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Bereits mehrfach hatten wir darauf hingewiesen, dass eine Abrechnung nach VOB/B-Vertrag immer auf Basis der so genannten Urkalkulation des ursprünglichen Angebotes zu erfolgen hat. Dies gilt auch und insbesondere bei geänderten und zusätzlichen Leistungen, aber bekanntermaßen auch schon gegebenenfalls bei Mengenabweichungen um mehr als 10 %. Insbesondere im mittelständischen Handwerk kommt es aber immer mal wieder vor, dass es eine solche Urkalkulation überhaupt nicht gegeben hat. Das ursprüngliche Angebot beruht dann auf irgendwelchen überschlägigen Zahlen oder schlicht und ergreifend auf Erfahrungswerten. In diesem Fall ist eine Abrechnung von Nachträgen, die den Grundsätzen der VOB/B genügt, kaum noch möglich. Noch viel problematischer wird dies, wenn der Vertrag nicht vollständig ausgeführt wurde, es also zu einer auftraggeberseitigen Kündigung gekommen ist. Dann hat der Unternehmer in der Regel kaum eine Chance, eine prüfbare Schlussrechnung zu erstellen.
Wäre es dann aber gerecht, dem Unternehmer in Gänze aufgrund der fehlenden Prüfbarkeit die Vergütung zu versagen? Ist der Auftraggeber denn nicht in irgendeiner Art und Weise doch ungerechtfertigt bereichert und nutzt hier nur das formelle Schlupfloch, um berechtigten Werklohnansprüchen zu entgehen?
Mit einem solchen Fall hat sich das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 26.02.2015 zum Aktenzeichen 24 U 56/10 nunmehr auseinandergesetzt.
Es hält hierbei fest, dass die Abrechnung der erbrachten Leistungen grundsätzlich im Anschluss an eine Kündigung auf der Grundlage der Urkalkulation des Auftragnehmers zu erfolgen habe. Hat der Auftragnehmer den Vertrag allerdings nur auf Grundlage überschlägiger Zahlen oder ohne jede Berechnung seiner Kosten geschlossen, so hat er zwecks Bewertung des Anteils der erbrachten Leistungen an der geschuldeten Gesamtleistung die Möglichkeit, nachträglich eine – fiktive – Kalkulation zu erstellen, die zu den vereinbarten Preisen passt und seiner Kostenstruktur möglichst gut entspricht. Dabei kann er sich dann darauf berufen, alle maßgeblichen Einzelpositionen und Kostenelemente entsprechend gleichermaßen im selben Prozentsatz gemessen am üblichen Kostenniveau, falls nicht der Auftraggeber nachvollziehbar eine abweichende besondere Kostenstruktur des Auftragnehmers behauptet.
Grundsätzlich kann der Wert der erbrachten Leistungen bei fehlender Urkalkulation demnach so berechnet werden, dass der übliche Preis der erbrachten Leistungen ins Verhältnis zum üblichen Preis der vereinbarten Gesamtleistung gesetzt wird und der dabei ergebende Faktor mit dem vereinbarten Gesamtpreis multipliziert wird.
Diese Vorgehensweise des Oberlandesgerichts Hamm entspricht zwar nicht dem Wortlaut, jedoch mit Sicherheit dem Willen und Wesen der VOB/B. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht hierzu noch aus, allerdings hat der Bundesgerichtshof mehrfach in der jüngsten Zeit bekundet, dass er davon ausgeht, dass das Erfordernis der Prüfbarkeit einer Schlussrechnung keinen reinen Selbstzweck erfülle. Letztlich erhält der Auftraggeber auch über diese Alternativberechnung des Oberlandesgerichts Hamm doch eine gerechte Vergütungsrechnung. Ich persönlich halte daher den Weg des Oberlandesgerichts Hamm für sachgerecht, auch wenn er – wie dargelegt – noch nicht höchstrichterlich bestätigt ist.
Gerade für mittelständische Unternehmen, die in der Not sind, nachträglich eine entsprechende Abrechnung zu erstellen, dürfte dies unter Zuhilfenahme der einschlägigen EDV der sach- und fachgerechteste und einfachste Weg sein, doch noch zu einer prüfbaren Abrechnung der Leistungen zu gelangen.