Wenn Bauunternehmen nicht einschätzen können, wie sich Einkaufspreise von Baustoffen entwickeln, hilft eine Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag. Sie ermöglicht, Kosten für Materialien anzupassen.
Was ist eine Stoffpreisgleitklausel?
Die Stoffpreisgleitklausel ist eine spezielle Form von Preisgleitklauseln. Die Stoffpreisgleitklausel kommt dann ggf. zur Anwendung, wenn ein Bauunternehmen als Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung der Einkaufspreise für Baustoffe und ggf. Betriebsstoffe (bei baumaschinenintensiven Gewerken) hat bzw. diese Preise und deren Entwicklung nicht im Voraus einschätzen kann. Sie kann zwischen den Vertragspartnern mit dem Bauvertrag vereinbart werden. Jedoch wird weder im BGB noch in der VOB Teil A ausdrücklich geregelt, ob und in welcher Form eine Stoffpreisgleitklausel für eine Baumaßnahme vorzusehen ist. Praktische Bedeutung kam der Stoffpreisgleitklausel bei öffentlichen Bauaufträgen seit 2004 infolge teils sprunghaft gestiegener und unterschiedlich hoher Stahlpreise in den nachfolgenden Jahren zu, besonders bei längeren Bauzeiten von Baumaßnahmen. Äußerst sprunghafte Preisänderungen leiteten sich zuletzt auch aus besonderen Ereignissen ab, wie beispielsweise aus der Coronapandemie und seit Februar 2022 aus dem Ukraine-Krieg. Darauf war speziell zu reagieren, wie weiter unten angeführt wird.
Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine Klausel im Bauvertrag, die es ermöglicht, die Kosten für Baumaterialien anzupassen, falls sich deren Preise während der Bauzeit ändern.
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Regelungen zur Stoffpreisgleitklausel
Die Anwendung erfolgt in der Regel bei öffentlichen Bauaufträgen nach strikten Vorschriften auf Grundlage von ministeriellen Erlassen verbindlich für Bundesbaumaßnahmen sowie in Länderbauverwaltungen und Kommunen nach eigenständigen Regelungen, oft mit Übernahme der Bundesregelungen.
Vorschriften zur Berechnung und Vergütung bei einer Stoffpreisgleitklausel regeln die Vergabehandbücher für Baumaßnahmen, so für:
In den Regelungen nach den Vergabehandbüchern fanden die Aktualisierungen aus Erkenntnissen der Anwendung im letzten Jahrzehnt sowie aus dem „Leitfaden zur Berechnung von Mehr- und Minderaufwendungen bei der Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen“ der Bauverbände aus 2015 Eingang.
Anwendung der Stoffpreisgleitklausel
Die Anwendung einer Stoffpreisgleitklausel setzt grundsätzlich voraus, dass die vorgesehenen Stoffarten auch vom Statistischen Bundesamt als gewerbliche Produkte (mit GP-Nummern) im Erzeugerpreisindex (Fachserie 17, Reihe 2) mit Indizes zur Entwicklung der Baumaterialpreise aufbereitet und veröffentlicht sowie die Voraussetzungen für die Heranziehung nach den Vergabehandbüchern erfüllt werden. Ergänzend zur langen Reihe 2 zum Erzeugerpreisindex ist auch der Zugriff auf die „Genesis-Online-Datenbank“ möglich. Aufzurufen ist dafür auf der Startseite die Serie 6 – Preise.
Liegen beispielsweise Sprünge von mehreren Indexpunkten pro Monat zum Index einer Stoffart vor, kann damit ein hohes Wagnis für die Angebotskalkulation des Bieters verbunden sein und die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel naheliegen. Zur vertraglichen Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel durch den öffentlichen Auftraggeber liegen auch Urteile des BGH vor, so die Entscheidung vom 25. Januar 2018 (Az.: VII ZR 219/14) mit der Aussage: „Eine Stoffpreisgleitklausel ist dann überraschend, wenn sie ohne ausreichenden Hinweis den Auftragnehmer zur Vermeidung erheblicher Nachteile bei Stoffpreissenkungen dazu anhält, bereits bei seiner Kalkulation von üblichen Grundsätzen abzuweichen“.
