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Die Mindestsatzregelungen sind zwingend. Honorarvereinbarungen, die unter den Mindestsätzen liegen, sind damit unwirksam. Das bedeutet, dass Architekten und Ingenieure den Mindestsatz nach HOAI fordern können. Dies gilt für alle Verträge, die bis zum 31.12.2020 geschlossen worden sind.
Endlich ist es geklärt: Zwischen Personen des Privatrechts, z. B. einem Architekten / einem Ingenieur und einem privaten Auftraggeber (Einzelperson, GbR, GmbH o. ä.) sind die Mindestsätze der HOAI nach wie vor anwendbar. Dies hat der EuGH mit dem Urteil vom 18.01.2022, Az. C-261/20, entschieden.
Was bedeutet das konkret?
Architekten und Ingenieure können gegenüber Ihren Auftraggebern auch dann, wenn z. B. ein Pauschalpreis für einen Auftrag vereinbart war, der – wie üblich – unterhalb der Mindestsätze lag, eine sog. Mindestsatzabrechnung nach HOAI durchführen. Bei einer Mindestsatzabrechnung ergeben sich erfahrungsgemäß erhebliche Nachforderungen (schon bei Einfamilienhäusern mehrere 10.000 €) gegenüber dem Auftraggeber. Dies gilt auch bei gekündigten Verträgen, die streitig beendet wurden.
Die sogenannten Mindestsatzberechnungen sind jedoch nur bei Architekten- und Ingenieurverträgen möglich, die spätestens bis zum 31.12.2020 geschlossen worden sind. Ab dem 01.01.2021 gilt eine neue HOAI, die keine zwingenden Mindestsätze mehr vorsieht.
Es lohnt sich häufig auch, bei vermeintlich bereits „abgeschlossenen“ Projekten Honoraransprüche prüfen zu lassen.
Was war der Hintergrund der Entscheidung des EuGH?
Die Entscheidung kommt für viele Juristen überraschend: Nachdem der EuGH im Jahr 2019 entschieden hat, dass die zwingenden Mindestsatzregelungen der HOAI (§ 7 HOAI) gegen die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Kommission verstießen, haben viele Fachleute die Mindestsätze zur Honorarberechnung für generell unanwendbar gehalten.
Der EuGH begründet seine Entscheidung vom 18.01.2022 zur Anwendbarkeit der Mindestsätze im Wesentlichen mit rechtstheoretischen Überlegungen. Zwar sei es richtig, dass die Mindestsatzregelungen der HOAI gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstießen. Die Dienstleistungsrichtlinie, die es umzusetzen gelte, richte sich jedoch an die Mitgliedsstaaten der EU (im konkreten Fall an die Bundesrepublik Deutschland) – nicht an Personen des Privatrechts (Architekten, Ingenieure, GbRs, GmbHs o. ä.).
Dieser formaljuristische Aspekt führt dazu, dass die deutschen Gerichte die Mindestsatzregelungen der HOAI zumindest zwischen Personen des Privatrechts weiter anwenden dürfen.
Rechtstipp: Lassen Sie auch bereits abgeschlossene Aufträge hinsichtlich der Realisierung von Honorarnachforderungen prüfen. Dies bietet sich besonders bei Aufträgen an, die nicht harmonisch abgeschlossen wurden.