Steuern

Bauabzugsteuer

Für die Bauabzugsteuer zu Bauleistungen sind als Regelungen maßgebend:
  • im Einkommensteuergesetz (EStG) die §§ 48 bis 48d im Abschnitt VII und
  • ergänzend das BMF-Schreiben vom 19. Juli 2022 zum „Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachten Bauleistungen“, das Aussagen in vorherigen Schreiben aus den Jahren 2002 bis 2004 ersetzt und anpasst.
Die Bauabzugsteuer wurde 2002 eingeführt. Ausgangspunkt dafür war das Ziel, illegale Betätigung im Baugewerbe einzudämmen.

Steuerabzug durch Leistungsempfänger

Nach den Vorschriften unterliegen Vergütungen für Bauleistungen der Bauabzugsteuer nach § 48 Abs. 1 im EStG, die im Inland gegenüber
  • einem Unternehmen im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) oder
  • einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden.
Der Steuerabzug ist von den unternehmerisch tätigen Auftraggebern von Bauleistungen als Leistungsempfänger vorzunehmen. Als Leistungsempfänger gelten innerhalb des Baugewerbes beispielsweise auch Generalunternehmer (GU) bzw. Hauptunternehmer (HU), wenn sie Bauleistungen zur Ausführung weiter an Nachunternehmer (NU) vergeben und die erbrachte Bauleistung empfangen.

Leistende bei Bauabzugsteuer

Als Leistender gilt der Auftragnehmer, der die Vergütung für eine Bauleistung abrechnet, auch dann, wenn er die Leistung nicht selbst erbracht hat. Folglich ist dann auch der Nachunternehmer (NU) Leistender, wenn er eine vom General- bzw. Hauptunternehmer beauftragte Bauleistung ausführt und die Vergütung darüber in Rechnung stellt. Unwichtig ist dabei auch, ob der Leistende im Inland oder Ausland ansässig ist.
Leistender kann auch eine Arbeitsgemeinschaft (Bau-ARGE) sein. Demgegenüber stellt die Abrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit den Eigentümern keine Abrechnung im obigen Sinn dar.

Höhe des Steuerabzugs

Die Höhe des Steuerabzugs beträgt 15 % der Gegenleistung für Rechnung des die Bauleistung erbringenden Unternehmens als Leistender.
Der Steuerabzug muss nicht vorgenommen werden, wenn der Leistende
  • dem Leistungsempfänger eine gültige, vom Finanzamt des Leistenden ausgestellte Freistellungsbescheinigung vorlegt oder
  • die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr von 5.000 € bzw. bei Vermietung von 15.000 € als Freigrenzen nicht übersteigt.

Prüfung und Verfahren durch den Leistungsempfänger

Durch den Auftraggeber als Leistungsempfänger ist zu prüfen, ob der Leistende eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegen kann. Ist dies der Fall, erfolgt kein Steuerabzug bzw. ist der Leistungsempfänger als Rechtsfolge vom Steuerabzug befreit.
Ist ein Steuerabzug von 15 % des Bruttorechnungsbetrages verpflichtend vorzunehmen, ist vom Leistungsempfänger folgendermaßen zu verfahren:
  • Anmeldung bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Bauleistung erbracht wurde, mit amtlich vorgeschriebener Steueranmeldung (bei verspäteter Abgabe der Anmeldung kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzen),
  • Berechnung des Steuerabzugs für den Anmeldezeitraum,
  • Fälligkeit des Abzugsbetrags bis 10. Tag nach Ablauf des Anmeldezeitraums,
  • Haftung des Leistungsempfängers für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag,
  • Abführung an das für den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden,
  • Abrechnung des Steuerabzugs gegenüber dem Leistenden mit Angaben nach § 48a Abs. 2 im EStG (mit Höhe des Abzugs und Anmeldung bei Finanzamt),
  • Abzugsbetrag wird angerechnet auf die zu zahlenden Steuern des Leistenden.

