30.03.2017 | Baurecht / BGB

Mängelansprüche schon vor der Abnahme?

Mängelansprüche schon vor der Abnahme?
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Grundsatzurteil des BGH vom 19.1.2017, Aktenzeichen VII ZR 301/13. Sachverhalt: Der Bauherr verlangt vom Unternehmer Vorschuss in Höhe von ca. 43.000 € für die Beseitigung von Fassadenmängel. Die Arbeiten hat der Unternehmer zwar fertiggestellt, der Bauherr hat sie aber nicht abgenommen, eben weil sie mangelhaft waren. Jetzt streiten die Parteien darüber, ob ein Kostenvorschuss bereits vor der Abnahme verlangt werden kann. Sowohl das zunächst angerufene Landgericht als auch das OLG in der Berufung haben den Anspruch des Bauherrn befürwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der BGH sah dies anders und hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Für den BGH bedarf es weiterer Sachaufklärung, bevor ein endgültiges Urteil gesprochen werden kann.
Der Anspruch auf Kostenvorschuss resultiert aus dem Recht des Bauherrn nach § 634 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach der Auftraggeber den nach der Abnahme festgestellten Mangel selbst beseitigen kann. Gemäß § 637 Abs. 3 BGB kann der Bauherr als Besteller von dem Bauunternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Kostenvorschuss verlangen.
Dieser Anspruch des Bauherrn besteht für den BGH nicht, weil diese Ansprüche vom Gesetz nur dann vorgesehen sind, wenn bereits die Bauleistung abgenommen ist. Vor der Abnahme, so der Bundesgerichtshof, hat der Bauherr nur Erfüllungsansprüche. Diese Ansprüche bestehen im Wesentlichen aus dem Anspruch auf Herstellung des Werks sowie dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, nämlich Schadensersatz, Rücktritt und Kündigung aus wichtigem Grund.
Demzufolge besteht für den Bauherrn faktisch der Zwang, die Abnahme der Bauleistung zu erklären, damit er die Mängelansprüche geltend machen kann. Dies mag im Einzelfall richtig sein, man muss sich aber einmal vorstellen, dass eine Gesamtabnahme mit einem Generalunternehmer vereinbart ist und nur eine kleine Teilleistung mangelhaft ist. Muss jetzt, damit man hinsichtlich der Teilleistung die Mängelansprüche hat, die gesamte Bauleistung abgenommen werden?
Diese gesetzgeberische Unzulänglichkeit im Bauvertragsrecht löst der Bundesgerichtshof folgendermaßen auf. Er teilt quasi die Abnahme in 2 Teilhandlungen auf, nämlich das Abnahmeangebot des Unternehmers als zur Abnahme bereite, fertiggestellte Leistung und als zweite Leistung die Willenserklärung des Bauherrn. Diese kann zum einen in der Abnahmeerklärung, zum anderen aber auch in der Ablehnungserklärung hinsichtlich der Abnahme bestehen. Wenn der Bauherr die zur Abnahme angebotene Leistung nicht abnimmt, sondern stattdessen die Mängelbeseitigung verlangt und somit nicht abnimmt, gibt er damit zum Ausdruck, dass das ursprüngliche Erfüllungsinteresse nicht mehr besteht.
Der Besteller als Bauherr verlangt in dieser Situation nicht mehr die erfüllte Bauleistung, sondern stattdessen Schadensersatz oder Minderung. Hierbei führt das Vorschuss-Verlangen des Bauherrn noch nicht zu einem Abrechnungsverhältnis, weil es den Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch des Bauherrn nicht untergehen lässt.
Dieses geht aber unter und führt stattdessen zu einem Abrechnungsverhältnis, wenn der Bauherr ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, weitere Arbeiten des Bauunternehmers am Werk unter keinen Umständen mehr zuzulassen, auch nicht für den Fall des Scheiterns der Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme.
Ob dies tatsächlich vom Bauherrn so gewollt war, konnte der BGH nicht entscheiden und hat deswegen den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zu Sachaufklärung zurückverwiesen.
Praxishinweis: Schon seit 2001, d. h. seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform und dem damit eingeführten Mängelrecht wird über die Frage gestritten, ob Mängelrechte auch bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden können. Ausgangspunkt für die Befürworter ist die Vorschrift des § 4 Abs. 7 VOB/B, die dem Auftraggeber schon während der Ausführung Mängelrechte gewährt. Diese an sich sinnvolle Regelung hat der Gesetzgeber des BGB aber nicht in das Werkvertragsrecht übernommen (und tut dies auch nicht anlässlich der jetzt wiederum anstehenden Reform des Bauvertragsrechts, welche mit Sicherheit zum 1.1.2018 in Kraft treten wird.)
Der BGH stellt fest, dass es nun einmal so ist, dass Mängelansprüche, und hierzu gehört auch der Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB, erst nach der Abnahme geltend gemacht werden können.
Erst dann, wenn zwischen den Parteien eindeutig klar ist, dass eine Nacherfüllung oder eine Weiterführung der Bauarbeiten nicht mehr infrage kommt, sondern aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis ein Abrechnungsverhältnis geworden ist, kommt es auf den Umstand, dass die Leistung abgenommen worden ist, für die Erhebung der Mängelansprüche nicht mehr an. Im vorliegenden Fall war dies aber nicht gegeben. Jedenfalls war den erkennenden Gerichten nicht klar, ob der Bauherr tatsächlich ein Abrechnungsverhältnis wollte. Die Einzelheiten galt es noch aufzuklären und deswegen hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zurück an die Instanzgerichte verwiesen.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Frank Thiele, Köln.
Bauprofessor-Redaktion
Dieser Beitrag wurde von unserer Bauprofessor-Redaktion erstellt. Für die Inhalte auf bauprofessor.de arbeitet unsere Redaktion jeden Tag mit Leidenschaft.
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