05.07.2021 | VOB A

Freiheiten und Grenzen der Angebotskalkulation für öffentliche Aufträge

Freiheiten und Grenzen der Angebotskalkulation für öffentliche Aufträge
Bild: © f:data GmbH
Wer sich schon einmal auf einen öffentlichen Auftrag beworben hat, kennt die Probleme bei der korrekten Angebotskalkulation. Die Vergabekammer Westfalen hat nun in einem Nachprüfungsverfahren eines ausgeschlossenen Bieters für die Ausschreibung von Malerarbeiten im Wert von rund 200.000 Euro die Grundsätze der Angebotskalkulation klargestellt und in dem zugrundeliegenden Fall keine (in Vergabeverfahren) verbotene Mischkalkulation feststellen können.
Öffentliche Aufträge sind oftmals sehr begehrt. Die OECD schätzt das jährliche Auftragsvolumen in Deutschland auf bis zu 500 Milliarden Euro. Für einen fairen und transparenten Wettbewerb müssen sowohl Auftraggeber als auch Bieter die geltenden Regeln bei öffentlichen Ausschreibungen beachten. Im Folgenden wird das Thema der richtigen Angebotskalkulation anhand einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer Westfalen vom 16.03.2021 (Az.VK 2-11/21) erörtert.
Die Vergabekammer hatte im Rahmen eines Nachprüfungsantrags eines ausgeschlossenen Bieters zu entscheiden, ob seine Angebotskalkulation eine unzulässige Mischkalkulation enthielt und der Ausschluss nach §§ 16 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A rechtmäßig war. Zugrunde lag eine Ausschreibung von Malerarbeiten im Wert von rund 200.000 Euro im Rahmen einer Gesamtsanierung eines Schulgebäudes, dessen Auftragswert wiederum insgesamt die EU-Schwelle von 5.350.000 Euro überschritten hat, sodass das Nachprüfungsverfahren überhaupt möglich war. Der öffentliche Auftraggeber hatte der Ausschreibung von Malerarbeiten eine losweise Gliederung der Positionen im LV-Text zugrunde gelegt, weil dies für ihn die Zuordnung zu unterschiedlichen Fördermitteln erleichtern sollte. Gleichwohl sollte der Auftrag nicht losweise vergeben werden, sondern einheitlich. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.
Die Ausschreibungsunterlagen sahen vor, dass die Bieter zu drei verschiedenen Positionen in einem Freifeld einen Einheitspreis und einen Gesamtpreis eintragen mussten. Während der nach dem ausgeschlossenen Bieter nächstgünstigste Bieter in identischen Positionen unterschiedlicher Abschnitte stets denselben Einheitspreis angab, befüllte der ausgeschlossene Bieter identische Positionen unterschiedlicher Abschnitte auch bei gleichem Mengenansatz mit unterschiedlichen Einheitspreisen. Der Auftraggeber vermutete eine unzulässige Verschiebung von Preisbestandteilen und versuchte dies aufzuklären. Die Angaben des Bieters auf dem Formblatt 223 und Erläuterungen hierzu genügten dem Auftraggeber nicht, sodass er sich zu dem Ausschluss entschied.
Die Vergabekammer entschied, dass der Ausschluss zu Unrecht erfolgte. Denn nicht jede versteckte Preiszuordnung stellt eine Mischkalkulation dar, weil die Kalkulation grundsätzlich Sache des Bieters ist. Aus § 13 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A lasse sich nicht ableiten, dass jede Position des Leistungsverzeichnisses nach den gleichen Maßstäben kalkuliert und das insbesondere der für jede Position verlangte Preis mindestens den hierfür entstehenden Kosten des Bieters entsprechen müsste. Daher sei die abschnittsweise einzelne Kalkulation zulässig, insbesondere wenn hierbei Gesichtspunkte wie Urlaubsplanung und Einsatz unterschiedlich leistungsfähiger Mitarbeiter berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Aufklärung durch den Auftraggeber gelten die Angaben des Bieters grundsätzlich als brauchbar, wenn sie schlüssig und anhand darzulegender Fakten überprüfbar sind. Die Vergabekammer war der Auffassung, dass die Angaben des Bieters diesen Anforderungen entsprachen. Sie wies zudem darauf hin, dass die Leistungsbeschreibung aus vergaberechtlicher Sicht nicht hinreichend deutlich sei, sodass auch keine zu hohen Anforderungen an die Bestimmtheit der Antworten des Bieters auf die Nachfragen des Auftraggebers zu stellen seien. Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses gehen stets zu Lasten des Auftraggebers. Einerseits sei die losweise Vergabe in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden, andererseits wurden im Leistungsverzeichnis unterschiedliche Abschnitte als Lose bezeichnet, was wiederum nicht allein als Synonym für den Begriff „Abschnitt“ zu verstehen gewesen sei, sondern ausgehend von den Legaldefinitionen „Teillose“ und „Fachlose“ in § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EU VOB/A, dass die Leistung der Menge nach aufgeteilt werden soll. Anders ließe sich auch nicht erklären, weshalb jeweils der Einheitspreis anzugeben war. Denn wäre es dem Auftraggeber nur auf einen identischen Einheitspreis angekommen, hätte er diesen auch nur einmalig abfragen müssen.
Der ausgeschlossene Bieter hatte also die Positionen in der Leistungsbeschreibung zulässigerweise einzeln kalkuliert und hätte deshalb nicht ausgeschlossen werden dürfen. Durch den Ausschluss wurde er auch in seinen Rechten auf gleiche Teilnahme am Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 2 GWB verletzt. Als preisgünstigster Bieter hätte er ohne den Ausschluss den Zuschlag erhalten.
Die Vergabekammer hat daher angeordnet, dass das Vergabeverfahren auf den Stand vor Ausschluss des Bieters zurückversetzt wird. Der Auftraggeber wurde zudem verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Wertung der Angebote entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Jan-Erik Fischer
Ein Artikel von
  • Experte für Bau- und Immobilienrecht, Bankrecht und Vergaberecht
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