06.11.2024 | Baurecht / BGB

Verschärfte Regel für Vertragsstrafen in Einheitspreisverträgen

Dieses Urteil stellt die Bauwelt auf den Kopf: Eine Vertragsstrafe von 5 % der Nettoauftragssumme ist nicht mehr erlaubt, wenn die Mengen der Arbeit geringer sind als geplant. Denn das kann den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen.

Bisherige Rechtsprechung

Die formularmäßige Vereinbarung von Vertragsstrafen für eine Überschreitung des Fertigstellungstermins in Einheitspreisverträgen ist heutzutage gängige Praxis – dies unter Berücksichtigung der durch die bisherige BGH-Rechtsprechung vorgegebenen Grenzen.
Die bisherige Rechtsprechung knüpft maßgeblich an die mit der Strafe verfolgte Druckfunktion an, den Auftragnehmer zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner Leistungen anzuhalten. Die vereinbarte Vertragsstrafe muss jedoch unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehen, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Es ist aber darauf zu achten, dass sich die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen hält.
Gemessen daran ist eine Vertragsstrafe von über 5 % der Auftragssumme zu hoch. Der Auftragnehmer wird typischerweise durch den Verlust von mehr als 5 % seines Vergütungsanspruchs unangemessen belastet.
Die 5-%-Grenze gemessen an der (Netto-)Auftragssumme war daraufhin in vielen Bauverträgen zu finden, insbesondere auch im Vergabehandbuch des Bundes aus dem Jahre 2017 (Formblatt 214).
Verschärfte Regel für Vertragsstrafen in Einheitspreisverträgen
Bild: © f:data GmbH

Neue Rechtsprechung

Nach neuer Rechtsprechung ist diese Klausel bei Einheitspreisverträgen nicht länger wirksam, da der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt wird.
Das neue BGH-Urteil betrifft ausschließlich Einheitspreisverträge. Werden Einheitspreise vereinbart, so vergütet der Auftraggeber die Mengen und Massen nach tatsächlichem Verbrauch. Bei einer Mengenerhöhung trägt der Auftraggeber das Mengenrisiko. Reduzieren sich jedoch die Mengen im Vergleich zur ursprünglichen Kalkulation, also der vereinbarten Auftragssumme, würde dies zugunsten des Auftraggebers bedeutet, dass der an die einzelnen Mengen geknüpfte Gewinnzuschlag des Auftragnehmers reduziert werden würde, während die Vertragsstrafenhöhe unverändert bliebe. Der Auftragnehmer könnte demnach nicht nur seinen Gewinn verlieren, sondern erhebliche Verluste erleiden – Verluste, die die seitens des BGH gestellte 5-%-Grenze des Vergütungsanspruchs unter Umständen erheblich übersteigen. Dies steht derart außer Verhältnis zur Druckfunktion der Vertragsstrafe, dass die Klausel bei Anknüpfung an die Auftragssumme unwirksam ist.

Was gilt für Pauschalpreisverträge?

Eine diesbezügliche Entscheidung des BGH bei Pauschalpreisverträgen gibt es noch nicht. Ein Risiko der Mengenreduzierung zulasten des Auftragnehmers gibt es bei Pauschalpreisen – anders als beim Einheitspreis – jedoch nicht, da eine Vergütung unabhängig der tatsächlich verbrauchten Mengen zu einem zuvor vereinbarten Pauschalpreis erfolgt. Vielmehr ist hier eine Anknüpfung an die Auftragssumme für den Auftragnehmer sogar günstiger, da sich beim Pauschalpreis in aller Regel die Abrechnungssumme nur – durch geänderte oder zusätzliche Leistungen – erhöht, aber eben nicht absenkt.
Im Falle einer ordentlichen (Teil-)Kündigung durch den Auftraggeber schuldet der Auftraggeber im Übrigen die volle Vergütung auch für den nicht erbrachten Leistungsteil, sodass eine Gefahr der unangemessenen Benachteiligung (Gewinneinbuße und unverhältnismäßige Verluste des Auftragnehmers) nicht besteht.
Ein Anspruch auf eine denkbare Anpassung im Ausnahmefall des § 313 BGB – sowohl hinsichtlich des vereinbarten Pauschalpreises als auch hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe – bleibt unberührt.
Gleiches gilt für den Fall, dass die Parteien den Vertrag durch beiderseitige Erklärungen nachträglich ändern möchten. Diese Möglichkeit besteht immer – unabhängig vom Vertragstyp.

Fazit

Der Senat des BGH sieht für Einheitspreisverträge die Möglichkeit, einen Vorbehalt zu vereinbaren, welcher der Gefahr einer Überschreitung der für die Vertragsstrafe maßgeblichen Grenze angemessen Rechnung trägt. Wie ein solcher Vorbehalt auszusehen hat, lässt der BGH offen. In Betracht kommt eine Begrenzung des (Netto-)Auftragswerts als Berechnungsgrundlage mit der (Netto-)Schlussrechnungssumme, für den Fall, dass diese unterhalb des Netto-Auftragswerts liegen sollte. Aber auch eine unmittelbare Anknüpfung der Vertragsstrafe an die (Netto-)Schlussrechnungssumme ist nach Auffassung des BGH möglich.
Herzlichen Dank an Nina Schilling, studentische Mitarbeiterin in der Kanzlei Delheid Soiron Hammer, für die fachliche Unterstützung bei diesem Artikel auf bauprofessor.de.
Markus Cosler
Ein Artikel von
  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Lehrbeauftragter für Nachtragsmanagement an der FH Aachen
  • Kanzlei Delheid Soiron Hammer, Aachen
  • Web: www.delheid.de
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