Sonderregelung zur Coronapandemie
In Verbindung mit der Coronapandemie und den sich daraus ableitenden Lieferengpässen diverser Baustoffe stellten sich besonders seit 2. Quartal 2021 volatile, teils drastische Preissteigerungen zu Baustoffen ein. Ein diesbezüglicher Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 21. Mai 2021 zu Verfahrensaussagen bei „Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe“ wurde am 22. Juni 2022 aufgehoben, da er mit neuen Regelungen zu Lieferengpässen als Folge des Ukraine-Kriegs keine eigenständige Bedeutung mehr hat. Sonderregelungen zu Folgen des Ukraine-Kriegs
Als Folge des Ukraine-Kriegs und den erfolgten Sanktionen gegen Russland verschärften sich Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baustoffe. Zur Behandlung der Auswirkungen erfolgten Sonderregelungen inhaltlich gleichlautend zu „Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs“ jeweils vom 25. März 2022 für Hochbaumaßnahmen durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie zu Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Mit gleichlautenden Erlassen der beiden Bundesministerien vom 30. Juni 2022 erfolgten ergänzende Aussagen und Klarstellungen zur Anwendung und Einbeziehung weiterer Stoffarten sowie zu Änderungen zur Aufgreifschwelle, zu Bagatellgrenzen, zur Möglichkeit auf Verzicht des Basiswertes 1 sowie zu Verfahrensaussagen bei bereits bestehenden Bauverträgen, laufenden und neuen Vergabeverfahren.
Danach kann die Stoffpreisgleitklausel auf alle jene Baustoffe ausgerichtet werden, die ihrer Eigenart nach Preisveränderungen in besonderem Maße ausgesetzt sind und für die ein nicht kalkulierbares Preisrisiko zu erwarten ist. Zugleich darf auch bei der Stoffpreisgleitklausel ausnahmsweise für Betriebsstoffe bei maschinenintensiven Gewerken Gebrauch gemacht werden. Vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) lag auch eine den Erlassen angepasste „Orientierung für Bauunternehmer zu Stoffpreisgleitung und Vertragsanpassung (Stand 27. Juni 2022)“ vor.
Mit den ministeriellen Erlassen vom 6. Dezember 2022 galten die Sonderregelungen zur Stoffpreisgleitung-Ukraine vorerst bis 30. Juni 2023. Eine Verlängerung ist nach dem Erlass des BMWSB vom 20. Juni 2023 nicht vorgesehen. Damit enden die Sonderregelungen für Hoch- und Straßenbauvorhaben zum 1. Juli 2023.
Hinsichtlich abgeschlossener, laufender und neuer Vergabeverfahren gelten ab 1. Juli 2023 folgende Regelungen:
Ab 1. Juli 2023 gelten zur Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln wieder die allgemeinen Regelungen und Voraussetzungen nach den jeweiligen Richtlinien in den o. a. Vergabehandbüchern (VHB-Bund und HVA B-StB), jeweils näher erläutert unter:
Die Vergabestellen werden gebeten, die Marktpreisentwicklung genau zu beobachten. Sollte kein belastbarer Basiswert 1 ermittelbar sein, kann auch ab 1. Juli 2023 das o. a. Formblatt 225a im VHB-Bund genutzt werden.
Laufen Vergabeverfahren noch am 1. Juli 2023, kann von Bietern verlangt werden, eine Stoffpreisgleitklausel einzubeziehen. Ein Verlangen ist nach pflichtgemäßen Ermessen durch die Vergabestelle zu entscheiden und die Entscheidung zu dokumentieren. Dabei soll dem Auftraggeber jedoch kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden, auf das er keinen Einfluss hat.
Bereits zum 30. Juni 2023 abgeschlossene Vergabeverfahren bzw. zu bestehenden Verträgen wird in den Erlassen darauf verwiesen, dass eine Änderung bestehender Verträge innerhalb der Grenzen von § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage bei Bauverträgen) oder § 58 Bundeshaushaltsverordnung (BHO) zulässig bleibt.
Mögliche Regelungen mit privaten Bauherren
Die angeführten ministeriellen Erlasse zur Anwendung einer Stoffpreisgleitklausel haben keine Bindungswirkung auf Bauverträge zwischen privaten Partnern.
Die strengen Regeln zur Stoffpreisgleitklausel bei öffentlichen Bauaufträgen werden nicht in gleicher Art und Weise mit privaten Bauherren als Besteller und ggf. Verbraucher vereinbart werden können und damit nicht gleichermaßen praktische Bedeutung erlangen. Der Bauhandwerker kann seinem Kunden die Baustoffpreissituation darlegen und ggf. mit „Zusatzvereinbarungen“ erreichen, dass:
der Kunde die Baustoffe ggf. selbst bestellt, bezahlt und dem Bauunternehmen beistellt,
Angebote „freibleibend“, unverbindlich oder nur mit zeitlich kurzfristigen Bindefristen eingegangen werden, wobei zu beachten bliebe, dass die Formulierungen nicht den AGB widersprechen.