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Lange Zeit war man in der Baubranche davon ausgegangen, dass dann, wenn behindernde Umstände eingetreten sind, es ausreicht, wenn der Bauzeitenplan entsprechend fortgeschrieben wird, also der jeweils hindernde Umstand auf den bisher bestehenden Endtermin quasi "aufaddiert" wird und dann im Bauzeitenplan einfach ein neuer, späterer Termin entsprechend berücksichtigt wird. Man ging davon aus, dass dann mit Ablauf des neuen Termins automatisch Verzug eintritt und damit Schadenersatzansprüche und/oder Vertragsstrafen ohne weiteres geltend gemacht werden können.
Nunmehr hatte nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 14.06.2013 und einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.01.2012 der Bundesgerichtshof die Möglichkeit, sich mit dieser Frage zu befassen und entsprechende Stellungnahmen abzugeben. Der Bundesgerichtshof hat in den zwei Fällen die jeweilige Nichtzulassungsbeschwerden zurückgewiesen, also die Revision auch nicht zugelassen und zwar mit Beschluss vom 10.04.2014 zum Aktenzeichen VII ZR 68/12 und mit Beschluss vom 08.05.2014 zum Aktenzeichen VII ZR 166/13.
Dabei hat der Bundesgerichtshof dieser "Fortschreibung" deutlich einen Riegel vorgeschoben.
Der Bundesgerichtshof legt dar, dass dann, wenn die Leistung des Auftragnehmers einer kalendermäßig bestimmten Frist für die Fertigstellung durch von ihm nicht zu vertretende Umstände verzögert wird oder er durch von ihm nicht zu vertretende Umstände erst später mit der Ausführung der Leistungen beginnen kann, er nicht bereits durch den Ablauf der Frist, sondern nur durch eine Mahnung in Verzug gerät. Fehlt es an einer solchen Mahnung, kann der Auftraggeber keine Vertragsstrafe wegen Verzuges mit der Fertigstellung geltend machen, ebenso wenig einen Schadenersatz.
Die entsprechende Argumentation des Bundesgerichtshofes ist richtig und nachvollziehbar, wenn auch für die Baupraxis natürlich nicht unproblematisch.
Juristisch gesehen bedeutet Verzug die schuldhafte Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung. Lediglich dann, wenn der Zeitpunkt der Leistung nach dem Kalender bestimmt ist, ist eine Mahnung entbehrlich. Eine solche Bestimmung "dem Kalender nach" liegt bei einer Datumsangabe oder bei einer Beschreibung nach "KW" vor. Wenn aber erst später mit der Ausführung begonnen werden kann oder die Ausführung der Leistungen aufgrund Behinderung unterbrochen wird, so wäre der ursprünglich kalendermäßig bestimmte Termin ja fortzuschreiben, „um das, was insoweit aufgrund der Behinderung nicht gearbeitet werden konnte“. Genau das, was aber eben nicht gebaut werden konnte, ist ja nicht im Kalender bestimmt, sondern ergibt sich nur aufgrund weitergehender Informationen. Von daher kann eben nicht "einfach so" davon ausgegangen werden, dass die Addition des Zeitraumes auf das ursprüngliche Datum automatisch ein neues kalendermäßig bestimmtes Datum ergibt. Vielmehr handelt es sich dann nicht mehr um eine so genannte Kalenderfrist, sondern nur noch um eine "normale" Vertragsfrist, die eben nicht kalendermäßig bestimmt ist, so dass in dieser Konstellation – wie üblich – immer erst eine Mahnung zu dem Verzugseintritt erforderlich ist. Fehlt es an einer Mahnung, liegt auch kein Verzug vor.
Von daher könnte man zunächst die Auffassung vertreten, dass sich mit diesen Entscheidungen jeder Auftraggeber davon verabschieden kann, dass jemals sein Bauvorhaben auch nur ansatzweise termingerecht fertig werden wird, denn die einen oder anderen behindernden Umstände gibt es ja nun wirklich auf jeder Baustelle. Wenn der Auftraggeber nicht reagiert oder einfach nur den Bauzeitenplan fortschreibt, dann ist es in der Tat so, dass künftig ein Verzug seitens des Auftragnehmers nie eintreten wird.
Seitens des Auftraggebers ist es daher äußerst wichtig – ebenso wie für den bauleitenden Architekten –, adäquat auf Behinderungsanzeigen dahingehend zu reagieren, dass unverzüglich eine entsprechende Mahnung ausgesprochen wird. Wenn dies erledigt ist, dann kann auch nach Ablauf der Mahnfrist Verzug eintreten. Sonst aber eben nicht.
Von daher sind die beiden Entscheidungen natürlich grundsätzlich problematisch, jedoch dann, wenn Auftraggeber und Auftraggebervertreter sich entsprechend einstellen, sehr wohl „händelbar“.