Die AGB-Kontrolle von Regelungen der VOB/B ist von entscheidender Bedeutung für Bauverträge. Der BGH hat nun festgestellt, dass die Kündigungsregel der § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B den Auftragnehmer benachteiligt und daher unwirksam ist.
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Jahrzehntelang war die VOB/B die Grundlage von Bauverträgen sowohl mit Unternehmern als auch mit Verbrauchern. Da es sich bei der VOB/B um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handelt, werden ihre Regelungen auf Abweichungen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorgaben überprüft. Diese Inhaltskontrolle findet bei einem Verbraucher-Auftraggeber uneingeschränkt statt.
Bei einem Auftraggeber, der Unternehmer ist, entfällt die Inhaltskontrolle, wenn die VOB/B ohne inhaltliche Abweichungen Vertragsgegenstand wurde. Hochgradig streitig ist, ob das Verbot der inhaltlichen Abweichungen auch diejenigen Textpassagen der VOB/B betrifft, die Öffnungsklauseln beinhalten wie beispielsweise § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B im Hinblick auf die Verjährungsfrist. Eine Entscheidung des BGH zu dieser Streitfrage steht aus.
Entscheidend, welche Vertragspartei die Regelung stellt
Die AGB-rechtliche Kontrolle von Vertragsklauseln ist oftmals für juristische Laien schwer nachvollziehbar, da es nicht ausschließlich auf den Inhalt einer Vertragsklausel ankommt, sondern auch darauf, welche Vertragspartei die Regelung „stellt“, d. h. zum Inhalt des Vertrages macht.
Deshalb ist es durchaus möglich, dass eine VOB-Regelung unwirksam ist, wenn der Auftraggeber sie stellt, jedoch wirksam ist, wenn der Auftragnehmer sich stellt.
Kündigungsregelung ist unwirksam bei Verwendung durch den Auftraggeber
Um eine solche Regelung handelt es sich beispielsweise bei der Kündigungsregelung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B.
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn er dem Auftragnehmer vor Abnahme:
- Mängel der bereits erbrachten Leistungen anzeigt,
- eine Frist zur Beseitigung dieser Mängel setzt und
- die Kündigung / Auftragsentziehung für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs androht.
Mit Urteil vom 19.01.2023 (VII ZR 34/20 – BauR 2023, 628 ff) hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Ein Auftragnehmer dessen Auftragsvolumen etwas mehr als 3 Millionen € netto betrug, reagierte nicht auf mehrere Fristsetzungen des Auftraggebers, während der Ausführung festgestellte Mängel zu beseitigen. Ihm wurde gekündigt. Die Mangelbeseitigung erfolgte für rund 6.000,00 €, wobei aus dem Urteil nicht hervorgeht, ob es sich bei dieser Summe um einen Brutto- oder Nettobetrag handelt.
Die Frage für den BGH war, ob die Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. i.V. m. § 4 Abs. 7 VOB/B wirksam ausgesprochen wurde.
Bei dem in den vorstehenden Normen aufgeführten Recht der Vertragskündigung im Fall, dass während der Ausführung erkannte Mängel nicht fristgerecht beseitigt werden, handelt es sich um einen Unterfall einer Kündigung aus wichtigem Grund.
Die Kündigung aus wichtigem Grund ist für sämtliche Werkverträge in § 648a BGB normiert.
Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648 a BGB ist, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Dies bedeutet letztendlich, dass der Auftragnehmer eine erhebliche Pflichtverletzung begangen haben muss, die die Erreichung des Vertragszwecks ernsthaft gefährdet und das Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber so stark zerrüttet, dass der Auftraggeber „nicht mehr anders kann“, als den Vertrag zu kündigen.
Keine Differenzierung nach Art und Schwere des Mangels
Der § 4 Abs. 7 VOB/B differenziert allerdings nicht nach der Art und Schwere des jeweiligen Mangels.
Grundsätzlich soll der Auftraggeber nach § 4 Abs. 7 VOB/B das Recht haben, vom Auftragnehmer bereits während der Bauausführung die Beseitigung von Mängeln zu verlangen; unabhängig davon, ob die Mängel wesentlich sind oder nicht.
Dies ist für sich gesehen nicht zu beanstanden. Selbstverständlich hat ein Auftraggeber auch das Recht, bei unwesentlichen Mängeln deren Beseitigung zu verlangen.
Der BGH musste entscheiden, ob die Regelung in der VOB/B wirksam ist, die ihrem Wortlaut nach dem Auftraggeber ein Kündigungsrecht selbst dann einräumt, wenn es der Auftragnehmer versäumt, einen geringfügigen oder unwesentlichen Mangel, der u. U. noch nicht einmal der Abnahme entgegenstünde, binnen der gesetzten Frist zu beseitigen.
Da die gesetzliche Wertung des § 648a BGB für die Kündigung aus wichtigem Grund gerade eine erhebliche Pflichtverletzung voraussetzt, erklärte der BGH das Kündigungsrecht in § 4 Abs. 7 VOB/B für unwirksam.
Keine Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts
Bei der AGB-Kontrolle findet eine abstrakte Betrachtung der zu überprüfenden Regelungen statt. Denn die Regelung wird nicht nur für den konkreten Fall, sondern generell als AGB-rechtlich unwirksam oder wirksam bestätigt. Deshalb kommt es allein auf das Verständnis der Regelung an, wie sie sich aus dem Verordnungstext ergibt.
Der konkrete Sachverhalt, der zur Entscheidung ansteht, wird in diesem Fall „ausgeblendet“. Das Bewertungskriterium ist vielmehr, ob die Klausel den von ihr Betroffenen – vorliegend also den Auftragnehmer – in ihrer ungünstigsten Auslegung unangemessen benachteiligt.
Dass eine Kündigung aus wichtigem Grund aufgrund unbedeutender bzw. unwesentlicher Mängel nicht zulässig sein soll, ist sicherlich plausibel. Nicht jeder noch so kleine Vertragsverstoß soll mit dem „schärfsten Schwert“, d. h. der Kündigung, geahndet werden können. Einer Regelung, aus der nicht klar hervorgeht, ob sie nur für gravierende Pflichtverletzungen gilt oder für sämtliche (marginale) Pflichtverletzungen, ist deshalb die Wirksamkeit zu versagen.
Zu beachten ist allerdings, dass die Kündigungsregelung in § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B vollumfänglich wirksam wäre, wenn der Auftragnehmer selbst die Regelung in den Vertrag mit einbezieht. Selbstverständlich steht es jedem Auftragnehmer im Rahmen der Vertragsautonomie frei, dem Auftraggeber ein (zusätzliches) Kündigungsrecht mit Konditionen einzuräumen, die das Gesetz nicht vorsieht.
Bei einem Vertrag mit einem Verbraucher-Auftraggeber sollte der Auftragnehmer von der Einbeziehung der VOB/B deshalb unbedingt absehen.