Rechtliche Aussagen im BGB
Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage trifft § 313 im BGB.
Eine Störung liegt nach § 313 Abs. 1 vor, wenn:
sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und
die Vertragsparteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wäre die Veränderung voraussehbar gewesen.
Infrage käme praktisch jeder Umstand, der nicht Gegenstand im Vertrag, aber von einer Vertragspartei bei Vertragsabschluss vorausgesetzt wurde. Einer Veränderung der Umstände käme auch gleich, wenn sich wesentliche Vorstellungen zur Vertragsgrundlage später als falsch herausstellen.
Folgen bei einer Störung der Geschäftsgrundlage
Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage leiten sich nach § 313 Abs. 1 und 3 als mögliche Folgen ab:
Verlangen nach Anpassung des Vertrags, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann,
Rücktritte vom benachteiligten Vertragsteil, wenn eine Anpassung nicht möglich oder nicht zumutbar ist sowie
Recht zur Vertragskündigung bei Dauerschuldverhältnissen.
Regelungen zur gestörten Geschäftsgrundlage bei bestehenden Bauverträgen
zu „Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe“ vom 21. Mai 2021 durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in Verbindung mit der Coronapandemie sowie
gleichlautend zu „Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs“ vom 25. März 2022 zu Hochbaumaßnahmen durch das BMI und zu Baumaßnahmen des Straßen- und Brückenbaus durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, jeweils geltend befristet bis 30. Juni 2022.
Danach könnte den Bauvertragsparteien bei bestehenden Verträgen ein Rechtsanspruch auf Änderung, Anpassung oder Vertragsaufhebung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zustehen. Das kann der Fall sein, wenn vorgesehene Materialien nicht zu beschaffen oder nur zu weitaus höheren Einkaufspreisen als kalkuliert zu beschaffen sind. Allein der Umstand, dass mit höheren Materialpreisen der kalkulierte Gewinn aufgezehrt wird, sollte nicht genügen.
Prüfung zum Einzelfall und mögliche Preisanpassung
In den Erlassen wird vermerkt, dass die gegenwärtigen Ereignisse grundsätzlich geeignet sind, die Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB zu stören. Hierfür ist der jeweilige Einzelfall hinsichtlich Unzumutbarkeit zu prüfen. Dabei ist nicht auf die jeweils einzelne Position im Vertrag, sondern auf die Gesamtbetrachtung des Vertrags abzustellen. Einzubeziehen sind dabei auch ggf. bereits vorliegende oder angekündigte Angebote zu Nachträgen bzw. Nachtragsvereinbarungen. Sollte nach Prüfung der Umstände zum Einzelfall eine gestörte Geschäftsgrundlage vorliegen, hat das bauausführende Unternehmen Anspruch auf Anpassung der Baupreise für die betreffenden Positionen. Dafür ist die Höhe der Vertragsanpassung von den Vertragsparteien zum Einzelfall unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Zumutbarkeit festzusetzen.
In den ministeriellen Erlassen für öffentliche Bauaufträge in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg wird unter Tz. IV.2 angeführt, dass „eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten jedenfalls regelmäßig unangemessen sein“ wird. Grundlage der Anpassung sind nur die reinen Materialpreise. Zuschläge für Gemeinkosten (BGK, AGK) sowie für Wagnis und Gewinn (W&G) bleiben unberücksichtigt. Sollte die Zumutbarkeit durch eine Preisanpassung nicht wiederhergestellt werden können, steht dann nach Verweis in den Erlassen dem jeweiligen Unternehmen bei öffentlichen Bauaufträgen nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht vom Vertrag bzw. ein Sonderkündigungsrecht zu, wobei jedoch das Risiko einer ggf. unberechtigten Kündigung das Unternehmen zu tragen hat.