Eine der größten Erwartungen an BIM ist es, beginnend von den ersten Anforderungen im Raumbuch, über die verschiedenen Planungsphasen bis zum Abschluss des Projektes, Projektdaten in einer Datenbank zu sammeln, diese mit dem Bauwerksinformationsmodell zu verbinden und bei Bedarf kontinuierlich bis hin zur Übergabe in die FM-Prozesse zu pflegen.
1. Standards unterstützen BIM
Eine kontinuierliche Dokumentation und Informationsbereitstellung ist deswegen wichtig, weil der Gesamtprozess des Planens, Bauens und Betreibens mit der Informationsbeschaffung und -dokumentation beginnt, durchgängig davon begleitet wird und auch wieder damit endet. Nahezu alle Leistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) enthalten in verschiedenen Leistungsphasen (a) das „Bereitstellen der Arbeitsergebnisse als Grundlage für die anderen an der Planung fachlich Beteiligten sowie die Koordination und Integration von deren Leistungen“, (b) die „Objektbeschreibung“, (c) das „Zusammenfassen, Erläutern und Dokumentieren der Ergebnisse als Grundleistungen.“ Für dieses kontinuierliche Dokumentieren zum Austausch zwischen Bauherrn, Fachplanern, Bauausführenden und Betreibern ist ein Bauwerksinformationsmodell mit technischen Bauteilspezifikationen hervorragend geeignet.
Der Nutzen von Bauwerksinformationsmodellen im Gesamten und der technischen Bauteilspezifikationen im Besonderen ist davon abhängig, welcher Aufwand für die Weiterverarbeitung dieser Daten bei der Übergabe von einem Prozessschritt in den nächsten zu leisten ist:
Müssen die Daten nach der Weitergabe nachbearbeitet und erst mal in Form gebracht werden? Sind die Daten für das verarbeitende Softwaresystem und für den Verarbeiter verständlich und übernahmefähig? Reicht die Information an sich aus und ist diese für den nächsten Bedarfsträger verständlich?
Die Reflexion dieser Fragen führt letztendlich zu einer altbekannten Binsenweisheit: „Für eine effiziente, prozessübergreifende Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens, insbesondere bei Nutzung von Bauwerksmodellen, sind baufachlich standardisierte Terminologien notwendig.“ Der Mehrwert von Bauwerksmodellen steigt in dem Maße, wie die verwendeten Inhalte nach Standards klassifiziert sind. Je breiter der Konsens und je weniger die individuellen „Besonderheiten“ sind, unter denen Modelle erstellt werden, umso größer ist der Kreis derjenigen, die das Modell „verstehen“ können.
Durch Nutzung allgemein verfügbarer Standards lässt sich der Aufwand bei der Definition von BIM-Anforderungen im Vorfeld erheblich minimieren.
Mit der DIN BIM Cloud steht ein bauteilorientiertes Klassifikations- und Beschreibungssystem für BIM zur Verfügung, das als semantische Ergänzung zur IFC-Norm (DIN EN ISO 16739) sowohl die Aspekte der Baukonstruktion und der technischen Anlagen im Hochbau als auch im Bereich der Infrastruktur abbildet. Die DIN BIM Cloud ist hinsichtlich des Umfangs, der Tiefe und Qualität der Daten eine bisher einmalige Enzyklopädie für BIM-Merkmale im Bauwesen. Die Vereinbarung der DIN BIM Cloud als „BIM-Sprache der am Bau Beteiligten“ erleichtert die Erstellung von Austausch-Informations-Anforderungen (AIA) und qualifizierten Bauwerksinformationsmodellen.
Diese solide Grundlage weckt das Bedürfnis nach einer Erweiterung um Aspekte des Betreibens. Eine gemeinsame „BIM-Sprache der am Bau UND am Betrieb Beteiligten“ ist die grundlegende Voraussetzung, um endlich die relevanten Daten aus dem Planungs- und Bauprozess in brauchbarer und direkt verwendbarer Weise für FM-Prozesse zur Verfügung zu stellen.
2. DIN BIM Cloud: Online-Bibliothek für Merkmale von BIM-Objekten
Die DIN BIM Cloud (www.DIN-BIM-Cloud.de) dient der Recherche und Abstimmung standardisierter Bauteileigenschaften sowie deren Vernetzung mit der internationalen und nationalen Baunormenwelt. Hierzu enthält sie folgende Komponenten:
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BIM Content Bibliothek zur Recherche von Bauteiltypen und deren Merkmalen (Attribute) und Ausprägungen (Attributwerte).
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Online-Management für die DIN BIM Cloud Community zur weiteren Erarbeitung und Pflege der Inhalte für die BIM Content Bibliothek.
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Externe Links zur Vernetzung von Baunormen und weiterer relevanter Fachinformationen.
