist eine solche vergleichende Vereinbarung wirksam oder kann der Bauherr doch noch seinen Schaden geltend machen?

Entscheidung: Vereinbarung ist sittenwidrig

Die strittige Vereinbarung ist nach Ansicht des OLG München unwirksam (OLG München, Beschluss vom 04.02.2021, Az.: 28 U 2756/20 Bau; BGH, Beschluss vom 01.03.2023, Az.: VII ZR 175/21; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen). Ein Schadensersatzanspruch besteht also grundsätzlich. Die Vereinbarung ist gem. § 138 Abs. 2 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Die Neuplanung ist ohnehin eine vom Architekten geschuldete Mängelbeseitigung. Für einen Haftungsausschluss bestand kein Anlass. Durch die Vereinbarung nutzt der Architekt die Zwangslage des Bauherrn aus. Ein Vergleich, der unter Ausbeutung einer Zwangslage geschlossen wurde, ist nichtig. Eine Zwangslage ist u. a. dann gegeben, wenn wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingender Bedarf nach einer Leistung (des Auftragnehmers) besteht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass dem Betroffenen schwere Nachteile drohen. Ferner hat der Architekt dem Bauherrn auch keine Gelegenheit gegeben, sich eingehend (rechtlich) beraten zu lassen, da die Vereinbarung am selben Tag entworfen und unterzeichnet wurde. Aufgrund der Unwirksamkeit der Vereinbarung gem. § 138 Abs. 2 BGB haftet der Architekt für den infolge seiner mangelhaften Leistung eingetretenen Schaden. Der Haftungsausschluss ist unwirksam.

Experten-Tipp: Vorher rechtlichen Rat einholen!

"Die Entscheidung behandelt einen in der Praxis regelmäßig anzutreffenden Fall. Der Auftraggeber steht im laufenden Bauvorhaben wegen drohender Nachteile unter Druck, das nutzt der Auftragnehmer zum Abschluss ihm günstiger Nachtragsvereinbarungen aus. Ein Vergleich kann vom Auftraggeber (Bauherrn) im Nachgang nur sehr schwer angegriffen werden. Denn die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit des konkreten Rechtsgeschäfts beruft. Aus diesem Grunde ist es von entscheidender Bedeutung, dass man sich umgehend rechtlichen Rat einholt, um eine richtige Entscheidung treffen zu können."
Frederick Brüning-Bliddal
Ein Artikel von
  • Rechtsanwalt | zertifizierter Coach
  • Bau- und Immobilienrecht und Commercial Law
  • Dozent an der IU Internationale Hochschule für allgemeines und besonderes Wirtschaftsrecht
  • Rechtsanwaltskanzlei Frederick Brüning-Bliddal, Im Gleisdreieck 17, 23566 Lübeck
  • Tel.: 0451 6105311, Mobil: 0179 5711119
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