Die wichtigste und oft umfangreichste Rückstellung in Bauunternehmen ist die jährlich erforderliche Rückstellung für Verpflichtungen aus Mängelansprüchen.
Sind Rückstellungen für Mängelansprüche notwendig?
Ja. Ohne Zweifel die wichtigste und meistens auch der Höhe nach umfangreichste Rückstellung in Bauunternehmen ist die jährlich erforderliche Rückstellung für Verpflichtungen aus Mängelansprüchen (Gewährleistung) zu Bauvorhaben, für die bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr eine Abnahme erfolgte. - 4 Jahre nach VOB Teil B (§ 13 Abs. 4, Nr. 1) oder
- 5 Jahre nach BGB (§ 634a Abs. 1, Nr. 2)
In dieser Zeit sind für ggf. erforderliche Leistungen zur Mängelbeseitigung Verluste zu erwarten. Sie sind durch entsprechende Rückstellungen vorwegzunehmen und gewinnmindernd zu behandeln. Der Sache nach stellen die zu bildenden Rückstellungen ungewisse Verbindlichkeiten dar.
Rückstellungen zu Mängelansprüchen sind nach der wahrscheinlich zukünftigen Inanspruchnahme zu bewerten.
Wie sind Mängel-Rückstellungen zu bewerten?
Rückstellungen zu Mängelansprüchen sind nach der wahrscheinlich zukünftigen Inanspruchnahme zu bewerten, entweder - einzeln je Bauauftrag oder
- pauschal für den mängelanspruchsbehafteten Umsatz
In der Baupraxis wird überwiegend die Pauschalbewertung angewendet. Groborientierungen liegen im Baugewerbe bei 0,5 bis 2 % des jährlichen Ist-Umsatzes. Allgemeine Erfahrungssätze für einzelne Gewerke und Leistungssparten können nur als Groborientierungen dienen, z. B.: Brückenbau | 1 % | der Garantiesumme |
Dachdecker | 1 % | vom Soll-Umsatz zweier Wirtschaftsjahre |
Fliesenleger | bis 1 % | des gewährleistungsbehafteten Umsatzes eines Jahres |
Industrieanstrich | 0,5 % | des Soll-Umsatzes eines Wirtschaftsjahres |
Maler | 1 % | des Soll-Umsatzes eines Wirtschaftsjahres |
Straßenbau | bis 2 % | des mängelanspruchsbehafteten Soll-Umsatzes zweier Jahre |
Tiefbau | bis 2 % | des mängelanspruchsbehafteten Soll-Umsatzes |
Zentralheizungsbau | bis 1,5 % | des Soll-Umsatzes von zwei Wirtschaftsjahren |
Die gerechtfertigte Pauschale sollte über Jahre durch den Nachweis des Ist-Anfalls belegt (z. B. auf besonderen Konten bzw. Kostenstellen) und überprüft werden, sie begründet sich aus der Vergangenheit. Die Nachweisführung über die Rückstellungsbildung erfolgt im Bauunternehmen meistens statistisch außerhalb der Buchführung oder durch gesonderte Belegablagen bzw. Aufzeichnungen. Im Rahmen von Betriebsprüfungen als Steuerprüfungen werden durch die Finanzverwaltungen Rückstellungen zu Mängelansprüchen in der Regel nicht beanstandet, wenn sie 0,5 % des mängelanspruchsbehafteten Umsatzes im Geschäftsjahr nicht übersteigen. Einen Anspruch auf die Anwendung dieser Nichtbeanstandungsgrenze hat das Bauunternehmen jedoch nicht.
Ein Beispiel: So bilden Sie eine Rückstellung zu Mängelansprüchen
Zum Ende des Geschäftsjahres liegen für den Jahresabschluss folgende Aussagen vor:
- Gesamtumsatz (ohne Umsatzsteuer) der übergebenen und abgenommenen Bauleistungen im abgelaufenen Geschäftsjahr, der mängelbehaftet sein kann in Höhe von 10.000 T-€.
- Leistungen der Nachunternehmer, die im Umsatz enthalten sind, in Höhe von 2.400 T-€.
- Mängelanspruchsfrist: vier Jahre nach VOB/B.
- Ist-Inanspruchnahme für Mängelansprüche (zu Selbstkostenpreisen) im Durchschnitt der letzten fünf Jahre in Höhe von 0,8 % der Jahresumsätze aus Bauleistungen.
Berechnung:
Mängelanspruchsbehafteter Umsatz aus Bauleistungen | 10.000 T-€ |
Umsatz aus Nachunternehmerleistungen mit Rückgriffsrechten | - 2.400 T-€ |
Eigener mängelanspruchsbehafteter Umsatz (Bauleistungen) | = 7.600 T-€ |
Rückstellung zu Mängelansprüchen zum Jahresabschluss (0,8 % von 7.600 T-€) | 6.080 € |
Wird die Rückstellung im Jahresabschluss berücksichtigt?
Ja. Zum Jahresabschluss sind von bilanzierenden Bauunternehmen Rückstellungen hinsichtlich Handels- und Steuerrechts zu prüfen und vorzunehmen. Die gebildete und gewinnmindernd als Aufwand gebuchte sowie in der Bilanz auf der Passivseite ausgewiesene Rückstellung kann sich bereits im folgenden Geschäftsjahr durch ausgeführte Beseitigung angezeigter Mängel auflösen bzw. verringern. Ein Restbetrag bliebe weiterhin als Rückstellung einzustellen. Bei Bestehen über die gesamte Mängelansprüchefrist läge eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr vor und die Abzinsung einer Rückstellung zu Mängelansprüchen bliebe zu berücksichtigen.
