Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Bauunternehmer in AGB des Auftraggebers nicht zur Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet werden – eine solche Klausel benachteiligt ihn unangemessen und ist daher unwirksam. Doch das Hanseatische OLG sieht das anders. Welche Folgen das für die Baupraxis hat, schreibt Markus Cosler, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Bürgschaft auf erstes Anfordern in AGB unzulässig
Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Verpflichtung eines Bauunternehmers in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bestellers, zur Sicherung von Vertragserfüllungs- / Gewährleistungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, unwirksam ist. Der Grund: Eine solche Klausel benachteiligt den Bauunternehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam. Dies hat schon der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.04.2002 zum Aktenzeichen VII ZR 192 / 01 entschieden.
Die Konsequenz war, dass in derartigen Fällen wegen Unwirksamkeit der Regelung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bauunternehmer überhaupt keine Bürgschaft mehr stellen musste. Entsprechende vertragliche Regelungen konnte also der Bauunternehmer nicht nur gefahrlos unterschreiben – er profitierte letztlich sogar davon, da er dann ja nicht nur eine reduzierte („normale Bürgschaft“), sondern überhaupt keine Bürgschaft mehr stellen musste.

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Verbot der geltungserhaltenden Reduktion
Festgemacht wird dies am sogenannten „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“, welches bei allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich gilt. Diese Regelung sagt aus, dass dann, wenn eine unwirksame Regelung einer Vertragspartei in allgemeine Geschäftsbedingungen aufgenommen wurde, bei Unwirksamkeit dieser Regelung die Regelung insgesamt wegfällt und nicht etwa auf das noch gerade zulässige Maß reduziert wird.
Der Zweck dieser Regel ist, zu verhindern, dass eine Vertragspartei völlig risikolos einseitig vorteilhafte Klauseln in ihre AGB schreibt. Denn wenn solche Klauseln im Streitfall nicht vollständig wegfielen, sondern einfach auf das gerade noch zulässige Maß gekürzt würden, hätte die Partei nichts zu verlieren. Deshalb gilt: Wird eine AGB-Klausel für unwirksam erklärt, tritt nicht eine abgeschwächte Version in Kraft, sondern dann gilt automatisch das Gesetz.
Überraschende Entscheidung des OLG
Eine äußerst überraschende Entscheidung dazu erließ das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) mit Urteil vom 26.11.2010 zum Aktenzeichen 1 U 163 / 09.
Zwar erklärte es – wie zuvor der Bundesgerichtshof – die betreffende AGB-Klausel für unwirksam. Doch anstatt die Klausel ersatzlos zu streichen, entschied das Gericht überraschend, dass dies keine interessengerechte Lösung sei.
Es argumentierte, dass im Werkvertragsrecht zwar grundsätzlich keine Pflicht zur Stellung einer Bürgschaft besteht – die entstehende Lücke durch die unwirksame Klausel müsse aber durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Das bedeutet: Anstelle der unwirksamen Regelung soll nun die Lösung gelten, die beide Parteien vermutlich vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel von Anfang an bewusst gewesen wäre.
Daher könne unterstellt werden, dass die Parteien eben nun nicht diese Bürgschaft, wohl aber eine andere vereinbart hätten, sodass die Unternehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schulden würden und zu stellen hätten. Damit umgeht das Gericht mit seiner Argumentation der ergänzenden Vertragsauslegung klar das oben erklärte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion – nur eben unter einem anderen Namen. Auf diese Weise besteht die Gefahr, dass man in Zukunft kaum noch erreichen kann, dass eine Klausel vollständig für unwirksam erklärt wird.
Praxistipp
Als Tipp für die Arbeitnehmerseite bleibt also festzuhalten, dass Vorsicht mit der Berufung auf eine vollständige Unwirksamkeit insoweit geboten ist und man überlegen muss, ob in der Baupraxis nicht die reduzierte, normale Bürgschaft, also beschränkt auf das unbefristete selbstschuldnerische Element, nicht doch „freiwillig“ dem Besteller angeboten werden soll.