05.10.2017 | Baurecht / BGB

Das Recht zur zweiten Andienung

Das Recht zur zweiten Andienung
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Das Werk muss bei Abnahme frei von Sach- und Rechtsmängeln sein. Gleiches gilt für die Kaufsache bei Gefahrübergang (Übergabe). Ob Mängelfreiheit vorliegt, bemisst sich in erster Linie nach der vereinbarten Beschaffenheit. Diese ergibt sich aus den gesamten Vertragsunterlagen und deren Auslegung.
Liegt nun aber ein Mangel vor, so hat der Käufer oder Auftraggeber (Besteller) zunächst das Recht auf Nacherfüllung, also Mängelbeseitigung oder Neuherstellung nach Wahl des Käufers bzw. des Auftragnehmers (Unternehmers). Der Vorrang der Nacherfüllung im Kaufrecht und Werkvertragsrecht wird anschaulich auch als Recht zur zweiten Andienung bezeichnet. Denn der Verkäufer oder Unternehmer soll durch Setzung einer Frist zur Mängelbeseitigung eine zweite Chance erhalten, ordnungsgemäß zu erfüllen.
Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen regelrechten Anspruch. Vielmehr beinhaltet das Recht zur zweiten Andienung eine Obliegenheit des Käufers oder Bestellers. Eine Obliegenheit ist eine nicht einklagbare Verpflichtung zu einer Handlung in eigenem Interesse, eine Pflicht gegenüber sich selbst. Kommt man ihr nicht nach, führt dies zu Rechtsnachteilen.
Vor Erfüllung der Obliegenheit, dem Vertragspartner die Chance zur Nacherfüllung zu geben, sind weitergehende Mängelrechte wie Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz statt der Leistung und im Werkrecht die Selbstvornahme oder der Kostenvorschuss unzulässig. Die Fristsetzung ist nur ausnahmsweise entbehrlich.
Entbehrlich ist die Fristsetzung beispielsweise beim Fehlschlag oder Verweigerung der Nacherfüllung oder wenn die Mängelbeseitigung unmöglich ist und der Käufer bzw. Besteller hierfür nicht verantwortlich ist. Das Recht zur zweiten Andienung kann also nicht umgangen werden, indem ein Mangel ohne Fristsetzung selbst beseitigt und dadurch die Nacherfüllung unmöglich gemacht wird. Entbehrlich ist die Fristsetzung auch bei Vorliegen von Arglist.
Leistungsort für die Nacherfüllung ist im Kaufrecht die Niederlassung des Verkäufers, im Werkrecht der Belegenheitsort der Sache. Beim Verbrauchsgüterkauf beinhaltet die Nachlieferung aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der neu gelieferten Sache, sofern der Käufer die mangelhafte Kaufsache gutgläubig und bestimmungsgemäß eingebaut hat, Urteil des EuGH vom 16.06.2011 − C-65/09, C-87/09.
Aufgrund dieser Rechtsprechung wurde mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung u. a., das am 01.01.2018 in Kraft treten wird, in § 445a BGB n. F. eine entsprechende Rückgriffsmöglichkeit gegenüber dem Lieferanten geschaffen. Diese gilt auch zwischen Unternehmern. Beabsichtigt wurde eine Verbesserung der Rechtstellung von Werkunternehmern, die eine mangelhafte Sache gekauft und verbaut haben. Ob dies gelungen ist, muss die künftige Umsetzung des Gesetzes noch zeigen.
Andreas Neumann
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