Ist eine Abzinsung der Rückstellung nötig?
Ja. Wegen der langen Gewährleistungsfristen handelt es sich bei den Rückstellungen für Mängelansprüche in der Regel um Rückstellungen mit einer Restlaufzeit zum Bilanzstichtag von mehr als einem Jahr. Bei Restlaufzeiten von mehr als einem Jahr muss eine Abzinsung von Rückstellungen erfolgen, und zwar
- nach Handelsrecht gemäß § 253 Abs. 2 im Handelsgesetzbuch (HGB)
- steuerrechtlich gemäß § 6 Abs. 3a(e) im Einkommensteuergesetz (EStG)
Für die handelsrechtliche Abzinsung ist für die Restlaufzeit der Rückstellung der entsprechende durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre heranzuziehen. Grundlage liefert die Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV), die verbindlich anzuwenden ist.
Marktzinssätze werden von der Deutschen Bundesbank monatlich bekannt gegeben. Zum Stand: Dezember 2023 betrugen die Abzinsungssätze gemäß § 253, Abs. 2 HGB als Durchschnitt der vergangenen 7 Jahre (84 Monatsendstände) zur:
Restlaufzeit 1 Jahr | = 0,99 % |
Restlaufzeit 2 Jahre | = 1,03 % |
Restlaufzeit 3 Jahre | = 1,07 % |
Restlaufzeit 4 Jahre | = 1,12 % |
Restlaufzeit 5 Jahre | = 1,18 % |
Steuerrechtlich sind die langfristigen Rückstellungen ebenfalls mit Bezug auf § 6 Abs.1 Nr. 3a und 3a(e) im EStG abzuzinsen, und zwar mit einem Zinssatz von 5,5 %. Die Methode zur Abzinsungsermittlung ist nicht vorbestimmt. Zu empfehlen wäre ggf. die Heranziehung von finanzmathematischen Methoden.
Wie funktioniert die Abzinsung?
Als Methoden zur handelsrechtlichen Abzinsung kommen die Brutto- oder Nettomethode infrage. Nach der Bruttomethode ist zunächst der künftige Erfüllungsbetrag (nicht der Rückzahlungsbetrag) zur Rückstellung bauauftragsbezogen und betriebswirtschaftlich vernünftig zu ermitteln bzw. einzuschätzen.
Dieser Betrag kann über die Jahre ggf. ansteigen und evtl. wesentlich höher sein als vorab ermittelt, beispielsweise infolge von steigenden Baupreisen und Kosten (z. B. Lohn- und Baustoffkosten) für die Mängelbeseitigung gegenüber dem Niveau am Bilanzstichtag.
Danach ist dann die Abzinsung vorzunehmen als Ermittlung der Barwerte der Rückstellung anhand der vorbestimmten Abzinsungssätze. Sollte sich danach ein Zinsertrag als Differenz zwischen Erfüllungsbetrag und den abgezinsten Barwerten ableiten, würde daraus ein höheres Finanzergebnis und ein geringeres operatives Ergebnis zum Bilanzstichtag resultieren.
In der Baupraxis dürfte überwiegend die Nettomethode zur Berechnung dienen. Danach werden für die gebildete Rückstellung die berechneten abgezinsten Barwerte bestimmt und dann in der Summe als Rückstellung zum Bilanzstichtag ausgewiesen. Daraus folgend verändert sich das Finanzergebnis nicht und das operative Ergebnis fällt höher gegenüber der Bruttomethode aus.
Beispiele: So bestimmen Sie die Abzinsung einer Rückstellung
Beispiel 1: Abzinsung einer Mängelansprücherückstellung nach Handelsrecht für die Mängelansprüchefrist von 4 Jahren nach VOB/B:
Berechnung der Barwerte auf Grundlage der vorbestimmten Abzinsungssätze der Deutschen Bundesbank für die Laufzeit zu Mängelansprüchen von 4 Jahren (VOB/B), berechnet nach der allgemeinen Abzinsungsformel:
K (1 bis 4) = Kn x [1 : (1 + i) n]
mit | i = Abzinsungssatz |
und | n = Jahr |
a.) bei Annahme von jährlich annähernd gleich hoher Kosteninanspruchnahme von 20.000 € für Mängelbeseitigung:
für das 1. Jahr: 20.000 € x [1: (1 + 0,0099)] | = 19.804 € |
für das 2. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,0103)²] | = 19.776 € |
für das 3. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,0107)³] | = 19.372 € |
für das 4. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,0112)⁴] | = 19.129 € |
gesamt | = 78.081 € |
b.) bei ggf. erforderlicher Mängelbeseitigung erst zum Ende der Mängelanspruchsfrist:
für 4 Jahre: 80.000 € x [1: (1 + 0,0112)⁴] | = 76.514 € |
Beispiel 2: Abzinsung für Rückstellungsansatz in der Steuerbilanz zum Jahresabschluss mit Zinssatz von 5,5 %
für das 1. Jahr: 20.000 € x [1: (1 + 0,055)] | = 18.957 € |
für das 2. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,055)²] | = 17.969 € |
für das 3. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,055)³] | = 17.032 € |
für das 4. Jahr: 20.000 € x [1 : (1 + 0,055)⁴] | = 16.144 € |
gesamt | = 70.102 € |