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Die Vereinbarung von Sicherheiten im Bauvertrag spielt in der Baupraxis eine große Rolle. Mit ihnen soll die Gefahr möglicher Rechts- und Vertragsverletzungen abgewendet werden. Die Sicherheiten sollen einen wirtschaftlichen Ausgleich schaffen, wenn eine Vertragspartei ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt.
Das BGB-Werkvertragsrecht als solches kennt keine Sicherheitsleistung zu Gunsten des Auftragsgebers. Eine Ausnahme bilden lediglich die Regelungen des § 632a Abs. 3 BGB, für Bauverträge mit Verbrauchern über die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks, wonach das mit Abschlagszahlungen verbundene Risiko des Verbrauchers, die Gegenleistung nicht wie versprochen zu erhalten, durch die Verbindung der ersten Abschlagszahlung mit einer Sicherheitsleistung durch den Unternehmer begrenzt wird.
Sowohl für den BGB-Werkvertrag als auch für den VOB-Bauvertrag gilt, dass es keinen Anspruch des Bestellers/Auftraggebers auf Stellung einer Sicherheit gibt. Hierzu bedarf es immer einer klaren und eindeutigen diesbezüglichen Vereinbarung der Parteien.
Im Zusammenhang ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Vertragsparteien den Zweck der Sicherheitsleistung in der Sicherungsvereinbarung deutlich bestimmen.
Bei der Ausgestaltung der Sicherungsabrede sind bestimmte Grenzen zu beachten, die durch das gesetzliche Leitbild des § 641 BGB gesetzt werden. Danach geht der Gesetzgeber davon aus, dass es dem Auftraggeber/Besteller in der Ausführungsphase, also bis zur Abnahme, zuzumuten ist, das Insolvenzrisiko seines Auftragnehmers zu tragen und für die Zeit nach der Abnahme der Auftragnehmer die volle Vergütung für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen verlangen kann.
Nach dem gesetzlichen Leitbild ist die Vereinbarung von Sicherheiten zugunsten des Bestellers mithin nicht vorgesehen. Die Rechtsprechung lässt derartige Vereinbarung in allgemeinen Geschäftsbedingungen aber zu, weil sie ein anerkennenswertes Interesse der Auftraggeber bei der Absicherung seiner Ansprüche bei unzureichender Vertragserfüllung durch den Auftragnehmer bejaht, da der Auftraggeber ohne eine Sicherung möglicherweise nicht ausreichend geschützt ist, vgl. BGH VII ZR 192/01.
Bei der Vereinbarung der Sicherheitsleistung kommt es andererseits darauf an, dass die Bestimmungen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien ist gemäß § 307 BGB auf der einen Seite das Interesse des Auftraggebers an einer Absicherung während der Ausführungs- und Gewährleistungsphase, auf der anderen Seite das Liquiditätsinteresse des Auftragnehmers sicherzustellen.
Die Rechtspraxis zeigt, dass Sicherheitsleistungen ein wesentlicher und spannungsreicher Gegenstand der Vertragsgestaltung zwischen Auftraggeber/Besteller und Auftraggeber sind. Insbesondere stellt sich immer wieder die Frage, wie weit der Auftraggeber/Besteller sein Sicherungsinteresse an der Erfüllung des Vertrages und der Gewährleistungsverpflichtung im Bauvertrag wirksam durchsetzen kann.
Nach dem in der Vergangenheit auftraggeberseitig immer wieder versucht wurde, das Sicherungsinteresse insbesondere mittels Bürgschaften auf erstes Anfordern zu regeln, ist dieser Weg aufgrund der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu weitgehend verstellt. Während individualvertraglich einer Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern keine Bedenken entgegenstehen, ist dies nach der Rechtsprechung für den Fall formularmäßiger Vereinbarungen zu Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern wegen einer damit einhergehenden qualitativen Übersicherung des Auftraggebers/Bestellers nur noch in Ausnahmefällen möglich. Grundsätzlich gilt, dass eine formularmäßige Vereinbarung von Bürgschaften auf erstes Anfordern gemäß § 307 BGB unwirksam ist.
Soweit der Auftraggeber/Besteller geneigt ist, diesen Umstand durch eine Ausgestaltung der Sicherungsabrede und/oder Bürgschaftsvereinbarung dadurch zu umgehen, dass er die Einreden eines Bürgen gemäß § 768 ff. BGB ausschließt, so ist dies, insbesondere hinsichtlich der Einreden aus § 768 BGB unwirksam.
