04.11.2025 | Baurecht / BGB

Formfreiheit im Bauwesen: Chancen und Risiken

Im Bauwesen gilt die Formfreiheit: Verträge können mündlich, schriftlich, digital oder durch schlüssiges Handeln geschlossen werden, sofern das Gesetz keine bestimmte Form vorschreibt. Warum mündliche Absprachen riskant sind und wie man sich davor schützen kann, erläutert der Rechtsanwalt für Bau- und Immobilienrecht Frederick Brüning-Bliddal.

Was bedeutet Formfreiheit im Bauwesen?

Auch bei Werk- und Bauverträgen gilt – wie bei allen zivilrechtlichen Verträgen – der Grundsatz der Formfreiheit. Das bedeutet, dass Werk- und Bauverträge grundsätzlich mündlich, per Fax, E-Mail, SMS oder sogar durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgeschlossen werden können, sofern das Gesetz keine besondere Form vorschreibt, wie z. B. eine notarielle Beurkundung.

Grundlagen der Formfreiheit

Insbesondere kleine und mittelständische Bauunternehmer schließen viele ihrer Verträge mündlich ab, um pragmatisch und flexibel zu agieren. Diese Praxis ist rechtlich zulässig und kann schnelle Absprachen ermöglichen. Gleichzeitig birgt sie erhebliche Risiken, insbesondere wenn es später zu Meinungsverschiedenheiten über Leistungen, Vergütung oder Vertragsinhalte kommt.
Formfreiheit bedeutet, dass Verträge grundsätzlich ohne besondere Formvorschriften geschlossen werden können. Die Parteien können ihre Absprachen beispielsweise mündlich, in Textform, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten treffen. Nach den §§ 145 ff. BGB gibt es für Angebot, Annahme oder Ablehnung eines Vertrags keine vorgeschriebene Form. Schweigen stellt in der Regel keine Willenserklärung dar und gilt rechtlich weder als Zustimmung noch als Ablehnung. Es hat also keinen Erklärungswert – unabhängig von einer bestimmten Form.
Verträge erfordern stets eine erkennbare Willenserklärung beider Seiten, damit Einigkeit und Rechtssicherheit bestehen. Eine bestimmte Form ist dafür grundsätzlich nicht nötig. Nur ausnahmsweise verlangen das Gesetz oder eine Vereinbarung der Parteien eine bestimmte Form, etwa Schriftform oder notarielle Beurkundung. Wird diese Formvorschrift dann nicht eingehalten, ist der Vertrag nach § 125 BGB in der Regel nichtig. Im Bauwesen wird die Formfreiheit rege genutzt.
Formfreiheit im Bauwesen: Chancen und Risiken
Bild: © f:data GmbH

Risiken mündlicher Verträge im Bauwesen

Gerade im Bauwesen kann es problematisch sein, wenn Verträge nur mündlich geschlossen werden. Bauprojekte sind komplex, teuer und beinhalten zahlreiche Einzelabsprachen zu Leistungen, Fristen, Materialien, Preisen und Verantwortlichkeiten. Wenn diese Vereinbarungen nur mündlich getroffen werden, besteht ein erhebliches Risiko, dass sich die Parteien später unterschiedlich daran erinnern oder bestimmte Punkte unterschiedlich auslegen.
Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten – etwa über die Qualität der Arbeit, Nachträge oder Zahlungsansprüche –, fehlt ein schriftliches Dokument, aus dem klar hervorgeht, was tatsächlich vereinbart wurde. Ohne schriftliche Vereinbarungen ist es schwer, im Streitfall nachzuweisen, welche Leistungen geschuldet waren und wer welche Verpflichtung übernommen hat. Dies kann zu langwierigen und teuren Auseinandersetzungen führen, die mit klaren schriftlichen Verträgen leicht vermeidbar wären.

Sicher handeln: schriftliche Verträge

Bauunternehmer sollten daher darauf achten, sämtliche Vereinbarungen mit Auftraggebern schriftlich oder in Textform (z. B. E-Mail) festzuhalten. Dazu gehören insbesondere der Leistungsumfang, die Vergütung, Ausführungsfristen, Zahlungsmodalitäten sowie eventuelle Zusatzleistungen oder Änderungen während der Bauphase.
Änderungen oder Zusatzaufträge sollten stets schriftlich oder in Textform bestätigt werden, bevor mit der Ausführung begonnen wird. Ein sorgfältig dokumentierter Vertrag schützt nicht nur den Auftraggeber, sondern auch den Bauunternehmer selbst vor unberechtigten Forderungen und erleichtert eine reibungslose Abwicklung des Projekts.

Fazit: Formfreiheit sinnvoll nutzen

Die Formfreiheit bietet im Bauwesen sowohl Chancen als auch Risiken. Sie ermöglicht flexible, schnelle Absprachen und eine pragmatische Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Bauunternehmern. Gleichzeitig zeigen mündliche Vereinbarungen im komplexen Baualltag erhebliche Unsicherheiten.
Um (gerichtliche) Streitigkeiten, Verzögerungen oder finanzielle Nachteile zu vermeiden, ist es daher ratsam, alle wichtigen Vereinbarungen schriftlich festzuhalten – von Leistungsumfang und Vergütung über Fristen bis hin zu Änderungen während der Bauphase.
Ein sorgfältig dokumentierter Vertrag:
  • sorgt für klare Rechtsverhältnisse,
  • schützt alle Beteiligten und
  • erleichtert die erfolgreiche Umsetzung von Bauprojekten.
Frederick Brüning-Bliddal
Ein Artikel von
  • Rechtsanwalt | zertifizierter Coach
  • Bau- und Immobilienrecht und Commercial Law
  • Dozent an der IU Internationale Hochschule für allgemeines und besonderes Wirtschaftsrecht
  • Rechtsanwaltskanzlei Frederick Brüning-Bliddal, Im Gleisdreieck 17, 23566 Lübeck
  • Tel.: 0451 6105311, Mobil: 0179 5711119
  • Web: www.kanzlei-bruening.com
  • E-Mail: info@kanzlei-bruening.com
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