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In der Praxis besteht häufig das Problem des Einwandes der mangelnden Prüffähigkeit durch die Auftraggeber. Sinn dieser Einwände ist es regelmäßig, die Fälligkeit der gestellten Rechnung hinauszuschieben oder sogar ganz zu beseitigen. Das OLG Karlsruhe und in seiner guten Gesellschaft der Bundesgerichtshof schieben diesen Machenschaften – auch öffentlicher – Auftraggeber einen Riegel vor.
Zum Sachverhalt: Ein Generalunternehmer rechnet seine Leistungen mit einem Betrag in Höhe von rund 25 Millionen € ab. Der Auftraggeber zahlt auf die Rechnungen aber nur einen Teilbetrag in Höhe von ca. 22 Millionen €. Hinsichtlich der Abrechnung des Generalunternehmers lässt er im Jahr 2014 verschiedene Prüfberichte und Gutachten erstellen. Diese Gutachten führen zum Ergebnis, dass die Abrechnung teilweise sachlich beanstandet und auch eine Überzahlung ermittelt wird.
Weitere Teilrechnungen des Generalunternehmers blieben aber weitgehend anerkannt. Mit Hinweis auf die gutachterlichen Bewertungen verweigert der Auftraggeber dem Generalunternehmer den Ausgleich seiner Rechnung über 25 Millionen und überweist stattdessen nur rund 22 Millionen €. Der Generalunternehmer hält die Abzüge für ungerechtfertigt und klagt den Differenzbetrag ein. Der Auftraggeber stellt Klageabweisungsantrag und verteidigt sich aber ausschließlich mit den Einwendungen der Prüfberichte und Gutachten.
Das Landgericht hatte diese Einwände überprüft und den Auftraggeber zur Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von rund 1,5 Millionen € verurteilt, im Übrigen aber die Klage des Generalunternehmers abgewiesen. Im Zuge der Berufung bestreitet der Auftraggeber erstmals die fehlende Prüfbarkeit sämtlicher Rechnungspositionen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hebt im Berufungsverfahren das Urteil des Landgerichts nach erneuter Sachprüfung teilweise auf und verurteilt den Auftraggeber zur Zahlung der ursprünglich eingeklagten Differenz. (Einige kleinere Posten wurden allerdings abgewiesen.) Das Oberlandesgericht weist im Urteil grundsätzlich darauf hin, dass ein solcher Auftraggeber, der die Rechnungen unter Heranziehung von Fachleuten "prüft", sich quasi selbst in den Widerspruch setzt, wenn er dann pauschal behauptet, die Rechnung sei nicht prüfbar. Ein solcher Einwand ist für das OLG Karlsruhe nur dann möglich, wenn der Auftraggeber hierzu zusätzliche Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt.
In diesem Zusammenhang verweist das Oberlandesgericht Karlsruhe auf die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Rechnungsprüfung, die nachfolgend wiedergegeben werden: Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2003 – Az. VII ZR 288/02:
Die Prüfbarkeit einer Rechnung unterliegt für den Bundesgerichtshof nicht der Entscheidung des Auftraggebers, sondern der Einhaltung objektiver Kriterien. So setzt für den Bundesgerichtshof die Prüfbarkeit nach VOB-Bauvertrag und HOAI-Architektenvertrag "objektiv unverzichtbare" Angaben voraus, um eine sachliche und rechnerische Prüfung des Honoraranspruchs zu ermöglichen. Diese Anknüpfung an rein objektive Kriterien ist für die materiell-rechtliche Einordnung der Prüfbarkeit als Fälligkeitsvoraussetzung für die Vergütung für den Bundesgerichtshof unabdingbar. Unabhängig von der objektiv teilweise fehlenden Prüfbarkeit schließt der Bundesgerichtshof nachträgliche Einwendungen der Auftraggeber gegen die Prüfbarkeit der Rechnung aus, die nicht "alsbald", d.h. innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der Rechnung erhoben werden.
Diese zeitliche Befristung von Einwendungen des Auftraggebers rechtfertigt sich für den Bundesgerichtshof aus dem im Zivilrecht überragenden Grundsatz von Treu und Glauben, aber auch von dem baurechtlich vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kooperationsgebot der Bau Vertragsparteien. Nach diesen beiden Kriterien ist es nicht mit Treu und Glauben und dem Kooperationsgebot zu vereinbaren, wenn Auftraggeber die Beurteilung der Prüfbarkeit der Rechnung hinausschieben, um diese dann später infrage zu stellen.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe vervollständigt diese Überlegungen des Bundesgerichtshofs wie folgt: Das Erfordernis einer prüfbaren Rechnung dient den Interessen beider Parteien. Die Rechnung ermöglicht dem Auftraggeber die Kontrolle, ob für die Prüfung der Rechnung wesentliche Angaben in ihr enthalten sind. Ein Auftraggeber muss diese Prüfung alsbald nach Rechnungslegung vornehmen und seine Bedenken gegen die Prüfbarkeit "dezidiert" mitteilen. Die Rüge muss so bestimmt sein, dass sie den Auftragnehmer ohne Weiteres in die Lage versetzt, die fehlende Prüfbarkeit herzustellen. Deswegen ist nur dann eine Rüge wirksam, wenn sie Teile der Rechnung und die Gründe bezeichnet, die nach Auffassung des Auftraggebers zum Mangel der fehlenden Prüfbarkeit führen. Der pauschale Einwand der mangelnden Prüfbarkeit der Rechnung ist daher keine Rüge, die die Fälligkeit der Rechnung aussetzt.
Fazit: Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigt die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach das pauschale Bestreiten der Prüfbarkeit gegebenenfalls unter Bezugnahme auf noch nicht vorliegende Prüfungsergebnisse oder auf nicht weiter erläuterte abweichende Rechnungssummen für den Einwand der fehlenden Prüfbarkeit eben nicht genügt.
In Anbetracht dieser vom BGH erneut durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde bestätigten Rechtsprechung können Auftraggeber, zumal dann, wenn die Aufstellung der Rechnung den Kriterien zum Beispiel des § 14 VOB/B entspricht, kaum noch Einwände entgegenstellen. Allerdings bleibt die Prüfbarkeit der Rechnung von der materiellen Berechtigung der Vergütung nach wie vor zu trennen. Auch wenn ein Auftraggeber keine durchgreifenden Bedenken gegen die Prüfbarkeit erheben kann, verliert er dadurch aber nicht seine Berechtigung, gegen die Rechnung an sich Einwände zu erheben.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.11.2012, Aktenzeichen 8 U 106/09, BGH, Beschluss vom 26.3.2015, Aktenzeichen VII ZR 356/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).