Schimmel kann selbst bei optimalem Lüften und Heizen auftreten. Denn oft sind auch bauliche Faktoren dafür verantwortlich. Wie Sie mit AW- und TF-Werten Schimmel vorbeugen können, erläutert der Sachverständige für Schimmelpilzbewertung Philipp Gramlich.
Die Entstehung von Schimmelpilz in Innenräumen ist ein häufiges und oft missverstandenes Problem. Während falsches Lüftungs- oder Heizverhalten häufig als Ursache betrachtet wird, können selbst bei optimalem Nutzungsverhalten bauliche Gegebenheiten die Bildung von Schimmel begünstigen. Zentrale Parameter in der Schimmelprävention sind der AW-Wert (Wasseraktivitätswert) und die TF-Werte (Temperaturgrenzen bei bestimmter relativer Feuchte). Was diese Werte bedeuten, wie sie berechnet werden und wie sie Schimmel vorbeugen können, erläutert Philipp Gramlich, Sachverständiger für Schimmelpilzbewertung.
Was ist der AW-Wert?
Der AW-Wert (Wasseraktivitätswert) beschreibt die relative Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche eines Bauteils. Er ist entscheidend für die Beurteilung, ob ein Bauteil anfällig für Schimmelbildung ist. Die Skala reicht von 0 (trocken) bis 1 (100 % relative Feuchte).
Schimmelpilzwachstum beginnt ab einem AW-Wert von 0,65, wobei viele Schimmelarten bei einem AW-Wert von 0,70 oder höher optimale Bedingungen finden.
Einflussfaktoren des AW-Werts
Raumluftfeuchtigkeit: Höhere Luftfeuchte führt zu einem höheren AW-Wert an Oberflächen.
Raumtemperatur: Sinkende Temperaturen erhöhen den AW-Wert, da kältere Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann.
Oberflächentemperatur: Kalte Oberflächen erhöhen lokal die relative Luftfeuchtigkeit.
Materialeigenschaften: Zellulosehaltige Materialien, wie z. B. Tapeten, begünstigen Schimmelbildung.
Auch wenn die Raumfeuchte optimal bei etwa 50 % liegt, kann an schlecht gedämmten Wänden die Schimmelgrenze unterschritten werden. Dort können Schimmelpilze gedeihen.
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TF-Werte: Temperaturgrenzen für relative Feuchte
Die TF-Werte (z. B. TF80, TF90) beschreiben die Temperatur, bei der die relative Luftfeuchtigkeit an einer Bauteiloberfläche einen kritischen Wert erreicht.
TF80: Temperatur, bei der die Luftfeuchtigkeit auf 80 % steigt – die Grenze, bei der Schimmelwachstum beginnen kann.
TF100: Der Taupunkt, bei dem die Luftfeuchtigkeit 100 % erreicht und Kondensat entsteht.
Ein Beispiel
In einem Raum mit 20 °C und 50 % relativer Luftfeuchtigkeit ergeben sich folgende Werte:
Das zeigt: Selbst bei einer normalen Raumfeuchte von 50 % kann an kalten Bauteilen (z. B. schlecht gedämmten Wänden) die Schimmelgrenze unterschritten werden.
Berechnung und Bedeutung
Die Berechnung des AW-Werts erfolgt mit folgender Formel:
Pv: Tatsächlicher Wasserdampfdruck an der Bauteiloberfläche.
Ps: Sättigungsdampfdruck bei der vorherrschenden Temperatur.
Die TF-Werte werden aus den gleichen Daten abgeleitet und beziehen sich auf die Temperatur, bei der der entsprechende Feuchtewert erreicht wird.
Darum entsteht Schimmel auch bei optimalem Lüften und Heizen
Die Schimmelbildung kann selbst bei regelmäßigem Lüften und optimalem Heizverhalten auftreten. Dies liegt daran, dass bauliche Schwachstellen die Oberflächentemperatur von Bauteilen senken können. Kalte Wandbereiche, z. B. an Außenwänden, kühlen die angrenzende Luft ab. Diese kann weniger Feuchtigkeit halten, wodurch die relative Luftfeuchte lokal steigt – ein idealer Nährboden für Schimmelpilze.
Die kritischen Werte entstehen vor allem durch:
Wärmebrücken: Konstruktive Schwachstellen, die zu lokal niedrigen Temperaturen führen. - Materialwahl: Zellulosehaltige Oberflächen erhöhen das Risiko durch ihr Nährstoffangebot.
Konstruktive Schwachstellen können zu lokal niedrigen Temperaturen führen, wie die Wärmebildmessung zeigt.
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Präventionsmaßnahmen
Die Schimmelbildung in Wohnräumen kann gesundheitsschädlich sein. Um Schimmel vorzubeugen, können verschiedene Handlungsweisen helfen:
Der Experten-Tipp
„Der AW-Wert und die TF-Werte sind wichtige Indikatoren für die Schimmelprävention. Sie verdeutlichen, dass Schimmelbildung nicht allein durch falsches Lüftungs- oder Heizverhalten entsteht, sondern maßgeblich von baulichen und klimatischen Faktoren abhängt. Eine Kombination aus baulichen Maßnahmen, gezielter Kontrolle der Raumluftfeuchte und regelmäßigen Inspektionen ist der Schlüssel, um das Schimmelrisiko nachhaltig zu reduzieren.“