Das Liquiditätsinteresse des Handwerkers und der von Bauherrn oft geforderte Sicherheitseinbehalt für Gewährleistung stehen sich diametral entgegen. Die von Bauherrn verwendeten AGB-Klauseln zur Regelung des Sicherheitseinbehalts sind oftmals unwirksam. Insbesondere die Kumulation von Sicherheiten für die Vertragserfüllung und für die Mängelrechte kann zur Unwirksamkeit führen, wie das Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.11.2020 zeigt. Als Rechtsfolge einer solchen unwirksamen Klausel kann der Handwerker die vollständige Bezahlung des Werklohns fordern, und ggf. eine gestellte Bürgschaft zurückfordern.

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Jeder Handwerker möchte nach Abnahme des fertiggestellten Werkes möglichst schnell und vollständig den vereinbarten Werklohn bezahlt haben. Dagegen hat der Bauherr ein Interesse daran, seine potenziellen Mängelansprüche bei einer mangelhaften Werkleistung finanziell abzusichern. Verwendet der Bauherr deshalb einen Vertragstext mit AGB-Klauseln, um den Sicherheitseinbehalt für die Gewährleistung zu regeln, ist keineswegs sicher, dass diese Vertragsklausel auch wirksam ist.
Aber wann ist denn eine AGB-Klausel zur Regelung des Sicherheitseinbehalts für Mängelrechte unwirksam? Und welche Rechtsfolge ergibt sich aus einer unwirksamen AGB-Klausel?
Bereits in zahlreichen veröffentlichen Urteilen wurden solche AGB-Klauseln zum Sicherheitseinbehalt aufgrund unangemessener Benachteiligung des Handwerkers nach § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam erklärt. Einige Urteile hierzu wurden schon auf Bauprofessor.de näher thematisiert:
Die Rechtsprechung ist bei der Prüfung solcher AGB-Klauseln sehr streng, da der Sicherheitseinbehalt für Mängelrechte dem gesetzlichen Leitbild des § 641 Abs. 1 BGB widerspricht. Denn grundsätzlich steht dem Handwerker schon mit Abnahme des Werks der volle Werklohn zu. Gänzlich verfehlt wäre es aber, wenn ein Bauherr für die Vertragsgestaltung die Hilfe eines Architekten in Anspruch nehmen wollte. Hier ist zu berücksichtigen, dass Architekten keine Rechtsberatung leisten können und dürfen (BGH, Urt. v. 09.11.2023, Az. VII ZR 190/22; BGH, Urt. v. 11.2.2021, Az. I ZR 227/19).
Rechtsfolgen einer unwirksamen AGB-Klausel eines Sicherheitseinbehalts
Ohne wirksame Vereinbarung eines Sicherheitseinbehalts ist der Bauherr grundsätzlich verpflichtet, den Rechnungsbetrag vollständig zu bezahlen. Er darf keinen pauschalen Betrag als Sicherheit einbehalten. Sollte der Handwerker dennoch bereits eine Gewährleistungsbürgschaft an den Bauherrn übergeben haben und erkennt erst später die Unwirksamkeit der AGB-Klausel, so hat er einen Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaft gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB.
Hat der Bauherr zu Unrecht einen Sicherheitseinbehalt vorgenommen, welchen der Handwerker noch nicht durch eine Bürgschaft abgelöst hat, schuldet der Bauherr dem Handwerker die Auszahlung des zurückbehaltenen Werklohns zuzüglich etwaiger Verzugszinsen, gem. §§ 286, 288 BGB.