Durch Anwendung der DIN BIM Cloud können Bauteile in Bauwerksmodellen mit standardisierten Eigenschaften inhaltlich kompatibel zu STLB-Bau und zu den DIN-Baunormen mit Daten gefüllt werden. Kern der DIN BIM Cloud sind bereits standardisierte Bauteileigenschaften, die in den Bauteilgruppen der BIM-Klassifikation nach STLB-Bau (DIN SPEC 91400) organisiert und mit IFC sowie mit dem Ordnungssystem von STLB-Bau verknüpft sind. Die Verkettung der internationalen Norm (IFC) mit der DIN BIM Cloud ergibt eine Spezifikation, deren Integration in Softwareanwendungen fortschrittliche BIM-Lösungen auf der Basis etablierter Prozesse ermöglicht.
Die Inhalte orientieren sich an den Regeln der Technik, insbesondere am Deutschen und Europäischen Normenwerk. Im Rahmen der Bearbeitung der DIN BIM Cloud werden Bauteileigenschaften klassifiziert und mit IFC verknüpft. Dies bedeutet praktisch, dass die in Normen bereits standardisierten Bauteileigenschaften strukturiert und der IFC-Bauteilklassifikation zugeordnet werden.
Die Merkmale der DIN BIM Cloud stellen damit überwiegend keine Neuentwicklung dar. Vielmehr kann – und muss – bei der Bearbeitung der Klassifikation auf bereits standardisierte Eigenschaften und Klassen aus nationalen und europäischen Normen zurückgegriffen werden. Ein laufender Prozess, bei dem die Änderungen im Normenwerk kontinuierlich in die Beschreibungsmerkmale und Ausprägungen eingearbeitet werden. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur bei der Erarbeitung der DIN BIM Cloud, sondern sie ist auch seit 1996 eine kontinuierliche Aufgabe bei der Umsetzung von STLB-Bau an sich. Es handelt sich dabei um ein bausemantisches Ordnungssystem, das die Basis für die Integration von Bauwerks-, Leistungs- und Kostendaten bietet.
Die in der DIN BIM Cloud enthaltenen Merkmale erklären sich aufgrund ihrer „normativen Herkunft“ durch das Normenwerk. In der DIN BIM Cloud ist daher eine direkte Verlinkung zu den Regeln der Technik im Baunormenlexikon (www.baunormenlexikon.de) hergestellt.
Die Merkmale und Ausprägungen der DIN BIM Cloud sind jeweils einem von drei Namenskomplexen zugeordnet:
Namenskomplex I: BIM-Klassifikation nach STLB-Bau
Die BIM-Klassifikation nach STLB-Bau ist eine bauteilorientierte Ergänzung zum Ordnungssystem von STLB-Bau. Die Merkmalsgruppen (Bauteilgruppen), Merkmale und Ausprägungen der BIM-Klassifikation nach STLB-Bau werden so aufgestellt, dass der damit abbildbare Informationsgehalt eine Beschreibung von Bauteilen mit ihren wesentlichen Merkmalen und eine eindeutige Referenzierung der bestehenden Merkmalsgruppen, Merkmale und Ausprägungen des STLB-Bau, der DIN 276 und der Entitäten von IFC (DIN EN ISO 16739) zulässt.
Namenskomplex II: Ordnungssystem von STLB-Bau – Dynamische BauDaten
Die bauleistungsorientierten Merkmalsgruppen (Teilleistungsgruppen), Merkmale und Ausprägungen von STLB-Bau – Dynamische BauDaten bilden den Namenskomplex II der DIN BIM Cloud. Die Inhalte sind mit der Umsetzung von STLB-Bau seit Jahrzehnten gewachsen, beruhen auf den Regeln der Technik und werden kontinuierlich gepflegt. Die Inhalte erfüllen insbesondere den Informationsbedarf für die VOB-gerechte Leistungsbeschreibung. STLB-Bau - Dynamische BauDaten wird aufgestellt von Arbeitskreisen des Gemeinsamen Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB) mit dem Praxiswissen von rund 700 Experten aus Wirtschaft, Spitzenverbänden und Verwaltung. Datentechnisch umgesetzt durch die Dr. Schiller & Partner GmbH und herausgegeben durch DIN (DIN Deutsches Institut für Normung e. V.).
Namenskomplex III
Namenskomplex III dient der Erweiterung um fachspezifische Merkmalsgruppen, Merkmale und Ausprägungen, die den inhaltlichen Grundsätzen der Namenskomplexe I und II nicht entsprechen, jedoch für den BIM-Prozess notwendig und sinnvoll sind. Die Grundlage für die Erarbeitung sind ebenfalls die Regeln der Technik. Ein wesentliches Beispiel hierfür sind Merkmale für das Facility Management, die derzeit durch eine Arbeitsgruppe bei DIN ergänzt werden.
3. Anwendung der DIN BIM Cloud
Die DIN BIM Cloud ist im Sinne eines BIM-Bauteillexikons als normative Wissensbasis zur interaktiven Recherche für die am Bau und an der BIM-Standardisierung Beteiligten anwendbar. Sie dient im Rahmen des Planens, Bauens und Betreibens als „BIM Content Bibliothek“ dem Suchen, Finden und Verstehen von Bauteileigenschaften im Zusammenhang mit Normen und Standards. Gleichzeitig unterstützt sie die „DIN BIM Community“ als Instrument der Standardisierung bei der Mitarbeit an Bauteilklassifikationen und Merkmalen.
