Im Kampf ums Recht zählt, wer was beweisen muss. Grundsätzlich muss jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen den Beweis erbringen – es sei denn, eine Beweislastumkehr greift. Fragwürdige Kniffe, die dafür mitunter eingesetzt werden, beleuchtet Dr. Andreas Neumann, Anwalt mit den Schwerpunkten Baurecht und Immobilienrecht.
Aus dem Schweigen können grundsätzlich keine Willenserklärungen geschlossen werden. Nur unter engen Bedingungen lässt § 308 Nr. 5 BGB es zu, dass aus dem Schweigen einer Partei irgendwelche Rechtsfolgen abgeleitet werden können. Wer schweigt, stimmt also in der Regel entgegen einem bekannten Slogan gerade nicht zu. Es gibt aber Ausnahmen.
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Unter Kaufleuten gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. So gehört zu den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen – § 346 HGB – das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Geht nach Gesprächen ein Schreiben der Gegenseite ein, ist man gehalten, den Inhalt zu prüfen. Widerspricht man nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, muss man den Inhalt gegen sich gelten lassen und die etwaige Unwahrheit der Bestätigung beweisen, was oftmals scheitert. Unverzüglich bedeutet hier ein bis zwei Tage, maximal drei, je nach den konkreten Umständen.
So lag es im Falle des Urteils des OLG Bamberg vom 20.07.2023 zum Aktenzeichen 12 U 9/22, das seit Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch den BGH mit Beschluss vom 07.08.2024 zum Aktenzeichen VII ZR 167/23 auch rechtskräftig ist.
Die Parteien – beides Kaufleute im Sinne des HGB – hatten unstreitig ein Telefonat am 13. September 2019 miteinander geführt. Vier Tage später ging ein Schreiben beim Auftragnehmer ein, in dem der Auftraggeber unter Bezugnahme auf dieses Gespräch erklärte, dass „wie besprochen“ die letzte Abschlagsrechnung als Schlussrechnung angesehen und die Vertragserfüllungssicherheit von 5 % ausgekehrt werde. Der Auftragnehmer hat dem nicht unverzüglich widersprochen, sondern schwieg zunächst. Er konnte einen unverzüglichen Widerspruch nicht beweisen.
Die Klage des Auftragnehmers auf Basis der eigentlich von ihm gestellten Schlussrechnung auf Erteilung einer Bauhandwerkersicherungshypothek scheiterte, weil er nicht beweisen konnte, dass der Auftraggeber in seinem Schreiben das Verhandlungsergebnis bewusst falsch oder dermaßen weit abweichend von den eigentlichen Abreden wiedergegeben hatte, dass objektiv nicht mit einem Einverständnis gerechnet werden konnte.

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Schlussrechnungsprüfung
Vergleichbar liegt es im Falle der Frist für die Rüge der mangelnden Prüffähigkeit (so im BGB) oder Prüfbarkeit (so in der VOB Teil B) einer Schlussrechnung. Wenn der Auftragnehmer eine Schlussrechnung vorlegt, müssen Einwände gegen die Prüfbarkeit auch im Falle eines laufenden Rechtsstreits binnen 30 Tagen substantiiert geltend gemacht werden. Der lapidare Hinweis, die Rechnung sei nicht prüffähig, reicht dazu nicht aus, vielmehr muss binnen der Frist nach § 651g Abs. 4 BGB bzw. § 16 Abs. 3 VOB Teil B detailliert dargelegt werden, was dem Auftraggeber zur Prüfung fehlt.
Beide Beispiele gelten auch im Rahmen eines laufenden Rechtsstreits. So kann der Auftragnehmer seine zur Fälligkeit seiner Vergütung etwa noch erforderliche Schlussrechnung wie im Falle des durch Beschluss des BGH vom 12. Februar 2020 zum Aktenzeichen VII ZR 185/18 ebenfalls rechtskräftigen Urteils des OLG Stuttgart vom 14. August 2018 (10 U 154/17) noch einreichen, etwa versteckt als Anlage 53 eines anwaltlichen Schriftsatzes. Selbst wenn vom Gericht in einem solchen Fall eine Stellungnahmefrist von fünf Wochen gewährt wird, die von der Anwaltskanzlei ordnungsgemäß notiert und auch eingehalten wird, verliert der Auftraggeber den Einwand der fehlenden Prüffähigkeit nach 30 Tagen, also vor dem gerichtlichen Fristablauf.
Anders liegt der Fall lediglich dann, wenn bereits vor dem Gerichtsverfahren eine Schlussrechnung gestellt und substantiiert mithilfe einer Gegenrechnung gerügt worden war und die berechtigten Monita auch bei der zweiten Schlussrechnung nicht vollständig nachgebessert worden sind. Dann handelt es sich auch nicht um eine zweite Schlussrechnung wie im o. g. Fall des OLG Stuttgart, sondern lediglich um den Versuch einer Widerlegung der Rüge und Gegenrechnung.
Fazit
Es ist zu empfehlen, jeden Schriftsatz im Rahmen eines Rechtsstreits auch auf die Anlagen hin zu überprüfen. Findet sich in den Anlagen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, gilt es, hierauf unverzüglich zu widersprechen. Findet sich eine erstmalige oder erneute Schlussrechnung, muss in der Regel binnen 30 Tagen eine substantiierte Rüge hierauf erfolgen. Sowohl die Unverzüglichkeit des Widerspruchs auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben als auch die Prüfungsfrist werden nicht durch eine etwa längere oder verlängerte gerichtliche Frist verlängert.