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Die Bundesrepublik Deutschland verstößt durch Mindest- und Höchstpreise für Planungsleistungen von Architekt(inn)en und Ingenieur(inn)en – hierzu mein Plädoyer vom März 2017 - gegen das Europarecht.
Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 04.07.2019 rechtskräftig und in letzter Instanz und damit unanfechtbar festgestellt. Betroffen ist insbesondere Artikel 15 der Dienstleistungsrichtlinie. Begründet wurde das Urteil unter anderem mit dem Vorwurf der Inkohärenz bei der Qualitätssicherung mangels flankierender berufsrechtlicher Kontrollen. Das Urteil des EuGH wird von deutschen Gerichten allerdings derzeit noch unterschiedlich umgesetzt. Es herrscht Rechtsunsicherheit zumindest noch so lange, bis der Siebte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darüber entschieden haben wird.
Die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) – bzw. deren § 7 über die Verbindlichkeit ihres Preisrahmens – ist bislang weder geändert noch aufgehoben worden. Daher sind das Kammergericht mit Beschluss vom 19.08.2019 und das OLG Hamm mit Urteil vom 23.07.2019 (Revision beim BGH läuft unter dem Aktenzeichen VII ZR 174/19) ebenso wie das in dieser Frage schon länger profilierte OLG Naumburg mit gewichtigen Stimmen in der einschlägigen Fachliteratur der Auffassung, der Anwendungsvorrang des Europarechts stehe der Fortgeltung aller Regeln der HOAI zumindest bei laufenden Verfahren nicht entgegen.
Im Gegensatz dazu hat noch am Tag des EuGH-Urteils das OLG Dresden ähnlich wie später am 14.08.2019 das OLG Celle geurteilt, das Unterschreitungsverbot der HOAI könne nun nicht mehr angewandt werden. Diese Auffassung ist meines Erachtens richtig und wird nunmehr auch bekräftigt durch das aktuelle Urteil vom 17.09.2019 – 23 U 155/18 – des OLG Düsseldorf.
Da auch die Rechtsprechung Teil der Staatsgewalt ist, die durch den EuGH verurteilt worden ist, dürfen Gerichte das Preisrahmenrecht der HOAI nicht mehr anwenden. Weitere Verstöße erfolgen dann sogar absichtlich und vertiefen das daraus folgende Unrecht noch weiter. Das Verbot der Mindestsatzunterschreitung wurde zwar bislang noch nicht aufgehoben, kann aber ab sofort nicht mehr über § 134 BGB zur Unwirksamkeit einer die europarechtswidrigen Mindestsätze unterschreitenden Vereinbarung führen. Der insoweit nach wie vor fehlende Geltungsvorrang des Unionsrechts ändert daran nichts.
Entbehrlich sind daher auch die in den zitierten Urteilen zu findenden Ausführungen für und wider die Richtigkeit des EuGH-Urteils. Die Auslegung des betroffenen Europarechts ist mit diesem Urteil vom 04.07.2019 verbindlich geklärt, da erübrigt sich jegliche Apologetik. Weitere Aufstockungsklagen deutscher Architekt(inn)en und Ingenieur(inn)en sind vor diesem Hintergrund meines Erachtens unvernünftig.