Bild: © nmann77, Fotolia.com
„Ich erwarte jetzt, dass Sie mir das erklären.“ Wer einen solchen Satz insbesondere nach Hinweis auf die Vertragsbedingungen hört, darf auch ohne Einigung über die Höhe der Vergütung regelmäßig davon ausgehen, dass ein Vertrag zustande gekommen ist und die übliche Vergütung abrechenbar ist. Die übliche Vergütung ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang der gleichen Leistungen nach allgemeiner Auffassung am Ort der erbrachten Leistung gewährt zu werden pflegt. Es macht dabei keinen Unterschied, ob es sich um eine Werk- bzw. Bauleistung oder eine Beratungsleistung handelt.
Oftmals führt die Abgrenzung zwischen kostenfreier Akquisition (Akquise) und verbindlichem Vertragsschluss (Beauftragung) allerdings zum Streit. Denn in vielen Branchen ist ein förmlicher schriftlicher Vertragsschluss eher unüblich. Dies gilt gerade auch für Architektenverträge mit privaten Bauherren, da das vorzeitige Überreichen von Formularen oder Schriftstücken bei solchen Bauherren regelmäßig nicht zur Bildung von Vertrauen beiträgt, viel eher im Gegenteil. Der Gesetzgeber wollte dieses Problem mit der neuen Zielfindungsphase – hierzu siehe meinen vorigen Gastbeitrag beim Bauprofessor entschärfen. Da das Problem jedoch im allgemeinen Vertragsrecht wurzelt und nicht etwa den Besonderheiten des Bauvertrags oder des Architektenvertrags geschuldet ist, wird es die Rechtsprechung aller Voraussicht nach auch weiterhin intensiv beschäftigen.
So auch kürzlich das Oberlandesgericht Düsseldorf, das im Urteil vom 05.06.2018 – 21 U 108/17 – die differenzierten Feststellungen der Vorinstanz bestätigt und letztlich ausgewogen entschieden hat.
Nach den amtlichen Leitsätzen dieses Urteils sind für die Bestimmung des Zustandekommens eines Architektenvertrags die allgemeinen Auslegungsmethoden heranzuziehen. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die bei der Ermittlung eines gemeinsamen übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willens von Bedeutung sind. Denn es handelt sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Die Beteiligten können ihren auf Abschluss eines Architektenvertrages gerichteten Willen ausdrücklich oder auch schlüssig (konkludent) zum Ausdruck bringen. Die Vorschriften der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) können dabei als reines Preisrecht nicht weiterhelfen. Denn dieses bestimmt nur einen etwaigen Anspruch der Höhe nach, gerade nicht dem Grunde nach. Ein Vergütungs- oder Honoraranspruch besteht dem Grunde nach aber nur, wenn es überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt zum Vertragsschluss gekommen ist.
Das OLG Düsseldorf führt weiter zutreffend aus, dass die Schwelle zwischen Akquisition und Beauftragung kaum objektiv festzumachen ist. Entscheidend sei vielmehr im Zusammenhang mit dieser Abgrenzung, wie aus der Perspektive des Bauherrn das Handeln des Architekten nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu verstehen ist. Umgekehrt kommt es aus Sicht des Architekten entscheidend darauf an, wie er eine etwaige Verwertung der Architektenleistung durch den Bauherrn verstehen darf.
Das Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Rechtsbindungswille. Ohne Rechtsbindungswillen mangelt es bereits am objektiven Tatbestand einer Willenserklärung und kann daher kein Vertrag zustande kommen. Für letzteres bedarf es bekanntlich sogar zweier sich deckender Willenserklärungen, Antrag und Annahme.
Indizien für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens seien die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit und das erkennbare Interesse des Begünstigten sowie die – zumindest dem Leistenden erkennbare – Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, also die Übernahme eines Haftungsrisikos.
Im Sachverhalt, der dem OLG Düsseldorf zu diesem Urteil vorlag, konnte der Architekt nach diesen Grundsätzen wegen konkludenter Beauftragung bezüglich der Leistungsphasen 1-3 die entsprechende übliche Vergütung gem. § 632 BGB nach den Mindestsätzen der HOAI verlangen - mitsamt Umbauzuschlag.
Eine konkludente Beauftragung weiterer Leistungsphasen wurde vom Gericht indessen abgelehnt, da eine Ausführung nach den festgestellten Umständen noch nicht unmittelbar bevorstand. Die Parteien hätten sich insoweit noch nicht genügend abgestimmt.
In der Praxis empfiehlt sich im Hinblick auf die tendenziell immer großzügigere Annahme einer konkludenten Beauftragung in der Rechtsprechung – eine Tendenz, die durch die neue Zielfindungsphase gefördert wird – aus Sicht der Bauherren eine schriftliche Akquisevereinbarung. Es ist unter bestimmten Bedingungen möglich, einen Vertrag über das Nichtbestehen eines entgeltlichen Architektenvertrags zu schließen, zumindest solange lediglich einzelne Leistungen der Phasen 1-3, bzw. der Zielfindungsphase erbracht werden.
Der Inhalt einer solchen Vereinbarung ist u. a. darauf gerichtet, dass vom Architekten in dieser ausdrücklichen Vor-Phase erbrachte Leistungen so lange als unentgeltliche Akquiseleistungen zu werten sein sollen, wie kein schriftlicher Vertragsschluss oder Hinweis auf das Erbringen kostenpflichtiger Leistungen erfolgt. Eine Beauftragung bleibt dann zwar nach wie vor auch konkludent möglich, ist dann aber schwerer nachzuweisen. Eine solche Akquisevereinbarung kann einem konkludenten Vertragsschluss entgegengehalten werden.
Wegen des zwingenden Charakters der HOAI ist im Falle der Beauftragung allerdings auch für die zunächst im Rahmen der Akquise erbrachten Leistungen die geschuldete Vergütung zu entrichten.