Baurecht / BGB

Behinderung der Bauausführung

Eine Behinderung der Bauausführung liegt vor, wenn der planmäßige Ablauf einer Baumaßnahme verzögert oder unterbrochen wird. Sie kann durch innere und äußere Einflüsse verursacht werden.

Was gilt als Baubehinderung?

Als Behinderung gilt ein Ereignis, das die Bauausführung hemmt oder verzögert. Bei Vertragsabschluss konnte das Bauunternehmen als Auftragnehmer weder davon wissen noch damit rechnen.
Störungen, mit denen der Auftragnehmer jedoch rechnen muss, gelten nicht als Behinderung – auch wenn sie faktisch den Bauablauf behindern. Dazu zählen z. B. typische Witterungsbedingungen oder Erschwernisse, die sich aus der Baubeschreibung ergeben. So kann ein Bauherr etwa in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis darauf verweisen, dass nur in der Nacht gearbeitet werden kann, oder dass wegen beengter Verhältnisse nicht von einem störungsfreien Ablauf auszugehen ist. Das hat der Bieter preislich zu berücksichtigen.

Baubehinderung im BGB- und VOB-Vertrag

Im BGB und folglich für einen Bauvertrag nach BGB sowie einen Verbraucherbauvertrag werden zum Umgang mit Behinderungen keine Regelungen vorgenommen.
Haben die Parteien jedoch einen VOB-Vertrag geschlossen, dann gelten die im § 6 in VOB Teil B formulierten Regeln bei einer Behinderung hinsichtlich des Ablaufs und sich daraus ableitender Konsequenzen.
Dies gilt insbesondere für den Umgang mit den Ursachen von Bauablaufstörungen, einschließlich höherer Gewalt. Dazu gehört z. B., dass die hindernden Umstände und deren Wirkung unverzüglich schriftlich angezeigt werden. Weist der Auftraggeber die Behinderungsanzeige zurück, wird diese nicht unwirksam. Die Zurückweisung verdeutlicht vielmehr, dass die Parteien im Dissens sind über den Sachverhalt und / oder seine Auswirkungen. Im Streitfall wäre zu prüfen, ob die Anzeige berechtigt war oder nicht. Daher ist eine detaillierte Dokumentation für die Nachweisführung entscheidend.
Tipp aus der Praxis

„Die Behinderungsanzeige dient nicht der Vorbereitung von Nachtragsforderungen. Vielmehr ist sie Ausdruck der Warn-, Schutz- und Hinweisfunktion, die eine solche Anzeige entwickeln soll. Der Auftragnehmer hat also Kenntnis von einem Problem, welches dem Auftraggeber nicht – oder nicht hinreichend – bekannt ist. Dies teilt er dem Auftraggeber mit, damit dieser das Problem lösen kann. Daraus eine „Kampfansage“ abzuleiten, ist zwar häufige Praxis, geht am Kooperationsgedanken des Bauvertrags und der VOB aber vollkommen vorbei. Daher ist dem Auftragnehmer zu empfehlen, die Behinderungsanzeige konkret, sachlich und höflich zu formulieren. Das macht es dem Auftraggeber leichter, auf gleiche Art zu reagieren. Von einem gelösten Problem profitieren beide Seiten mehr als von einem harten Schlagabtausch.“

Behinderungsursachen

Liegt beispielsweise eine Behinderung durch außergewöhnliche Witterungseinflüsse bei einem BGB-Bauvertrag vor, könnte dies Folgen für die Ausführungsfrist haben und sollte dann auch vom Bauausführenden gegenüber dem Bauherrn angezeigt werden.
Als Umstände für eine Behinderung kommen infrage:
  • Umstände aus dem Risikobereich des Auftraggebers,
  • Streik und
  • höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.
Tipp aus der Praxis

„Umstritten war zeitweilig, ob die Corona-Pandemie ein Ereignis höherer Gewalt war oder nicht. Im Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 23. März 2020 zu bauvertraglichen Fragen in Verbindung zur Corona-Pandemie wird ausgeführt, dass auch die „Corona-Pandemie grundsätzlich geeignet ist, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1c in der VOB Teil B auszulösen.“ Dies kann aber nicht pauschal angenommen werden, sondern bliebe jeweils im Einzelfall zu prüfen. Für den konkreten Fall des COVID-19-Virus ist die Frage nun nicht mehr relevant, die Pandemie ist überwunden. Sollte es jedoch wieder zu Pandemien vergleichbaren Ausmaßes kommen, sollten die Vertragsparteien dazu gelernt und Pandemien ausdrücklich als Sachverhalte höherer Gewalt aufgenommen haben.“
Die angeführten Behinderungsumstände führen nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB Teil B nach einer Behinderung zu einer Verlängerung der Ausführungsfrist.
Welche Umstände dem Risikobereich des Auftraggebers zuzuordnen sind, ist oft strittig.
Diese gehören in der Regel jedoch dazu:
  • Pflichtverletzungen des Auftraggebers, z. B. unzureichende Erfüllung von Mitwirkungspflichten wie die rechtzeitige Erlangung der Baugenehmigung, die Bereitstellung von Planungsunterlagen, Geländeaufnahmen und Absteckungen,
  • Anordnungen von Leistungsänderungen sowie die Ausführung zusätzlicher Leistungen oder
  • von Vorunternehmern des Auftraggebers verursachte Behinderungen und Bauablaufstörungen.
Witterungseinflüsse erfordern eine besondere Betrachtung. Ist mit ihnen normalerweise bei der Angebotsabgabe zu rechnen, z. B. die Bauzeit über das Winterhalbjahr oder einzelne Regentage im Sommer, kann der Auftragnehmer daraus keinen Fristverlängerungsanspruch ableiten. Eine Behinderung, die einen solchen Anspruch auslöst, kann sich nur aus außergewöhnlichen und über die üblichen Maße hinausgehenden Einflüssen ableiten lassen, z. B. wochenlanger extremer Frost oder extreme Hitze, ungewöhnlich starke Regenfälle und Sturmfluten.
Behinderung der Bauausführung
Bild: © f:data GmbH

