12.05.2023 | Baurecht / BGB

Wann liegt wirklich ein Verbraucherbauvertrag vor?

Für Unternehmer und Verbraucher ist es wichtig zu wissen, ob ein Bauvertrag oder ein Verbraucherbauvertrag vorliegt. Wie Sie das sicher erkennen, verrät die Anwältin für Bau- und Architektenrecht Melanie Bentz.
Wann liegt wirklich ein Verbraucherbauvertrag vor?
Bild: © f:data GmbH
Mit Wirkung zum 01.01.2018 wurde erstmalig das Baurecht in den §§ 650 a BGB ff. nominiert. Hierbei beinhaltet § 650 i BGB eine Definition des Verbraucherbauvertrages wie folgt:
„Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.“
Für beide Vertragsparteien ist es von essenzieller Bedeutung, zu wissen, ob ein Bauvertrag gemäß § 650 a BGB oder ein Verbraucherbauvertrag gemäß § 650 i BGB abgeschlossen wurde. Denn für den Verbraucherbauvertrag gelten besondere Vorschriften bezüglich:
  • der Baubeschreibung (§ 650 j BGB),
  • des Inhalts des Vertrages inklusive einer Unklarheitenregelung (§ 650 k BGB),
  • der Abschlagszahlungen (§ 650 m BGB),
  • der Sicherung der Vergütungsansprüche des Unternehmers (§ 650 m BGB) sowie der
  • Herstellung und Herausgabe von Unterlagen (§ 650 n BGB).

Die Bauhandwerkersicherheit

Darüber hinaus beinhaltet § 650 f BGB ein Widerrufsrecht, das ausschließlich beim Verbraucherbauvertrag gilt. Sämtliche Regelungen werden flankiert von § 650 o BGB, der es verbietet, von den gesetzlichen Vorgaben abweichende vertragliche Vereinbarungen zu treffen.
Ferner regelt § 650 f Abs. 6 BGB für die Bauhandwerkersicherheit Folgendes:
„Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung, wenn der Besteller
  1. eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist, oder
  2. Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650 i oder einen Bauträgervertrag nach § 650 u handelt.“
Dies bedeutet, dass ein Unternehmer dann keine Bauhandwerkersicherheit verlangen kann, wenn sein Auftraggeber Verbraucher ist und zusätzlich ein Verbraucherbauvertrag geschlossen wurde.
Nun sollte man meinen, dass die obige Definition des Verbraucherbauvertrages für Rechtsanwälte und Gerichte hinreichend deutlich macht, wann ein Verbraucherbauvertrag vorliegt. Dies war jedoch in der Vergangenheit nicht der Fall.

Bau aus einer Hand oder mit Einzel-Gewerken?

Streitpunkt zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten war die Frage, ob ein Verbraucherbauvertrag auch vorliegen kann, wenn bei einem Neubauvorhaben jedes Gewerk einem anderen Unternehmer in Auftrag gegeben wird.
Die Oberlandesgerichte München (Urteil vom 09.06.2022, Az. 20 U 8299/21) und Düsseldorf (Urteil vom 12.01.2023, Az. 5 U 266/21) legen den Gesetzeswortlaut („zum Bau eines neuen Gebäudes … verpflichtet wird“) dahingehend aus, dass einem einzelnen Unternehmer der Bau eines gesamten Gebäudes in Auftrag gegeben werden muss, um in den Anwendungsbereich des § 650 i BGB zu gelangen. Es muss also ein Fall des „Bauens aus einer Hand“ gegeben sein.
Demgegenüber vertrat das OLG Zweibrücken im Urteil vom 29.03.2023 (Az. 5 U 52/21) die Auffassung, dass ein Verbraucherbauvertrag auch bei der Beauftragung nur eines einzelnen Gewerkes vorliegt, wenn:
  • die Beauftragung der verschiedenen Einzelgewerke zeitgleich oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt,
  • die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist,
  • die Gewerke zu dem Bau eines neuen Gebäudes selbst beitragen und
  • die Bauleistungen in engem Zusammenhang zur Errichtung eines neuen Gebäudes stehen.

Klare Absage des Bundesgerichtshofs

Dieser letztgenannten Auffassung des OLG Zweibrücken hat der BGH in seiner Entscheidung vom 16.03.2023 (Az. VII ZR 94/22) eine klare Absage erteilt:
Der BGH stellt in der noch nicht veröffentlichen Entscheidung klar darauf ab, dass bei einem Vertrag über ein einzelnes Gewerk für ein Neubauvorhaben kein Verbraucherbauvertrag vorliegt.
Der BGH erläutert, dass die abweichenden Formulierungen in den § 650 a BGB und § 650 i BGB vom Gesetzgeber bewusst gewählt wurden, weil für beide Regelungen unterschiedliche Vorgaben gelten. Ein Verbraucherbauvertrag setzt einen Vertrag mit einem Verbraucher über die Errichtung eines Neubaus aus einer Hand, z. B. schlüsselfertig, voraus.
Auch die mit dem Abschluss eines Verbraucherbauvertrags einhergehende Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die unter anderem Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthalten muss, spricht ebenfalls für dieses Verständnis.
Noch dazu geht § 650 i BGB auf das Recht der Europäischen Union zurück, sodass nicht etwa versehentlich oder aus Unachtsamkeit von der in anderen Vorschriften wie bspw. § 650 a BGB gewählten Terminologie abgewichen wird. Vielmehr wählte der Gesetzgeber bewusst die eigenständige klare Formulierung, nach der sich der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben muss.
Es ist auch nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes erforderlich, den Anwendungsbereich des § 650 i BGB auszudehnen. Denn bei der Vergabe von einzelnen Gewerken richtet sich der Verbraucherschutz nach den §§ 312 b und 312 c BGB.
Das Gebot der Rechtsklarheit verlangt außerdem, den Verbraucherbauvertrag so anzuwenden, wie er im Gesetzestext definiert ist.
Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.
Damit ist nun höchstrichterlich geklärt, dass bei der gewerkeweisen Vergabe von Leistungen für ein Neubauvorhaben an unterschiedliche Unternehmer kein Verbraucherbauvertrag vorliegt.
Dies hat insbesondere für den jeweiligen Unternehmer den Vorteil, dass er eine Bauhandwerkersicherheit nach § 650 f BGB von seinem jeweiligen Verbraucher-Auftraggeber fordern kann.
Melanie Bentz
Ein Artikel von
  • Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
  • Delheid Soiron Hammer Rechtsanwälte PartGmbB
  • Friedrichstraße 17 – 19, 52070 Aachen
  • Tel: 0241 946680
  • Fax: 0241 9466849
  • E-Mail: melanie.bentz@delheid.com
  • Web: https://delheid.de
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