Je nach ihrer jeweiligen Funktion übernehmen auch Architekten Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen. Wann genau dieser Fall eintritt, erläutert Rechtsanwalt Frederick Brüning-Bliddal im fünften Teil unserer Serie zu strafrechtlichen Risiken in der Baubranche.
Sekundäre Verkehrssicherungspflichten
Wie alle an einer Baustelle Beteiligten haftet der Architekt auch gegenüber Dritten innerhalb des von ihm übernommenen Aufgabenbereichs aus Delikt gem. § 823 BGB. Einer sogenannten primären Verkehrssicherungspflicht wie der Bauunternehmer unterliegt er allerdings nur dann, wenn ihm Planungsfehler unterlaufen sind oder wenn er selbst Maßnahmen an der Baustelle veranlasst hat, die sich als Gefahrenquelle erweisen können.
Die Verkehrssicherungspflicht obliegt bei Bauwerken zunächst dem Bauunternehmer, der das Werk errichtet und der zuvorderst für die Baustellensicherheit die Verantwortung zu übernehmen hat. Ausschließlich an ihn richten sich auch die Unfallverhütungsvorschriften seiner Berufsgenossenschaft, um die Mitarbeiter vor den typischen Gefahren des jeweiligen Gewerbes zu bewahren.
Die Verkehrssicherungspflicht trifft aber auch den Architekten. Dieser trägt eine Mitverantwortung dafür, dass das Gewerk ordnungsgemäß und sicher errichtet wird. Den Architekten treffen daher insbesondere die sogenannten sekundären Verkehrssicherungspflichten. Ihn trifft allerdings nicht die Verpflichtung, allzeit auf der Baustelle anwesend zu sein. Es ist vielmehr ausreichend, wenn er die Gewerke in angemessener und zumutbarer Weise überwacht und sich durch häufiges Kontrollieren Vergewisserung in der Hinsicht verschafft, dass eine sachgerechte Erledigung seiner Anweisung erfolgt. Für ihn besteht eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht nur dann, wenn eine kritische Baumaßnahme gegeben ist, die ihrerseits mit einem hohen Risiko verbunden ist.
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Architekt darf die Augen nicht verschließen
Selbst verkehrssicherungspflichtig ist der mit der Bauleitung betraute Architekt dann, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass der Bauunternehmer über nicht ausreichende Sachkunde oder Zuverlässigkeit verfügt bzw. Gefahrenquellen nicht realisiert. Damit hat der Architekt auf Gefahren zu achten und darf seine Augen nicht verschließen, um jeglichem Haftungsrisiko auszuweichen.
Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Architekten
Um den genauen Inhalt und Umfang der Sicherungspflicht zu bestimmen, müssen die übernommenen Aufgaben (z. B. Genehmigungsplanung, Statik, Bauüberwachung) im konkreten Fall genau betrachtet werden. Die Verkehrssicherungspflicht des Architekten besteht u. a. darin, dass technische Regeln und behördliche Vorschriften bei der Herstellung des Bauwerks eingehalten werden.
Übernimmt der Architekt auch die örtliche Bauaufsicht, kann es zu einer Überschneidung mit dem Pflichtenkreis des Bauunternehmers kommen. In praktischer Hinsicht übernimmt der Architekt damit auch die Absicherungspflicht der Baustelle und die Überwachung von den Baustelleneinrichtungen.
Die primäre Verkehrssicherungspflicht betrifft die baulichen Maßnahmen, die der Architekt auf der Baustelle selbst veranlasst hat und aus der sich Gefahren ergeben können. Ganz unabhängig davon, ob die Erteilung des Auftrags selbst Gefahren für andere begründet oder aus ihr resultierende Gefahren von vornherein nicht ausgeschlossen werden können. Gleiches gilt für Gefahren, die sich aus einer mangelhaften Planung ergeben und daher Zurechnungsgrund der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Gefahrenquelle sind.
Fazit
Auch den Architekten treffen – abhängig von seiner jeweiligen Funktion – Verkehrssicherungspflichten. Wenn der Architekt für die Bauleitung oder Objektüberwachung zuständig ist, trägt er die Verantwortung für die Sicherheit, soweit er selbst Bau- oder Planungsmaßnahmen veranlasst. Ganz regelmäßig trifft den Architekten allerdings neben dem primär haftenden Bauunternehmer eine sogenannte sekundäre Verkehrssicherungspflicht in Gestalt der Bauüberwachung, infolge derer er von ihm erkennbare, baustellentypische Gefahrenstellen zu beseitigen hat.