Das sind keine Baubehinderungen

Es gibt auch eine Reihe von Ursachen für Störungen, die vom Auftragnehmer selbst zu vertreten sind und daher nicht als Behinderung mit Fristverlängerungsanspruch gelten, wie:
Derartige Risiken liegen im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Treten diese Risiken ein, so hat der Auftragnehmer diese auf eigene Kosten zu kompensieren. Gelingt ihm das nicht, kann er mit der Ausführung in Verzug geraten, was mit weiteren Folgekosten verbunden ist.
Sobald die hindernden Umstände entfallen, hat der Auftragnehmer die Arbeiten wieder aufzunehmen und den Auftraggeber davon zu benachrichtigen. Dies sollte zum Zwecke der Dokumentation schriftlich erfolgen, auch wenn dies im § 6 Abs. 3 VOB Teil B nicht verlangt ist.

Behinderungsfolgen und Ansprüche

Der Auftragnehmer kann im Falle einer Behinderung sowohl Anspruch auf Schadenersatz oder Entschädigung als auch auf Bauzeitverlängerung haben.
Dabei lassen sich – stark vereinfacht – drei Fallgruppen unterscheiden:
  1. Verantwortung des Auftragnehmers: Liegt die Ursache der Störung im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers, stehen ihm weder zusätzliche Zeit noch finanzielle Ansprüche zu.
  2. Verantwortung des Auftraggebers: Ist der Auftraggeber für die Störung verantwortlich, hat der Auftragnehmer Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich.
  3. Kein Verantworten beider Parteien: Liegt die Ursache der Störung außerhalb des Verantwortungsbereichs von Auftraggeber und Auftragnehmer, entsteht für den Auftragnehmer ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung, jedoch nicht auf einen finanziellen Ausgleich.

Bauzeitverlängerung

Die Bauzeitverlängerung ist bei einem VOB-Vertrag als Fristverlängerung unter Berücksichtigung der Dauer der Behinderung, der Zeitspanne für die Wiederaufnahme der Arbeiten sowie evtl. zuzüglich einer Zeitspanne wegen Verschiebung der Arbeiten in eine günstigere Jahreszeit zu bestimmen.
Im BGB finden sich keine Regelungen zu Behinderungen, man sollte jedoch davon ausgehen, dass auch im BGB-Bauvertrag die Behinderungsanzeige erforderlich ist, um störungsbedingte Ansprüche begründen zu können.
Eine Behinderung muss jedoch nicht zwangsläufig eine Bauzeitverlängerung nach sich ziehen, auch wenn dem Auftragnehmer grundsätzlich ein Anspruch auf Zeit entsteht. Der Auftragnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig, dass im konkreten Fall eine zeitliche Auswirkung der Störung entstanden ist. Daher ist in diesen Fällen regelmäßig eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung erforderlich. Aus dieser muss für jeden Einzelfall hervorgehen, zu welchen zeitlichen Auswirkungen konkrete Störungen geführt haben. Dies ist weder methodisch noch inhaltlich in ein einfaches Schema zu bringen und daher erheblich von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

Schadenersatz

Schadenersatz bei Behinderung und Unterbrechung kann grundsätzlich durch beide Vertragsparteien geltend gemacht werden. Durch den Fordernden sind die Ansprüche detailliert zu berechnen und nachzuweisen. Vorzugsweise wird in der Baupraxis für die Schadensberechnung die Differenzmethode herangezogen (Vergleich der Vermögenslagen gestört gg. ungestört).
Maßgebend für den Schadenersatz sind somit die tatsächlichen Kosten infolge Behinderung bzw. Unterbrechung. Erforderlich ist ein konkreter Nachweis, keine kalkulatorische Darlegung. Ein Anspruch auf Einbeziehung des entgangenen Gewinns besteht nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Verursachers der Behinderung.

Entschädigung

Ähnlich klingend und doch grundsätzlich verschieden vom Schadenersatz ist der Anspruch auf Entschädigung (§ 642 BGB). Dieser soll unnütze Vorhaltung von Ressourcen abgelten für die Fälle, in denen der Auftragnehmer wie vereinbart leistungsbereit ist, der Auftraggeber jedoch nicht – oder nicht vollständig oder nicht fristgerecht – seine erforderliche Mitwirkung erbringt und aus diesem Grund der Auftragnehmer nicht leisten kann. Der Auftraggeber gerät damit in Annahmeverzug. Die Entschädigung für den Auftragnehmer berechnet sich nach der Dauer des Annahmeverzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung. Die Entschädigung ist daher vergütungsähnlich aus der Kalkulation abzuleiten.
Änderungen des Bauentwurfs haben in der Regel eine Vergütungsanpassung bei Leistungsänderungen zur Folge. Bei einem VOB-Bauvertrag ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten (§ 2 Abs. 5 VOB Teil B) bzw. der besonderen Kosten für eine zusätzliche Leistung (§ 2 Abs. 6 VOB Teil B) zu vereinbaren.
Peter Wotschke
Ein Artikel von
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