Baukalkulation / Angebot / Nachträge

Preisuntergrenzen - mehrstufig

Die Preisuntergrenze lässt sich für ein Angebot bzw. Bauauftrag als Differenz zwischen Angebotssumme (ohne Umsatzsteuer) und dem Deckungsbeitrag (als Summe aus Gemeinkosten sowie W&G) berechnen.
Da mit der Kalkulation sowohl die Deckungsbeiträge stufenweise ermittelt vorliegen als auch die Aussagen zu den verschiedenen Kostenkomplexen wie Einzelkosten der Teilleistungen (EKT) und Allgemeine Geschäftskosten (AGK) sowie Baustellengemeinkosten (BGK sogar in der Differenzierung nach bauzeitunabhängigen und bauzeitabhängigen BGK), kann und sollte analog wie für die Deckungsbeiträge auch für Preisuntergrenzen eine mehrstufige Betrachtung erfolgen und darüber wie folgt Aussagen getroffen werden:
Angebotssumme (ohne Umsatzsteuer)
./. Wagnis und Gewinn (W&G)
= Preisuntergrenze I
./. Allgemeine Geschäftskosten (AGK)
= Preisuntergrenze II
./. Baustellengemeinkosten (BGK-bauzeitabhängig)
= Preisuntergrenze III
./. Baustellengemeinkosten (BGK-bauzeitunabhängig)
= Preisuntergrenze IV
Die Preisuntergrenze I verzichtet auf die Deckung von W&G. Das ist von Interesse für Angebote zu kurzfristigen Zusatzaufträgen und zwar vor allem dann, wenn die bereits vorliegenden Bauaufträge die geplante Jahres-Soll-Leistung bzw. geplante Kapazität bereits sichert. Sie wird durchaus jetzt auch wegen der gegenwärtigen Baupreissituation und Beschäftigungssituation praktische Bedeutung haben.
Die Preisuntergrenze II verzichtet auf die Deckung von W&G sowie AGK, wobei jeweils auch nur ein teilweiser Verzicht u. a. Mischungen im Verzicht möglich sind.
Dieser Verzicht wäre nur andenkenswert, wenn die AGK als typische Fixkosten durch andere
  • entweder zusätzliche Bauaufträge gedeckt werden und/oder
  • vorliegende Bauaufträge den Verzicht von AGK infolge von absoluten Einsparungen kompensieren.
Liegt die Gewinnschwelle im Bauunternehmen niedriger als der Soll-Umsatz, so können zusätzliche Aufträge (in der Regel mit kurzen Bauzeiten) durchaus unter Verzicht bzw. teilweisen Verzicht der Deckung von Gemeinkosten als fixen Kosten kalkuliert, angeboten und vertraglich gebunden werden. Dadurch kann das Bauunternehmen wesentlich günstiger anbieten und ggf. seine geplanten Umsätze erreichen bzw. die Beschäftigungslage stabil halten. Das gilt aber nur so lange, wie die Gewinnschwelle für das Gesamtunternehmen bzw. die Summe aller Bauaufträge nicht unterschritten wird. Anderenfalls wären Substanzverluste die Folge. Deshalb sollte die Betrachtung von Preisuntergrenzen nicht nur für den einzelnen Auftrag erfolgen, sondern den gesamten Aufträgen sowie dem Gesamterfolg des Bauunternehmens zugewandt werden. Wichtig ist, dass durch die Gesamtheit der Aufträge die Fixkosten gedeckt bleiben.
Die Preisuntergrenze III ist mit gleicher Aussage wie die PU II zu sehen, wenn der bauzeitabhängige Anteil der BGK wiederum durch andere Aufträge kompensiert werden kann.
Bedeutung kommt der PU III evtl. auch noch zu, wenn bisher als Eigenleistung geplante Bauleistungen nachträglich noch an einen Nachunternehmer übertragen werden. Dann soll möglichst keine Gewinnschmälerung und keine Unterdeckung von Gemeinkosten beim Vergebenden eintreten. Der Weitervergabepreis richtet und errechnet sich allgemein aus den maximal eingesparten eigenen Kosten. Dies dürfte die PU III oder ggf. die PU II sein.
Die Preisuntergrenze IV stellt die absolute Untergrenze dar. Sie besitzt eigentlich nur eine rechnerische und theoretische Bedeutung für Angebote. Zu dieser Höhe erübrigt sich eigentlich die eigene Bauausführung.
Bedeutung hat sie jedoch für einen Vergleich von Angebotskalkulationen ähnlicher Aufträge. Dann gilt wiederum die Aussage, dass das Angebot mit der niedrigeren PU IV das wirtschaftlich günstigere ist.
Über die Fixkosten und Deckungsbeiträge abgeleitete Preisuntergrenzen können und sollten nur in außergewöhnlichen Fällen den Angebotspreis bilden. Dies kann nur dann akzeptabel sein, wenn dadurch die Existenz des Unternehmens nicht untergraben wird. Der Bauunternehmer muss seine Festlegungen für die Kalkulation so treffen, um mit einem niedrigen Angebotspreis beim Bauauftrag zum Zuge zu kommen, aber dabei in der Baudurchführung noch einen Gewinn zu erarbeiten. Unterschreitet der Bieter mit dem Angebot jedoch die tatsächlichen Kosten in erheblichem Maße, so liegt sicher ein unangemessener Preis bzw. sogar ein Unterangebot vor. In solchen Fällen kann er ggf. nach VOB, Teil A, § 16 Abs. 6, Nr. 3 von der Wertung ausgeschlossen werden.

Beispiel-Rechnung: Bestimmung von Preisuntergrenzen

Zunächst wurde der Bauauftrag für das Angebot nach Vollkosten wie folgt kalkuliert:
Einzelkosten der Teilleistungen (EKT)
- Lohnkosten350.000
- Stoffkosten250.000
- Fremdleistungen100.000
Summe EKT700.000
+Baustellengemeinkosten (BGK)
bauzeitabhängig:(90.000€)
- Aufsichtsgehälter Polier und Bauleiter40.000
- Gerätekosten (100.000 €)
AfA/Verzinsung (50 %)
50.000
bauzeitunabhängig:(60.000€)
- Reparaturkosten (30 %)30.000
- Betriebsstoffe (20 %)20.000
- Aufsichtsgehälter Polier und Bauleiter40.000
Summe BGK150.000
=Herstellkosten (HK)850.000
+Allgemeine Geschäftskosten (AGK)100.000
=Selbstkosten950.000
+Wagnis und Gewinn50.000
=Angebotspreis (ohne Umsatzsteuer)1.000.000

Aus der Angebotskalkulation lassen sich nun die verschiedenen Preisuntergrenzen bestimmen:
Angebotssumme (ohne Umsatzsteuer)1.000.000
Wagnis und Gewinn (W&G)-50.000
Preisuntergrenze I=950.000
Allgemeine Geschäftskosten (AGK)-100.000
Preisuntergrenze II=850.000
Baustellengemeinkosten (BGK - bauzeitabhängig)-90.000
Preisuntergrenze III=760.000
Baustellengemeinkosten (BGK - bauzeitunabhängig)-60.000
Preisuntergrenze IV=700.000
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