Eine Freistellungsbescheinigung ist in Verbindung mit der Bauabzugsteuer nach den Regelungen der §§ 48 bis 48d im Einkommensteuergesetz (EStG) zu betrachten. Bei Rechnungen über Bauleistungen ist die Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % der mit Rechnung belegten Vergütung durch den Auftraggeber (AG) als Leistungsempfänger vor Zahlung abzuziehen, wenn das leistende Bauunternehmen keine Freistellungsbescheinigung vorlegen kann bzw. Freigrenzen überschritten werden. Spezielle Aussagen zur Freistellungsbescheinigung treffen § 48b im EStG sowie hierzu ergänzende Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 zum „Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen“, das frühere Schreiben ersetzt und Aussagen aktualisiert. Gewährung und Ausstellung der Freistellungsbescheinigung
Danach wird die Freistellungsbescheinigung durch das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt auf Antrag unter der Steuernummer ausgestellt, die an den jeweiligen Leistenden für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vergeben wurde. Bei einer Arbeitsgemeinschaft (Bau-ARGE) oder Personengesellschaft gilt das Finanzamt, das für die Umsatzsteuer zuständig ist. Der Antrag bedarf keiner Form. Ggf. verlangt das Finanzamt Angaben vom Leistenden mittels eines Fragebogens. Eine Freistellung ist einem Leistenden mit Wohn- bzw. Geschäftssitz im Inland zu gewähren, wenn
der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint und
sichergestellt ist, dass der Leistende seine steuerlichen Pflichten im Inland ordnungsgemäß erfüllt.
Eine Gefährdung kann neben gesetzlichen Versagungsgründen auch vorliegen, wenn nach Tz. 1.4.1 (Rand-Nr. 32) z. B. nachhaltig oder wiederholt Steuerrückstände bestehen oder 3 Monate vor Antragstellung bestanden haben.
Liegen keine Versagungsgründe vor, wird die Freistellungsbescheinigung auf amtlichen Vordruck erteilt. Sie kann auf eine bestimmte Zeit bzw. einen Gültigkeitszeitraum befristet werden. Für einen bestimmten Auftrag ist sie längstens für einen Zeitraum von 3 Jahren zu erteilen. Sofern der Leistende dem Finanzamt erstmals bekannt ist, soll die Bescheinigung nach Tz. 1.4.1 im o. a. BMF-Schreiben nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmalig beurteilt werden kann, was grundsätzlich spätestens 1 Jahr nach Antragstellung möglich sein wird.
An eine Bau-ARGE wird in der Regel eine Freistellungsbescheinigung nur erteilt, wenn auch an die an ihr beteiligten Gesellschafter vom jeweiligen Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde.
Vorlage der Freistellungsbescheinigung an den Leistungsempfänger
Vom Leistenden ist die Freistellungsbescheinigung dem Leistungsempfänger vorzulegen. Hierfür genügt eine Kopie oder elektronische Übermittlung, soweit sie nicht nur auf einen bestimmten Auftrag beschränkt ist.
Der Bauunternehmer als Leistender ist zugleich verpflichtet, seinen Auftraggeber über eine evtl. vom zuständigen Finanzamt vorgenommene Änderung in Bezug auf eine vorgelegte Freistellungsbescheinigung zu informieren und dies unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
Prüfung durch den Leistungsempfänger
Die Gültigkeit einer Freistellungsbescheinigung des Leistenden kann und sollte vom Leistungsempfänger vor Zahlungen durch elektronische Abfrage über die beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unter https://eibe.bff-online.de/eibe gespeicherten Freistellungsbescheinigungen oder durch Nachfrage beim auf der Bescheinigung angegebenen Finanzamt geprüft werden. Die Freistellung hat sich in den letzten Jahren zum Standardverfahren entwickelt. Die Leistenden erhielten überwiegend eine Bescheinigung. Die Auftraggeber vergeben meisten keine Bauaufträge an Bauunternehmen, die nicht über eine Freistellungsbescheinigung verfügen und diese nicht bereits zum Vertragsabschluss vorlegen können.
Abgrenzung zur Bescheinigung zur Steuerschuldnerschaft
Zu unterscheiden ist die Freistellungsbescheinigung zur Bauabzugsteuer von der Bescheinigung zur Steuerschuldnerschaft mit Bezug auf § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG). Ist der Bauleistungsempfänger - meistens der General- bzw. Hauptunternehmer zu Bauleistungen, die ihm ein Nachunternehmer (NU) zum Netto-Betrag in Rechnung stellt - Steuerschuldner für die Umsatzsteuer, kann ihm das zuständige Finanzamt für die Besteuerung seiner Umsätze auf Antrag eine im Zeitpunkt der Ausführung der Leistungen bzw. des Umsatzes gültige Bescheinigung nach Vordruck erteilen.