Wann liegt ein Sachmangel vor – und darf ein Unternehmer ohne Zustimmung von der vereinbarten Leistung abweichen? Warum auch geringfügige oder gleichwertige Änderungen rechtlich problematisch sein können, erläutert Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Markus Cosler.
Abweichung von der Leistung – auch ohne Zustimmung?
Die Frage, ob jede Abweichung von der vertraglich vereinbarten Leistung einen Sachmangel darstellt, betrifft eine scheinbare Selbstverständlichkeit – die im Baualltag jedoch längst nicht überall verinnerlicht ist. Dabei gilt: Bereits geringfügige Änderungen ohne Zustimmung des Auftraggebers können rechtlich als Mangel gewertet werden.
In einem entscheidenden Fall hatte eine Kirchengemeinde u. a. die Erneuerung eines Daches auf dem Kirchengebäude ausgeschrieben. Dabei wurde ein bestimmtes Schiefermaterial „a“ vereinbart, welches der Auftraggeber als Fabrikat ausdrücklich angegeben hatte. Während der Ausführung verlangte der Auftragnehmer, ohne die Kirchengemeinde darüber zu informieren, das Schiefermaterial „b“. Als der bauleitende Architekt dies zufällig erfährt, fordert er vom Unternehmer mehrfach den Austausch des verwendeten Schiefers gegen den vertraglich vereinbarten Schiefer, und als dies nicht geschieht, wird das Vertragsverhältnis gekündigt.
Im Wege der Ersatzvornahme wurde das Schiefermaterial dann ausgetauscht. Die Kirchengemeinde rechnet gegen den Werklohnanspruch mit Mangelbeseitigungskosten, Architektenaufwendungen und Gerüstkosten auf.

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Anspruch auf Austausch und Kostenerstattung
Das Oberlandesgericht Koblenz verweist – völlig zu Recht und in Einklang mit der absolut herrschenden Rechtsprechung – darauf, dass mit der Vereinbarung einer bestimmten Schiefersorte eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde und der Unternehmer nicht berechtigt gewesen ist, hiervon abzuweichen. Ob und inwieweit das alternative Schiefermaterial „gleichwertig“ sei oder nicht, sei hiervon unerheblich. Dem Auftraggeber steht die Wahl des Materials, welches verbaut werden soll, im Wesentlichen völlig frei.
Wenn der Auftragnehmer absichtlich von der vertraglich vereinbarten Leistung abweicht, kann er sich nicht darauf berufen, dass die Mangelbeseitigung für den Auftraggeber mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn der Auftraggeber sich treuwidrig verhält – also zum Beispiel Nachbesserung verlangt, obwohl der Aufwand im Verhältnis zum Mangel völlig überzogen wäre.
Hat der Unternehmer jedoch vorsätzlich gegen den Vertrag verstoßen, wie im geschilderten Fall, ist dieser Einwand ausgeschlossen. Der Auftraggeber durfte daher den Austausch des falschen Schiefers verlangen und hatte Anspruch auf Ersatz der dafür entstandenen Architekten- und Gerüstkosten.
Kein Schutz bei vorsätzlichem Vertragsverstoß
Ein unredlicher Unternehmer geht also keinesfalls „straffrei“ aus. Jede Abweichung, sei sie auch noch so scheinbar unerheblich, stelle einen Sachmangel dar, auf die Gleichwertigkeit komme es nicht an. Zwar könne der Unternehmer grundsätzlich den Einwand der Unverhältnismäßigkeit erheben, auf diesen könne er sich aber nur berufen, wenn er nicht bewusst und gewollt und ohne jeglichen Grund von der Vereinbarung abgewichen sei.
„Für die Praxis ist es daher extrem wichtig, dass sich die Vertragsparteien über Leistungsänderungen ausdrücklich und beweisbar verständigen. Der Unternehmer muss den Auftraggeber vorher fragen und sein Einverständnis einholen, bevor er von der vertraglichen Vereinbarung abweicht.“