Steuern

Gewinnverprobung nach Richtsätzen (Bau)

Liegen für die Besteuerung eines kleinen Bauunternehmens oder Bauhandwerksbetriebs geeignete Unterlagen nicht vor bzw. werden bei Buchführungspflicht nicht ordnungsmäßige Bücher vom Gewerbetreibenden geführt, können Gewinn und Umsatz von der Finanzverwaltung unter Berücksichtigung des Einzelfalls geschätzt werden. Dafür sind Richtsätze für verschiedene Gewinnaussagen heranzuziehen, die jährlich vom Bundesministerium der Finanzen herausgegeben werden, zuletzt als "Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2019" gemäß BMF-Schreiben vom 20. Januar 2021, veröffentlicht auch im Bundessteuerblatt I.
Gewinnverprobung nach Richtsätzen (Bau)
Bild: © f:data GmbH
Die Richtsätze werden differenziert nach Gewerbeklassen vorgegeben, angeführt zum Baugewerbe unter Gewerbeklassen-Bau (mit Gewinnverprobung). Betroffen sind meistens kleine Baubetriebe bzw. Bauhandwerksbetriebe wie Einzelunternehmen, Personengesellschaften und selbstständige Bauhandwerker, für die ggf. die Gewinnermittlung sogar nur auf Grundlage einer Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) erfolgt. Die Richtsätze stellen auf die Verhältnisse eines Normalbetriebs ab. Er entspricht allgemein einem Einzelunternehmen mit Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich.
Für die einzelnen Gewerbeklassen erfolgt eine Unterteilung der Richtsätze nach unterschiedlicher Höhe des wirtschaftlichen Umsatzes als Bezugsbasis mit Ausweis jeweils in % vom wirtschaftlichen Umsatz im Einzelnen für den:
Als Beispiel werden nachfolgend die Aussagen zu den Richtsätzen für das Tischler- und Schreinerhandwerk (auch Bautischlerei und Bauschlosserei) als Gewerbeklasse aus der Richtsatz-Sammlung für das Jahr 2019 (mit gleichen Ansätzen und Spannen wie zum Vorjahr) aufgeführt:
bei wirtschaftlichen Umsätzen bis 150.000 €Rohgewinn I66
Rohgewinn II61(45-77)
Halbreingewinn37(20-54)
Reingewinn29(15-45)
bei wirtschaftlichen Umsätzen 150.000 bis 300.000 €Rohgewinn I62
Rohgewinn II47(33-63)
Halbreingewinn28(15-45)
Reingewinn22(10-39)
bei wirtschaftlichen Umsätzen über 300.000 €Rohgewinn I59
Rohgewinn II39(26-52)
Halbreingewinn21(10-32)
Reingewinn15(6-27)
Auszugsweise werden Aussagen zu Richtsätzen für weitere Gewerbeklassen des Baugewerbes aufgeführt für:
Die in den Steuererklärungen der Gewerbetreibenden ausgewiesenen Gewinne und Umsätze sind anhand der vorgegebenen Richtsätze zu verproben. Der Gewinn ist vorzugsweise auf Basis des Halbreingewinns zu verproben bzw. zu schätzen, weil die vom Halbreingewinn abzusetzenden personellen und sachlichen Betriebsaufwendungen eindeutiger festgestellt werden können.
Die Verprobung als Schätzung setzt zunächst voraus, dass die Aussagen an den Aufbau der Richtsätze anzupassen bzw. zu "normalisieren" und vergleichbar zu machen sind. Für einen Bauhandwerksbetrieb sind dann die normalisierten Aussagen zum Waren-, Material- und Fertigungslohneinsatz abzuleiten und die Grundlagen für die Besteuerung mithilfe der Richtsätze zu schätzen. Die Verprobung als Schätzung führt dann zum wirtschaftlichen Umsatz und den Aussagen zum Roh-, Halbrein- und Reingewinn, die als für einen "Normalbetrieb" entsprechend anzusehen sind. Die geschätzten Werte sind noch ggf. zu erhöhen oder zu vermindern, wenn die betrieblichen Verhältnisse von denen eines Normalbetriebs abweichen.
Zu beachten bleibt jedoch, dass die gewonnenen Aussagen zum Gewinn nicht vergleichbar mit den kalkulatorischen Ansätzen im Baubetrieb für Wagnis und Gewinn (W&G) in der Angebotskalkulation sind.
Da die Aussagen zu den Richtsätzen jeweils mit einem Mittelsatz und einer Spanne in einem Rahmen vorgegeben werden, kann der Mittelsatz als eine Aussage angesehen werden, die mit größter Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen am nächsten kommt. Ein Abweichen vom mittleren Satz in der jeweils ausgewiesenen Spanne zu den Umsatz- und Gewinngrößen kann durch besondere betriebliche oder persönliche Verhältnisse des Gewerbetreibenden begründet sein, die nicht durch normale Anpassung über die Richtsätze darstellbar sind. Weiterhin sind die Spannen so auszulegen, dass – beispielsweise bei einem wirtschaftlichen Umsatz über 250.000 € bis 500.000 € – der untere Wert dann heranzuziehen wäre, wenn der Umsatz im oberen Bereich liegt und umgekehrt der Wert aus der oberen Rahmenhälfte, wenn der Umsatz im unteren Bereich liegt. Würde ein gemischter Umsatz im Bauhandwerksbetrieb (beispielsweise Dachdeckerei und Zimmerei) vorliegen, sollten bei durchschnittlichem Waren- und Materialeinsatz die Richtsätze der oberen Rahmenhälfte angesetzt werden.
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