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Es ist in der Praxis üblich, dass Abschlagsrechnungen regelmäßig nicht zu 100 % beglichen werden. Üblicherweise werden diese um 10 % gekürzt, sofern die Parteien des Werkvertrages nicht vereinbart haben, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt wird. Grundlage der entsprechenden Kürzungen ist dann regelmäßig § 17 VOB/B. Dieser regelt letztlich nichts anderes, als dass der vertraglich vereinbarte Gewährleistungseinbehalt "angespart" wird dadurch, dass die Abschlagsrechnungen um höchstens 10 % gekürzt werden, bis dieser vereinbarte Sicherheitseinbehalt summenmäßig erreicht ist, vgl. § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B.
Da der Auftragnehmer aber nach Abnahme der Werkleistung üblicherweise eine Gewährleistungsbürgschaft stellt und damit die getätigten Abzüge ablöst, muss in irgendeiner Art und Weise sichergestellt sein, dass die getätigten Einbehalte auch im Falle einer eventuellen Insolvenz des Auftraggebers zur Auszahlung bereit stehen. Die VOB/B regelt dazu in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B, dass der getätigte Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto bei einem vereinbarten Geldinstitut einzuzahlen ist und der Auftraggeber gleichzeitig veranlassen muss, dass dieses Geldinstitut den Auftragnehmer von der Einzahlung des Sicherheitsbetrages benachrichtigt.
Diese Regelung wird in der Baupraxis kaum angewandt, auch wenn es sich insoweit um eine Verpflichtung nach VOB/B handelt. Die meisten Auftraggeber halten sich hieran nicht, letztlich wohl schon, da es natürlich eine Menge Arbeit für jeden Auftraggeber darstellt, für jede Baustelle ein separates Sperrkonto einzurichten, zu unterhalten und im Falle der Gestellung der Gewährleistungsbürgschaft dann wieder aufzulösen.
Nun sieht die VOB/B aber in § 17 Abs. 6 Nr. 3 vor, dass dann, wenn der Auftraggeber den Einbehalt nicht binnen 18 Werktagen anlegt, der Auftragnehmer ihm zur Anlegung eine Nachfrist setzten kann und dann, wenn die Nachfrist verstreicht, er keine Sicherheit mehr zu leisten braucht – also auch keine Gewährleistungsbürgschaft – und die bislang einbehaltenen Beträge sofort auszuzahlen sind. Was aber "sofort" im Sinne dieser Vorschrift heißen soll, ist umstritten.
Fraglich ist insbesondere, wie im Rahmen der Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes denn mit vorhandenen Mängeln umzugehen ist. Werden vorhandene Mängel berücksichtigt oder nicht? Besteht insoweit also ein Zurückbehaltungsrecht oder – nach entsprechender Fristsetzung, gegebenenfalls mit Kündigungsandrohung – gar ein Schadenersatzanspruch des Auftraggebers, der dazu führt, dass der Sicherheitseinbehalt dann nicht auszuzahlen ist, bzw. sich die auszuzahlende Summe um den Schadenersatzanspruch bzw. zuvor das Zurückbehaltungsrecht reduziert?
Diese Auffassung hat den Nachteil, dass der Auftragnehmer dann, wenn der Auftraggeber Mängel nur vorschiebt, die tatsächlich nicht vorhanden sind, die Auszahlung eben nicht erhält, ohne dass es insoweit einen aufwendigen Gerichtsprozess mit der baurechtlich üblichen Länge gibt, bezogen auf die Einholung von diversen Gutachten zur Frage der Mangelhaftigkeit oder Mangelfreiheit des Gewerkes.
In diesem Zusammenhang nun hat das Landgericht München mit Urteil vom 14.05.2014 zum Aktenzeichen 24 O 24859/13 entschieden, dass "sofortige Auszahlung" im Sinne von § 17 VOB/B heißt, dass der Auftraggeber seine Zahlungen nicht wegen behaupteter Mängel in irgendeiner Art und Weise kürzen oder verweigern kann. Der Auftraggeber kann weder Zurückbehaltungsrechte, noch Schadenersatzansprüche geltend mache, da er insoweit mehrfach vertragsbrüchig geworden ist, indem er den Sicherheitseinbehalt nicht angelegt hat und dies auch trotz Nachfristsetzung nicht getan hat. Wohl gemerkt gilt diese Rechtsprechung natürlich ausschließlich für die Auszahlung des getätigten Sicherheitseinbehaltes, nicht bezüglich des restlichen Werklohnes. Aber immerhin kann der Auftragnehmer auf diese Art und Weise tatsächlich äußerst kurzfristig in einem recht schnellen Prozess ein Urteil erhalten, denn die Mängeleinwendungen des Auftraggebers, die üblicherweise Bauprozesse in massivem Umfang verzögern im Hinblick auf erforderliche Begutachtungen, bleiben ja außen vor und werden nicht berücksichtigt.
Im Hinblick darauf handelt es sich bei dieser Vorgehensweise letztlich auch um ein sehr probates Mittel, in einem schnellen und recht kostengünstigen Verfahren die Liquidität des Auftraggebers anzutesten, ehe man in den kostenträchtigen und aufwendigen Prozess hinsichtlich des gesamten restlichen Werklohns wechselt.
Anzumerken ist, dass das Urteil des Landgerichts München bisher nicht rechtskräftig ist. Insoweit werden wir Sie selbstverständlich informieren, sobald eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts München vorliegt.