Bauleistungen bei Bauabzugsteuer

Grundlage für die Bauabzugsteuer sind ausschließlich Bauleistungen. Als solche gelten nach Tz. 1. 1 im o. a. BMF-Schreiben alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Definition entspricht der Aussage in der Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV vom 28. Oktober 1980 in BGBl. I, S. 2033 und letzter Änderung vom 20. Dezember 2011) in Verbindung mit § 101 Abs. 2 im Sozialgesetzbuch (SGB) III, und zwar im Sinne der Vorschriften über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft.
Danach ist der Begriff des Bauwerks weit auszulegen und weder auf Gebäude noch allgemein auf unbewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt. Beispielsweise rechnen auch dazu, mit dem Erdboden verbundene oder aus Baustoffen, mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen wie Straßen, Versorgungsleistungen u. a.
Zu den Bauleistungen bei der Bauabzugsteuer gehören weiterhin auch
  • Einbau von Fenstern, Türen, Rolltreppen, Heizungsanlagen, Lichtwerbeanlage, Dachbegrünung u. a., wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind,
  • Einrichtungsgegenstände wie Ladeneinbauten, Gaststätteneinrichtungen u. a.,
  • Installation einer Photovoltaikanlage an oder auf einem Gebäude,
  • künstlerische Leistungen an Bauwerken, die sich unmittelbar auf die Substanz auswirken.
Nicht unter den Steuerabzug fallen beispielsweise folgende Leistungen:
  • ausschließlich planerische Leistungen, z. B. von Statikern, Architekten, Prüfingenieuren, Vermessungsingenieuren, 
  • reine Leistungen zur Bauüberwachung, Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben, Prüfung von Bauabrechnungen u. a.
  • Arbeitnehmerüberlassung gilt nicht als Bauleistung,
  • Materiallieferungen, z. B. durch Baustoffhändler, Baumärkte,
  • Anliefern von Beton (ohne anschließendes Verarbeiten) und Stellung der Betonpumpe,
  • Zurverfügungstellung von Baumaschinen und Geräten (ohne Bedienungspersonal),
  • Entsorgung von Baumaterialien (Schuttabfuhr durch Abfuhrunternehmer),
  • Aufstellen von Messeständen, Gerüstbau, Material- und Bürocontainern, mobilen Toilettenhäusern u. a.,
  • Anlegen von Bepflanzungen (ohne Dachbegrünung) und deren Pflege,
  • reine Wartungsarbeiten an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken.

Vorlage einer Freistellungsbescheinigung

Bei Vorlage einer Freistellungsbescheinigung des Leistenden entfällt der Steuerabzug. Der Leistende kann bei seinem Finanzamt nach § 48b EStG beantragen, bei einer Bau-ARGE oder Personengesellschaft beim Finanzamt, das für die Umsatzsteuer zuständig ist. Der Antrag bedarf keiner Form.
Die Freistellungsbescheinigung ist zu gewähren, wenn der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint und der Leistende seine Steuerpflichten im Inland ordnungsgemäß erfüllt. An eine Bau-ARGE wird in der Regel eine Freistellungsbescheinigung nur erteilt, wenn auch an die an ihr beteiligten Gesellschafter vom jeweiligen Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde.
Die Freistellungsbescheinigung wird auf amtlichen Vordruck erteilt, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Sie kann auf eine bestimmte Zeit bzw. einen Gültigkeitszeitraum befristet werden. Für einen bestimmten Auftrag ist sie längstens für einen Zeitraum von 3 Jahren zu erteilen. Sofern der Leistende dem Finanzamt erstmals bekannt ist, soll die Bescheinigung nach Tz. 1.4.1 im o. a. BMF-Schreiben nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmal beurteilt werden kann, was grundsätzlich spätestens erst 1 Jahr nach Antragstellung möglich sein wird.
Zur Vorlage der Freistellungsbescheinigung beim Leistungsempfänger genügt eine Kopie oder elektronische Übermittlung, soweit sie nicht nur auf einen bestimmten Auftrag beschränkt ist. Die Gültigkeit kann und sollte vom Leistungsempfänger durch elektronische Abfrage über die beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unter https://eibe.bff-online.de/eibe gespeicherten Freistellungsbescheinigungen oder durch Nachfrage beim auf der Bescheinigung angegebenen Finanzamt geprüft werden.
Liegt keine Freistellungsbescheinigung vor, ist für den Zeitpunkt des Steuerabzugs maßgebend, dass die Gegenleistung erbracht ist und beim Leistungsempfänger als Bezahlung abfließt. Das gilt auch für Vorauszahlungen sowie Abschlagszahlungen, Zahlungen gestundeter Beträge sowie bei Zahlung aus der rechtswirksamen Aufrechnung von Gegenforderungen. Bei einer Abtretung einer Forderung an einen Dritten kommt es auf die Zahlung an den Zessionar und nicht auf den Zeitpunkt der Abtretung an.

