Anlass für eine Stoffpreisgleitklausel
Die Stoffpreisgleitklausel ist eine spezielle Form von Preisgleitklauseln. Die Stoffpreisgleitklausel kommt dann ggf. zur Anwendung, wenn ein Bauunternehmen als Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung der Einkaufspreise für Baustoffe und ggf. Betriebsstoffe hat bzw. diese Preise und deren Entwicklung nicht im Voraus einschätzen kann. Praktische Bedeutung kam der Stoffpreisgleitklausel bei öffentlichen Bauaufträgen seit 2004 infolge teils sprunghaft gestiegener und unterschiedlich hoher Stahlpreise in den nachfolgenden Jahren zu, besonders bei längeren Bauzeiten von Baumaßnahmen. Äußerst sprunghafte Preisänderungen leiteten sich zuletzt auch aus besonderen Ereignissen ab, beispielsweise in Verbindung mit Lieferengpässen, der Coronapandemie und als Folgen des Ukraine-Kriegs. Darauf ist speziell zu reagieren, wie weiter unten angeführt wird.
Bild: © f:data GmbHRegelungen zur Stoffpreisgleitklausel
Die Anwendung erfolgt in der Regel bei öffentlichen Bauaufträgen nach strikten Vorschriften auf Grundlage von ministeriellen Erlassen mit Bezug auf die vorliegenden Vorschriften zur Berechnung und Vergütung in den Vergabehandbüchern für Bundesbaumaßnahmen, so für:
In den Regelungen nach den Vergabehandbüchern fanden die Aktualisierungen aus Erkenntnissen der Anwendung im letzten Jahrzehnt sowie aus dem „Leitfaden zur Berechnung von Mehr- und Minderaufwendungen bei der Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen“ der Bauverbände aus 2015 Eingang.
Anwendung der Stoffpreisgleitklausel
Die Anwendung einer Stoffpreisgleitklausel setzt grundsätzlich voraus, dass die vorgesehenen Stoffarten auch vom Statistischen Bundesamt als gewerbliche Produkte (mit GP-Nummern) im Erzeugerpreisindex (Fachserie 17, Reihe 2) mit Indizes zur Entwicklung der Baumaterialpreise aufbereitet und veröffentlicht werden. Ergänzend zur langen Reihe 2 ist auch der Zugriff auf die „Genesis-Online-Datenbank“ möglich. Aufzurufen ist dafür auf der Startseite die Serie 6 – Preise. Liegen beispielsweise Sprünge von mehreren Indexpunkten pro Monat zum Index einer Stoffart vor, kann damit ein hohes Wagnis für die Angebotskalkulation des Bieters verbunden sein und die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel naheliegen. Zur vertraglichen Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel durch den öffentlichen Auftraggeber liegen auch Urteile des BGH vor, so die Entscheidung vom 25. Januar 2018 (Az.: VII ZR 219/14) mit der Aussage: „Eine Stoffpreisgleitklausel ist dann überraschend, wenn sie ohne ausreichenden Hinweis den Auftragnehmer zur Vermeidung erheblicher Nachteile bei Stoffpreissenkungen dazu anhält, bereits bei seiner Kalkulation von üblichen Grundsätzen abzuweichen“.
Sonderregelung zur Coronapandemie
In Verbindung mit der Coronapandemie und den sich daraus ableitenden Lieferengpässen diverser Baustoffe stellten sich besonders im 2. Quartal 2021 volatile, teils drastische Preissteigerungen zu Baustoffen ein. Als Reaktion darauf erfolgten Verfahrensaussagen mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 21. Mai 2021 zu „Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe“.
Das Formblatt 225 aus dem VHB-Bund erläutert u. a. die Berechnungsvorschriften der Basiswerte 1, 2 und 3 zur Stoffpreisgleitklausel zu den festgelegten Zeitpunkten.
Bild: © f:data GmbHDanach kann für die Stoffpreisgleitklausel bei Hochbaumaßnahmen das Formblatt 225 im VHB-Bund als Instrument herangezogen werden, um auf Preisänderungen reagieren zu können. Wenngleich das Formblatt vorher nur bei schwankenden Stahlpreisen genutzt wurde, kann es ebenso für andere Stoffe verwendet werden, soweit die jeweiligen Stoffarten vom Statistischen Bundesamt im Erzeugerpreisindex aufbereitet und veröffentlicht werden.
Zu differenzieren ist dabei, ob sich ein öffentlicher Bauauftrag:
Sonderregelungen zu Folgen des Ukraine-Kriegs
Als Folge des Ukraine-Kriegs und damit erfolgten Sanktionen verschärften sich Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baustoffe. Den Auswirkungen sollen die Sonderregelungen inhaltlich gleichlautend zu „Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs“ jeweils vom 25. März 2022 für Hochbaumaßnahmen durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie zu Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr entgegenwirken. Sie gelten befristet bis 30. Juni 2022 und betreffen vor allem eine umfangreichere Einbeziehung von Produktgruppen der Baustoffe, jeweils näher erläutert unter Stoffpreisgleitklausel – Hochbau und Stoffpreisgleitklausel – Straßenbau. Danach kann die Stoffpreisgleitklausel auf alle jene Baustoffe ausgerichtet werden, die ihrer Eigenart nach Preisveränderungen in besonderem Maße ausgesetzt sind und für die ein nicht kalkulierbares Preisrisiko zu erwarten ist. Zugleich darf auch bei der Stoffpreisgleitklausel ausnahmsweise für Betriebsstoffe bei maschinenintensiven Gewerken Gebrauch gemacht werden. Mögliche Regelungen mit privaten Bauherren
Nach den strengen Regeln zur Stoffpreisgleitklausel bei öffentlichen Bauaufträgen wird sie nicht in gleicher Art und Weise mit privaten Bauherren als Besteller und ggf. Verbraucher vereinbart werden können und damit nicht gleichermaßen praktische Bedeutung erlangen. Der Bauhandwerker kann seinem Kunden die Baustoffpreissituation darlegen und ggf. mit „Zusatzvereinbarungen“ erreichen, dass: der Kunde die Baustoffe ggf. selbst bestellt, bezahlt und dem Bauunternehmen beistellt,
Angebote „freibleibend“, unverbindlich oder nur mit zeitlich kurzfristigen Bindefristen eingegangen werden, wobei zu beachten bliebe, dass die Formulierungen nicht den AGB widersprechen.