Übt ein Verbraucher nach Vertragserfüllung sein Widerrufsrecht aus, verliert der Unternehmer seinen vollen Werklohnanspruch. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall entschieden. Viele Unternehmer und Architekten sind nun verunsichert. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Markus Cosler erläutert die Entscheidung und ordnet sie ein.

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Seit der Veröffentlichung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 17.05.2023 häufen sich die Anfragen verunsicherter Unternehmer, Architekten und Ingenieure bei den Anwälten. Das Gericht hatte entschieden, dass Kunden für vollbrachte Bauleistungen nichts zahlen müssen, wenn das Unternehmen sie nicht über das Widerrufsrecht aufgeklärt hat. Viele Unternehmer, Architekten und Ingenieure befürchten nun, dass in jedem Einzelfall eine Belehrung über das Widerrufsrecht für den Verbraucher nötig ist.
Aber stimmt das überhaupt? Wie so oft ist es wichtig, eine Entscheidung richtig einzuordnen. Dafür muss man sich dann immer den der Entscheidung zugrundeliegenden Fall anschauen.
Richtig ist, dass in dem hier entschiedenen Fall ein Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt und der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass der Verbraucher im Hinblick auf die dann vorzunehmende Rückabwicklung des Vertrages vollständig von der Verpflichtung zur Vergütung der bereits erbrachten Leistungen befreit ist. Der Verbraucherkunde muss also hier für schon erhaltene Leistungen keinerlei Vergütung zahlen.
Nicht in jedem Fall gibt es ein Widerrufsrecht
Voraussetzung ist aber, dass es überhaupt ein Widerrufsrecht des Verbrauchers gibt. In dem vom Gericht entschiedenen Fall war es so, dass es eben Widerrufsrecht gab. Das ist aber nicht grundsätzlich der Fall. Man kann durchaus Verträge mit Verbrauchern abschließen, ohne, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht.
In dem entschiedenen Fall gab es dieses Widerrufsrecht nur deshalb, weil der entsprechende Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers abgeschlossen wurde. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Unternehmer und Verbraucher sich in den Privaträumen des Verbrauchers aufhalten, quasi also gemeinsam am Wohnzimmertisch des Verbrauchers sitzen und dort den Vertrag abschließen.
In der Praxis kommt dies aber äußerst selten vor. Regelmäßig macht doch der Unternehmer ein Angebot, das der Verbraucher beispielsweise unterzeichnet zurückschickt. Oder der Unternehmer schickt dem Verbraucher einen Vertrag, den dieser dann allein bei sich zuhause unterschreibt und an den Unternehmer zurückschickt. In derartigen Fällen wurde der Vertrag aber nicht außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen, ein Widerrufsrecht gilt hier also nicht.
Zur richtigen Einordnung dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gehört also, dass zunächst einmal überhaupt ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestand. Ausschließlich dann ist eine Belehrung über das Widerrufsrecht erforderlich. Denn wenn kein Widerrufsrecht besteht, dann muss auch nicht darüber belehrt werden, dann kann ja auch nicht widerrufen werden.
Die genannte Entscheidung ist daher von weitaus geringerer Tragweite als von den meisten Unternehmern / Architekten / Ingenieuren angenommen.
Hier bedarf es der Belehrung eines Widerrufsrechts
Ein weiterer Beispielsfall für ein solches Widerrufsrecht wäre der Verbraucherbauvertrag, also ein Neubau oder eine erhebliche Umbaumaßnahme des Verbrauchers durch einen Generalunternehmer. Auch hier bedarf es einer solchen Belehrung über das Widerrufsrecht.
Im klassischen Handwerksbereich ebenso wie bei Architekten / Ingenieuren ist eine solche Belehrung aber regelmäßig aus obigen Gründen nicht erforderlich.