31.05.2012 | Vorschriften / Gesetze

Wann liegt ein Mangel vor?

Wann liegt ein Mangel vor?
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Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20.08.2009 zum Aktenzeichen 1 U 295/09 hat dieses sich mit einer eigentlichen Selbstverständlichkeit befassen müssen. Dies zeigt jedoch, dass sich diese scheinbare Selbstverständlichkeit offensichtlich im täglichen Bewusstsein der Baubeteiligten noch nicht durchgesetzt hat. Die Entscheidung könnte übertitelt werden mit den Worten „Jede Abweichung von der vereinbarten Leistung stellt einen Sachmangel dar!“.
In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Kirchengemeinde u. a. die Erneuerung eines Daches auf dem Kirchengebäude ausgeschrieben. Dabei wurde ein bestimmtes Schiefermaterial „a“ vereinbart, welches der Auftraggeber als Fabrikat ausdrücklich angegeben hatte. Während der Ausführung verlangte der Auftragnehmer, ohne die Kirchengemeinde darüber zu informieren, das Schiefermaterial „b“. Als der bauleitende Architekt dies zufällig erfährt, fordert er vom Unternehmer mehrfach den Austausch des verwendeten Schiefers gegen den vertraglich vereinbarten Schiefer und als dies nicht geschieht, wird das Vertragsverhältnis gekündigt.
Im Wege der Ersatzvornahme wurde das Schiefermaterial dann ausgetauscht. Die Kirchengemeinde rechnet gegen den Werklohnanspruch mit Mangelbeseitigungskosten, Architektenaufwendungen und Gerüstkosten auf.
Das Oberlandesgericht verweist – völlig zu Recht und in Einklang mit der absolut herrschenden Rechtsprechung – darauf, dass mit der Vereinbarung einer bestimmten Schiefersorte eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde und der Unternehmer nicht berechtigt gewesen ist, hiervon abzuweichen. Ob und inwieweit das alternative Schiefermaterial „gleichwertig“ sei oder nicht, sei hiervon unerheblich. Dem Auftraggeber steht die Wahl des Materials, welches verbaut werden soll, im Wesentlichen völlig frei. Weicht der Auftragnehmer dann auch noch vorsätzlich, also absichtlich, von der vertraglichen Vereinbarung ab, so kann er sich noch nicht einmal darauf berufen, dass der Auftraggeber den Austausch nur mit extrem hohem Aufwand betreiben könne, der unverhältnismäßig sei. Erst wenn das Verhalten des Auftraggebers sich unter Abwägung sämtlicher Interessen insbesondere der Nacherfüllung im Vergleich zum Mangelbeseitigungsaufwand als treuwidrig darstellen würde, könne sich der Unternehmer auf die Unverhältnismäßigkeit berufen. Handele der Unternehmer jedoch schuldhaft, wie hier sogar absichtlich, dann könne er sich gar nicht auf die Unverhältnismäßigkeit berufen. Daher hatte auch der Auftraggeber vorliegend Anspruch auf Beseitigung des bereits verlegten Schiefers und Neuverlegung, auf Ersatz der Architektenkosten für die neue Ausschreibung und der Gerüstkosten bis zur Beendigung der Nachbesserungsmaßnahmen.
Ein unredlicher Unternehmer geht also keinesfalls „straffrei“ aus. Jede Abweichung, sei sie auch noch so scheinbar unerheblich, stelle einen Sachmangel dar, auf die Gleichwertigkeit komme es nicht an. Zwar könne der Unternehmer grundsätzlich den Einwand der Unverhältnismäßigkeit erheben, auf diesen könne er sich aber nur berufen, wenn er nicht bewusst und gewollt und ohne jeglichen Grund von der Vereinbarung abgewichen sei. Für die Praxis ist es daher extrem wichtig, dass sich die Vertragsparteien über Leistungsänderungen ausdrücklich und beweisbar verständigen. Der Unternehmer muss den Auftraggeber vorher fragen und sein Einverständnis einholen, bevor er von der vertraglichen Vereinbarung abweicht.
Markus Cosler
Ein Artikel von
  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Lehrbeauftragter für Nachtragsmanagement an der FH Aachen
  • Kanzlei Delheid Soiron Hammer, Aachen
  • Web: www.delheid.de
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