Baurecht / BGB

Höhere Gewalt bei Bauausführung

Höhere Gewalt als nicht vorhersehbares Ereignis

Als höhere Gewalt gilt allgemein ein äußeres, betriebsfremdes Ereignis, dessen Eintritt nicht vorhersehbar war. Es kann auch bei Anwendung größter Sorgfalt und aller zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen:
  • nicht wirtschaftlich vertretbar abgewendet werden oder
  • in seinen Folgen nicht unschädlich gemacht werden und
  • auch nicht wegen seiner Häufigkeit hingenommen werden.
Höhere Gewalt liegt beispielsweise allgemein bei Blitzschlag, Orkan, Sturmflut, Erdbeben und anderen Naturkatastrophen vor. Verbunden sind damit in der Regel hindernde Umstände bei der Bauausführung. Der gestörte Bauablauf aus der Behinderung wird zu verlängerten Ausführungsfristen führen.
höhere Gewalt
Bild: © f:data GmbH

Höhere Gewalt in Verbindung mit Coronapandemie

Die Coronapandemie wie auch der Ukraine-Krieg sind in Bauunternehmen mit Lieferengpässen diverser Baustoffe und teils extrem höheren Einkaufspreisen für Bau- und Betriebsstoffe verbunden.
Im Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 23. März 2020 zu bauvertraglichen Fragen in Verbindung zur Coronapandemie wurde ausgeführt, dass die Coronapandemie grundsätzlich geeignet war, den Tatbestand der höheren Gewalt nach § 6 VOB/B bei öffentlichen Bauaufträgen des Hochbaus auszulösen. Die Sonderregelungen des Erlasses enden mit dem Aufhebungserlass vom 1. März 2022 zwar zu neuen Verträgen, gelten aber für bestehende Bauverträge fort.
Bei bestehenden Verträgen könnte höhere Gewalt noch bei folgenden Fällen nachwirkend maßgebend sein:
  • Ein Großteil der Arbeitnehmer des Bauunternehmens waren behördenseitig unter Quarantäne gestellt und auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer konnte kein Ersatz gefunden werden.
  • Die Arbeitnehmer des Bauunternehmens konnten aufgrund von Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen und ein Ersatz war nicht möglich.
  • Vom Bauunternehmen konnten die vorgesehenen Bau- und Betriebsstoffe nicht termingerecht beschafft werden.

Höhere Gewalt in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg

Ebenfalls wird in den gleichlautenden Erlassen vom 25. März 2022 zu öffentlichen Bauaufträgen bei Hochbaumaßnahmen durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie zu Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zu „Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs“ unter Tz. IV zu bestehenden Verträgen ausgeführt, dass bei speziellen Baumaterialien, die “nachweislich nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als kalkuliert, beschaffbar sind, von einem Fall der höheren Gewalt bzw. einem anderen nicht abwendbaren Ereignis im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B auszugehen ist“.

Nachweis zum Vorliegen höherer Gewalt

Inwieweit ein Ereignis infolge höherer Gewalt einzuordnen ist, bliebe im Einzelfall zu prüfen und kann nicht pauschal angenommen werden. Das gilt gleichermaßen auch in Fällen von Ereignissen, wenn eine Störung der Geschäftsgrundlage bei Bauverträgen nach § 313 BGB zum bestehenden Bauvertrag anzunehmen wäre.
Vom bauausführenden Unternehmen müssen die Darlegungen das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dafür sämtliche Zweifel auszuräumen. Der bloße Hinweis auf die Coronapandemie oder den Ukraine-Krieg und eine darauf vorsorgliche Arbeitseinstellung dürfte den Grund höherer Gewalt nicht hinreichend erfüllen. Dabei bliebe auch zu beachten, dass Kostensteigerungen dabei nicht grundsätzlich unzumutbar sind.
Höhere Gewalt infolge der Coronapandemie kann ebenfalls aufseiten des Auftraggebers (AG) eintreten. Die Projektleitung kann beispielsweise unter Quarantäne gestellt sein, eine Erledigung über Homeoffice konnte nicht erfolgen oder es stand keine Vertretung zur Verfügung. Dies sollte dann dokumentiert werden.

Rechtsfolgen bei höherer Gewalt

Liegt bei der Bauausführung einer Baumaßnahme höhere Gewalt vor bzw. beruft sich das Bauunternehmen zu Recht und nachweislich darauf, dann können keine Schadens- oder Entschädigungsanprüche an das Bauunternehmen gestellt werden. Demgegenüber kann das Bauunternehmen finanzielle Ansprüche bei Beschädigung oder Zerstörung der Bauleistungen infolge höherer Gewalt nach § 7 Abs. 1 VOB/B stellen, denn das finanzielle Risiko trägt der Auftraggeber.
Kann die Bauausführung infolge höherer Gewalt nicht termingemäß fertiggestellt werden, dann kann die Ausführungsfrist um die Behinderung der Bauausführung verlängert werden, beispielsweise um den Zeitraum der nicht möglichen Beschaffung der Baumaterialien zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten nach § 6 Abs. 4 VOB/B.
In den o. a. Erlassen wird auch ausgesagt, dass der Auftraggeber bei höherer Gewalt nicht in Annahmeverzug geraten kann, weil allgemein die Voraussetzungen nach § 642 Abs. 1 BGB nicht vorliegen. Das soll auch für Fälle gelten, „in denen bei der Bauausführung ein Vorgewerk aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun das nachfolgende Gewerk deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt“.
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