Gemäß § 768 Abs. 1 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Gemäß Absatz 2 verliert der Bürge seine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.
Wird im Rahmen eines Bauvertrages eine formularmäßige Sicherungsabrede getroffen, die dem Bürgen die Einreden gem. § 768 BGB abschneiden, führt dies zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede insgesamt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof s benachteiligt eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die vorsieht, dass der Auftragnehmer einen Sicherheitseinbehalt von 5% der Schlussabrechnungssumme nur gegen Gestellung einer Bürgschaft ablösen kann, den Auftragnehmer unangemessen, wenn der Bürge auf die ihm gem. § 768 BGB zustehende Einrede verzichten muss, vgl. zuletzt BGH Urteil vom 28.07.2011 VII ZR 207/09.
Darüber hinaus hält der BGH in der genannten Entscheidung fest, dass sich an dieser rechtlichen Wertung auch dadurch nichts ändert, wenn dem Auftragnehmer das Wahlrecht zwischen den Sicherheiten gemäß § 17 Nr. 3 VOB/B eingeräumt worden ist. Die Einräumung des Wahlrechts ändere nämlich nichts daran, dass der Auftragnehmer einen Sicherheitseinbehalt hinnehmen müsse, wenn er die anderen Sicherungsmöglichkeiten nicht wähle. Es mache keinen Unterschied, ob eine Klausel von vornherein einen Sicherheitseinbehalt vorsieht, der nur durch eine Bürgschaft mit Einredeverzicht abgelöst werden kann, oder ein Wahlrecht, dass letztlich keinen Vorteil bietet, der eine unterschiedliche Behandlung der Klausel rechtfertigen könnte. Denn im Ergebnis sei es so, dass der Auftragnehmer, um Liquidität zu bekommen, eine Bürgschaft mit Einredeverzicht stellen müsse. Dies aber stelle keinen angemessenen Ausgleich dar, weil der Bürge die dem Hauptschuldner/Unternehmer zustehenden Einreden, die eine sofortige Ausbezahlung des so erlangten Werklohns an den Auftraggeber vermeiden könne, nicht erheben können soll. Zahle der Bürge an den Auftraggeber, werde dem Auftragnehmer (Hauptschuldner) zudem erneut das Insolvenzrisiko überbürdet.
Darüber hinaus hat der BGH entschieden, dass eine Regelung, die versucht, einen angemessenen Ausgleich für einen vereinbarten Sicherheitseinbehalt zu formulieren, in der die Sicherungsabrede sprachlich und räumlich getrennt in einzelnen Bestandteilen eines Vertrages, zum Beispiel im Vertrag und in zusätzlichen Vertragsbedingungen, gestaltet wird, eine konzeptionelle Einheit bildet. Dies zwinge zu einer einheitlichen, den wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des Regelungsgefüges. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin, dass dann vom Auftragnehmer ersatzweise eine Bürgschaft ohne umfassenden Einredeverzichts zu stellen sei, komme deshalb nicht in Betracht. Eine Konzeption, die den im § 768 BGB verankerten Akzessorietätsgrundsatz – die Abhängigkeit der Haftung vom Bestehen der Hauptschuld – versucht auszuhebeln, könne demnach nicht in der Weise aufrecht erhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt sei, den Sicherungseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft ohne Verzicht auf die Einrede § 768 BGB abzulösen.
Für die Vertragspraxis ergibt sich daraus, dass es im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Sinn macht, Sicherungsabreden zu gestalten, die einen umfassenden Verzicht auf die Einreden § 768 BGB beinhalten. Das Ergebnis derartiger Regelungskonstrukte wird im Regelfall der Verlust des Anspruchs auf die Sicherheitsleistung sein. Eine an den Auftraggeber/Besteller herausgegebene Bürgschaft mit Einredeverzicht kann vom Unternehmer herausgefordert werden. Der Bürge kann dieses Recht dem Auftraggeber/Besteller gem. § 768 BGB entgegenhalten. Eine von den Bestimmungen des § 17 VOB/B abweichende Formulierung der Sicherungsabrede in vorformulierten Geschäftsbedingungen ist deshalb mit äußerster Zurückhaltung zu behandeln.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Thomas Eichler, Dresden,
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