Die Möglichkeit zur gezielten Entnahme von Klassifikationen und Bauteileigenschaften durch „Copy & Paste“ unterstützt Informationsbesteller und -lieferanten bei der Beschreibung von Bauteilen in Informationsanforderungen (AIA) und Bauwerksinformationsmodellen. Softwarehäuser werden durch die Bereitstellung der Inhalte in maschinenlesbarer Form in die Lage versetzt, Mappings zwischen ihren eigenen Softwareanwendungen und den standardisierten Inhalten der DIN BIM Cloud zu erstellen.
Darüber hinaus ist mit DBD-BIM die direkte software- und prozessübergreifende Anwendung für die Attribuierung von Bauteilen, die Erstellung von Bauteilspezifikationen, die modellbasierte Mengen- und Kostenermittlung und die Leistungsbeschreibung nach STLB-Bau möglich. Dies wird durch eine kontextsensitive Vernetzung mit DIN-Baunormen im Prozess unterstützt.
Insbesondere das systematische Zusammenstellen und Übergeben der Dokumentation, der Bestandsunterlagen, der zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts, der Wartungsvorschriften sowie der Verjährungsfristen für Mängelansprüche in LP 9 kann per Bauwerksinformationsmodell strukturiert erfolgen. Dies verspricht eine hohe Chance auf Wiederverwendbarkeit im Bauwerksbetrieb. Die Aufnahme von FM-relevanten Informationen auf Basis der DIN BIM Cloud, ihre Erfassung in IFC-Modellen sowie die Zusammenfassung und Verlinkung mit Dokumenten aller Art als Vorbereitung für FM bietet die Chance, den Bruch, den es bisher fast durchgängig bei Bauprojekten aus Betriebssicht gab, zu überwinden.
4. DIN BIM Cloud4FM
Die Bauteilgruppen der BIM-Klassifikation nach STLB-Bau sind so aufgestellt, dass sie die eindeutige Referenzierung weiterer Ordnungssysteme, wie z. B. STLB-Bau, DIN 276 oder die Entitäten von IFC (DIN EN ISO 16739) zulassen. Analog können auf dieser Ebene auch Merkmale für Facility Management in der DIN BIM Cloud ergänzt werden. Damit lassen sich künftig schon zu Beginn des Lebenszyklus einer Immobilie, nämlich in den Prozessen der Planung und Bauausführung, FM-relevante Daten auf Basis der DIN BIM Cloud erfassen.
Die Schnittstelle (Mapping Point) zwischen Bau und Betrieb sind die Bauteilgruppen, die aktuell, angereichert um Informationen für den Bau, auch um die Merkmale des FM erweitert werden können. Da nicht alle baurelevanten Merkmale für den späteren Betrieb betrachtungsrelevant sind, gilt es im ersten Schritt diese zu identifizieren, als betriebsrelevant zu kennzeichnen und die für den Betrieb wichtigen Informationen anzufügen.
Diese Vorgehensweise folgt einem Trichtermodell, das die Übernahme an einem gleichartigen Schnittpunkt – der Bauteilgruppe – für beide Seiten ermöglicht.
Dies bietet eine reelle Chance, den Brückenschlag zwischen den eigentlich direkt verbundenen Welten Bau und Betrieb auch auf der Datenebene zu vollziehen und den Bruch, den es bisher fast durchgängig gab, zu überwinden.
DIN-Hauptverwaltung Berlin (04.04.2019)
Bild: © DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
5. Die DIN-Zentrale als Anwendungsfall
Wie genau die FM-Daten in die DIN BIM Cloud integriert werden können und welche Herausforderungen die Praxis birgt, wird derzeit an einem praktischen Anwendungsfall erprobt: Bei der Sanierung der DIN-Zentrale in Berlin. In direkter Nachbarschaft des Berliner Zoos wird das DIN-Gebäude, das in mehreren Bauabschnitten zwischen 1964 und 1991 errichtet wurde, derzeit umfassend saniert. Bis Mitte 2021 wird dort ein modernes Bürogebäude entstehen, das über moderne Bürostrukturen sowie nachhaltige Technik und Ausstattung verfügen wird. Nach dem erfolgreichen Start der DIN BIM Cloud im Herbst 2019 entwickelte DIN die Idee, die neue Online-Bibliothek auch um Merkmale des FM zu erweitern. Kernidee der BIM-Methode ist die vollständige Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette Bau. Umso wichtiger ist es also, die Merkmale aus der Planungs- und Bauphase in der DIN BIM Cloud auch um Daten aus dem Betrieb eines Gebäudes zu erweitern. Seit Anfang 2020 erproben nun alle am Bau und Betrieb Beteiligten, wie diese Daten in die DIN BIM Cloud einfließen können.
Über die konkreten Erfahrungen aus diesem Anwendungsfall, Herausforderungen der Praxis und konkrete Lösungsansätze beim Projekt DIN BIM Cloud4FM, werden wir Sie in den nächsten Monaten auf dem Laufenden halten.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Martina Reinholz, Andreas Frisch und Gerald Faschingbauer.