Zum Reisekostenrecht einschließlich steuerlicher Behandlung gelten seit 2014 veränderte Regelungen. Insbesondere wurde dabei der Begriff "regelmäßige Arbeitsstätte" durch eine "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt bzw. neu definiert und im Einkommensteuergesetz (EStG) eingeführt. Damit wird besser deutlich, dass für einen Arbeitnehmer immer nur eine "erste" Tätigkeitsstätte je Arbeits- bzw. Dienstverhältnis vorliegen kann.
Aktuelle Erläuterungen mit Anwendungsbeispielen liefern ergänzend zu § 9 Werbungskosten Abs. 4 EStG
das BMF-Schreiben vom 25. November 2020 zur „Steuerlichen Behandlung der Reisekosten von Arbeitnehmern (veröffentlicht im Bundessteuerblatt I)“, welches das vorherige Schreiben vom 24. Oktober 2014 ersetzt und in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist,
mit speziellen Aussagen zur Anwendung in der Bauindustrie in einem vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) zusammengestellten "Merkblatt Leitfaden zum steuerlichen Reisekostenrecht (2018)" als Überblick zu den gesetzlichen Regelungen und mit praktischen Beispielen zur tarifvertraglichen und steuerlichen Behandlung von Reisekosten der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bauhauptgewerbes.
Als Tätigkeitsstätte gilt nach Tz. II, Rand-Nr. 3 im BMF-Schreiben vom 25. November 2020 „eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt ist, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden“. Nach dieser Auslegung kann beispielsweise ein Fahrzeug ohne ortsfeste betriebliche Einrichtung keine Tätigkeitsstätte sein.
Demgegenüber gelten als ortsfeste betriebliche Einrichtungen und folglich als Tätigkeitsstätten auch Baucontainer (z. B. auf Großbaustellen), die längerfristig mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich beispielsweise Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden. Sind auf dem Betriebsgelände mehrere Baucontainer vorhanden, dann handelt es sich nur um eine Tätigkeitsstätte. Ist ein Arbeitnehmer einem Baucontainer dauerhaft zugeordnet, dann gilt dieser für den Arbeitnehmer als erste Tätigkeitsstätte. Die Begründung einer ersten Tätigkeitsstätte am Ort des Baucontainers kann jedoch vermieden werden, wenn der Arbeitnehmer diesem nicht dauerhaft zugeordnet wird.
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbstständige betriebliche Einrichtungen darstellen können, räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Beispielsweise ist das häusliche Arbeitszimmer eines Arbeitnehmers aber keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und kann folglich auch keine erste Tätigkeitsstätte sein.
Jeder Arbeitnehmer kann zu seinem Arbeitsverhältnis nur eine erste Tätigkeitsstätte haben. Sollten Voraussetzungen für mehrere Tätigkeitsstätten vorliegen, gilt diejenige Tätigkeitsstätte als erste Tätigkeitsstätte, die vom Arbeitgeber bestimmt wird. Ausreichend dafür ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Sollte dies nicht eindeutig bestimmbar sein, ist die der Wohnung des Arbeitnehmers örtlich am nächsten gelegene Tätigkeitsstätte als erste Tätigkeitsstätte anzusehen. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer auch eine Tätigkeitsstätte zuordnen, in der er nur in geringem Umfang tätig wird, z. B. für Hilfs- und Nebentätigkeiten. Auf die Qualität der Tätigkeit kommt es dann nicht an. Der Arbeitgeber kann jedoch nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung).
Markantes Merkmal für eine erste Tätigkeitsstätte ist die „dauerhafte“ Zuordnung zum Arbeitnehmer. Diese Zuordnung ist als „dauerhaft“ anzusehen, wenn sie durch die arbeitsrechtlichen Festlegungen oder diese Festlegungen ausfüllenden Absprachen oder Weisungen vom Arbeitgeber bestimmt wird, und zwar unabhängig davon, ob sie mündlich oder schriftlich erteilt wurde. Die Entscheidung über die Zuordnung muss nicht zwingend dokumentiert werden. Sie kann sich auch aus dem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Verfügungen, Einsatzplänen, betrieblichen Organigrammen, Protokollnotizen, Reisekostenabrechnungen, der Nutzung eines Dienst-PKWs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte u. a. ableiten.
Sofern eine arbeitsrechtliche Festlegung fehlt oder nicht eindeutig zuordenbar ist, gilt nach § 9 Abs. 4 EStG als erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer:
- arbeitstäglich,
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
- mindestens 1/3 seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit dauerhaft tätig werden soll.
Ergänzende und speziell bauspezifische Erläuterungen zur Problematik sowie Aussagen mit baupraktischen Beispielen werden unter Tätigkeitsstätte getroffen.