Haftung für die Bauabzugsteuer

Die Haftung ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden des Leistungsempfängers, wenn ihm keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird. Er haftet bei nicht ordnungsgemäßer Durchführung des Steuerabzugs. Eine Haftung bliebe ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger auf die Rechtmäßigkeit der Freistellungsbescheinigung vertrauen konnte. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn ihm z. B. bekannt war, dass die Bescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde.
Unter Tz. 4 (Rand-Nr. 72) im o. a. BMF-Schreiben wird neu hervorgehoben und vermerkt, dass eine nur die elektronische Überprüfung oder Nachfrage beim Finanzamt zur Gültigkeit einer Freistellungsbescheinigung die grobe Fahrlässigkeit zur Haftung ausschließt. Grundlage für die Haftungsschuld wäre die vom Leistenden geschuldete Bauabzugsteuer, nicht deren Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer.

Anrechnung des Steuerabzugsbetrags

Vom Finanzamt wird der Abzugsbetrag auf die vom Leistenden zu entrichtende Steuer angerechnet, ggf. sind hierfür die Abrechnungsbelege zur Prüfung vorzulegen. Unter Tz. 8. (Rand-Nr. 86) im o. a. BMF-Schreiben wird vermerkt, dass auf Bauleistungen beruhende Abzugsbeträge, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeführt und nach der Insolvenzeröffnung durch den Leistungsempfänger an das Finanzamt gezahlt wurden, jeweils an die Insolvenzmasse auszukehren sind.

Umgang mit der Bauabzugsteuer

Der Steuerabzug ist in der Baupraxis über die Jahre seltener geworden. Die Leistenden erhalten überwiegend eine Freistellungsbescheinigung. Sehr hoch ist der Aufwand für den Leistungsempfänger im Steuerabzugsfall auf Grund der formellen Anforderungen von Anmeldung, Abführung u. a.
Die Freistellung hat sich zum Standardverfahren entwickelt. Die meisten Leistungsempfänger vergeben grundsätzlich keine Aufträge an Bauunternehmen bzw. General-Bauunternehmer an Nachunternehmer, die nicht über eine Freistellungsbescheinigung verfügen. Aber auch bei Freistellung des Abzugs bedarf es einer laufenden baukaufmännischen Kontrolle, so zum Vorliegen der Bescheinigungen, Nachprüfungen mittels elektronischer Abfragen u. a.

Beispiel: Verfahrensweise bei Bauabzugsteuer

AuftragnehmerAuftraggeber
Leistender der BauleistungLeistungsempfänger bzw. Investor
z. B. ein Nachunternehmer (NU) z. B. ein General- oder Hauptunternehmer (HU)
Rechnungsbetrag
Brutto = 100.000 €
100.000 €
Durch den Auftraggeber, z. B. GU bzw. HU prüfen und vorsehen:
A. Kein Steuerabzug durch den GU bzw. HU als Leistungsempfänger, wenn eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes für den NU als Leistenden vorliegt,
B. Steuerabzug in Höhe von 15 % des Rechnungsbetrages der Bauleistung des NU durch den GU bzw. HU, wenn der NU keine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegen kann, im Beispiel von 15.000 €, dann hierzu:
  • Anmeldung des Steuerabzugs durch den GU bzw. HU bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem die Bauleistung erbracht wurde,
  • Abführung durch den GU bzw. HU fällig bis zum 10. Tag nach Ablauf des Anmeldezeitraums,
  • Abführung an das für den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des NU als Leistenden,
  • Abrechnung des Abzugsbetrags gegenüber dem NU,
  • Anrechnung des Abzugsbetrags vom Finanzamt auf die zu zahlenden Steuern des NU als Leistenden.
Bauprofessor-Redaktion
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