Es ist grundsätzlich richtig, wenn der Handwerker in seiner Schlussrechnung den ausstehenden Werklohn ohne Abzug eines Sicherheitseinbehalts ausweist und den Bauherrn zur vollständigen Bezahlung des Rechnungsbetrags auffordert und damit den Verzug bei nicht fristgerechter Bezahlung auslöst. Einen etwaigen Sicherheitseinbehalt muss der Bauherr selbst geltend machen. Hinsichtlich der Umsatzsteuer bei der Soll-Besteuerung kann der Betrag des Sicherheitseinbehalts als uneinbringlich behandelt werden (vgl. BFH, Urt. v. 24.10.2013, V R 31/12, BStBl 2015 II S. 674, Umsatzsteueranwendungserlass Nr. 17.1 Abs. 5 S. 3 sowie „Steuerberichtigung beim Sicherheitseinbehalt").
Neueres Beispiel unwirksamer AGB-Klauseln zum Sicherheitseinbehalt
Grundsätzlich ist die Unwirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsbestimmung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB gegeben, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender seine eigenen Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urt. v. 30.03.2017, Az. VII ZR 170/16 Rn. 17 m.w.N.; BGH, Urt. v. 16.07.2020, Az. VII ZR 159/19, Rn. 23).
In einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.11.2020 (Az. 5 U 354/19) wurden folgende Klauseln von Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) für unwirksam erachtet:
„Sicherheit für die Vertragserfüllung ist in Höhe von 5 v. H. der Auftragssumme zu leisten, sofern die Auftragssumme 250.000 € ohne Mehrwertsteuer beträgt. Die für Mängelansprüche zu leistende Sicherheit beträgt 5 v. H. der Auftragssumme, einschließlich erteilter Nachträge. Rückgabezeitpunkt für eine nicht verwertete Sicherheit für Mängelansprüche (§ 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B): Nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Stellt der Auftragnehmer die Sicherheit für die Vertragserfüllung nicht binnen 18 Werktagen nach Vertragsabschluss her (Zugang des Auftragsschreibens), weder durch Hinterlegung noch durch Vorlage einer Bürgschaft, so ist der Auftraggeber berechtigt, Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist. Nach Abnahme und Erbringung aller bis dahin erhobenen Ansprüche, einschließlich Schadensersatz, kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine Mängelansprüchesicherheit umgewandelt wird. (…) Für die Vertragserfüllung und die Mängelansprüche kann Sicherheit wahlweise durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch Bürgschaft geleistet werden. (…) Wird Sicherheit durch Bürgschaft geleistet, ist dafür das jeweilige Formblatt des Vergabe- und Vertragshandbuchs für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) zu verwenden, und zwar für – die Vertragserfüllung das Formblatt 421; – die Mängelansprüche das Formblatt 422. (…)“
Im Formblatt 421 heißt es unter anderem: „(…) Nach den Bedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer Sicherheit für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung, einschließlich Erfüllung der Mängelansprüche zu leisten. Er leistet Sicherheit in Form dieser Bürgschaft.“
In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) heißt es: „(…) Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung, einschließlich Abrechnung, Mängelhaftung und Schadensersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen, einschließlich Zinsen. (…) Die Sicherheit für Mängelhaftung erstreckt sich auf die Erfüllung aus Mängelhaftung, einschließlich Schadensersatz.“
Nach Ansicht des Gerichts stellten die Klauseln eine unangemessene Benachteiligung dar, weil durch die Kumulation der Sicherheiten eine potenzielle Übersicherung vorliegt und die Rechtsprechung des BGH eine Sicherungsobergrenze von 5 % der Abrechnungssumme herausgebildet hat. Denn diese Klauseln können so verstanden werden, dass sowohl die Vertragserfüllungs-, als auch die Gewährleistungssicherheit die Mängelansprüche für die Zeit nach der Abnahme absichern soll. Ferner kann die Sicherungsabrede so verstanden werden, dass sich der zeitliche Anwendungsbereich beider Sicherheiten überschneidet.
Selbst wenn also auf den ersten Blick eine Vertragsklausel zur Sicherung der Vertragserfüllung und eine weitere für die Gewährleistung vorliegt, die jeweils für sich genommen wirksam wären, so kann das gesamte Klauselwerk in der Gesamtschau zu einer unangemessenen Benachteiligung führen und deshalb unwirksam sein.