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Ein Auftraggeber kann schon während der Ausführung eines beauftragten Gewerks Zweifel an der Fähigkeit des Auftragnehmers entwickeln, sein Werk nach den anerkannten Regeln der Technik fertigstellen zu können. Wasserscheide des Werkvertrags ist jedoch nach den drei Grundsatzurteilen des BGH vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13 (Fassade), VII ZR 235/15 (Anbau) und VII ZR 193/15 (Terrasse) – die Abnahme. Grundsätzlich kann der Auftragnehmer bis zur Abnahme eigenverantwortlich handeln und ist über sein Vorgehen dem Auftraggeber nicht rechenschaftspflichtig.
Nacherfüllungsrecht erst nach Abnahme
Bis zur Abnahme hat der Auftraggeber lediglich den Erfüllungsanspruch. Erst nach der Abnahme – ausdrücklich, konkludent oder fiktiv – tritt das andersartige Regime des Nacherfüllungsrechts mit den Ansprüchen auf Mängelbeseitigung, Kostenvorschuss bzw. Aufwendungsersatz wegen Selbstvornahme, Rücktritt und Minderung sowie Schadensersatz in Kraft.
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„Ansprüche ergeben sich aus Vertrag, Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie der VOB/B oder Gesetz. Viele Ansprüche sind allerdings erst von der Rechtsprechung konkretisiert worden und lassen sich direkt weder dem Vertrag noch dem Gesetz entnehmen. Sie werden vielmehr in Vertrag und Gesetz hineingelesen.“
Rechtsanwalt Dr. phil. Andreas Neumann |
Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, muss der Auftragnehmer im Falle der wirksam vereinbarten VOB/B jedoch gem. § 4 Abs. 7 VOB/B auf eigene Kosten durch mängelfreie Leistungen ersetzen und bei Verschulden auch Schadensersatz leisten. Bleibt die Fristsetzung unter Androhung der Auftragsentziehung fruchtlos, kann der Auftraggeber gem. § 8 Abs. 3 VOB/B sogar kündigen. Wenn die konfliktvermeidende Belohnungsformel vereinbart worden ist (Details dazu hier) hat der Auftragnehmer zusätzliche Anreize, für den Auftraggeber und auch für andere Gewerke mitzudenken.
Belohnungsformel im Bauvertrag
Ferner sind die Vertragsparteien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Kooperation verpflichtet, siehe etwa Urteil des BGH vom 28.10.1999 – VII ZR 393/98. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich Obliegenheiten und sogar Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information – BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 245/94.
Daraus wird auch für Bau- und Werkverträge ohne Einbeziehung der VOB/B unter bestimmten Umständen ein Anspruch des Auftraggebers hergeleitet, vor Zulassung von weiteren Arbeiten ein Sanierungskonzept vorzulegen. Wenn die bisherigen Arbeiten so mangelhaft sind, dass der Auftraggeber Verschlimmerungen fürchten muss, so soll er vor weiteren Arbeiten die Gelegenheit erhalten, sich von Sinn und Verstand oder Hand und Fuß der beabsichtigten weiteren Schritte überzeugen zu können.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf formuliert hierzu im Urteil vom 09.11.2018 - 22 U 91/14:
"Bei einer aufwändigen Sanierungsmaßnahme kann es – auch im Lichte bauvertraglicher Kooperationspflichten – erforderlich sein, dass der Unternehmer dem Bauherrn ein Sanierungskonzept vorlegt, das diesem die Prüfung ermöglicht, ob eine angebotene Teilsanierung von Decken den vertraglich geschuldeten Erfolg (hier: einen „erhöhten Schallschutz“) überhaupt erreichen kann.
Es gibt – erst recht im Rahmen eines bereits bezogenen Objekts – kein Recht des Auftragnehmers, sich durch sukzessive Mängelbeseitigungsversuche an den von ihm vertraglichen geschuldeten „erhöhten Schallschutz“ schrittweise (und für ihn kostensparend) quasi „heranzutasten“.
Ein Anspruch auf ein Sanierungskonzept ist abzulehnen, wenn die geschuldeten Arbeiten noch nicht weit fortgeschritten sind, der Ablauf von Vertragsterminen und eine Abnahme also noch in weiter Ferne liegen. Der Anspruch kommt regelmäßig erst dann in Betracht, wenn etwa wegen Verzugs oder gravierender Mängel auch ein wichtiger Grund zur alternativ möglichen außerordentlichen fristlosen Kündigung gegeben wäre. Wird der Anspruch unberechtigt geltend gemacht, gerät der Auftraggeber in den Annahmeverzug, so dass unter Umständen der Auftragnehmer seinerseits kündigen kann.