Baurecht / BGB

Vergütungsanpassung bei Pauschalsummen

Wird im Bauvertrag eine Pauschalsumme für die Bauleistung vereinbart, so bleibt diese Vergütung im Grunde unverändert. Ist jedoch bei erheblichen Leistungsänderungen ein Festhalten an der Pauschalsumme für einen oder beide Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei einem VOB-Vertrag nicht mehr zumutbar, kann nach § 2 Abs. 7, Nr. 1 VOB/B bei Verlangen eine Vergütungsanpassung der vereinbarten Pauschalsumme unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten als Ausgleich in Betracht kommen, bis die Zumutbarkeit der Pauschalsumme wieder erreicht ist.
Dabei wird es sich immer um eine einzelfallbezogene Billigkeitsregelung handeln. Bei einer vereinbarten Pauschalsumme werden sich Risiken, auch Art und Umfang, sehr unterschiedlich in Abhängigkeit von einer Detail- oder Globalpauschalisierung und den daraus abgeleiteten Bauverträgen einstellen. Die am Ende des Artikels dargestellte trifft hierzu Aussagen.
Bei einer Detailpauschalisierung besteht das Risiko für das Bauunternehmen als Auftragnehmer lediglich als Mengenrisiko, wenn die Leistung nach Ausführungsart genau bestimmt ist. Alle vorher in einer falschen Menge festgelegten Leistungen sind im Grundsatz über den Pauschalpreis abgegolten.
Demgegenüber trägt der Auftraggeber bei einer Detailpauschalisierung das Vollständigkeitsrisiko. Wurden die Leistungen vom Auftraggeber nicht genau und vollständig beschrieben, drohen ggf. Nachträge.
In der Baupraxis liegt die Risikogrenze (oft auch als „Opfergrenze“ bezeichnet) hinsichtlich wesentlicher Leistungsänderungen bei "plus/minus 20 %". Weicht die Gesamtmenge des Vertrages um mehr als 20 % von der vorgesehenen Menge ab, ist eine Änderung des Pauschalpreises diskutabel und ggf. durchzusetzen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 02.11.1995 (Az.: VII ZR 29/95) als Leitsatz geprägt, dass es jedoch "keine starre Risikogrenze in Gestalt eines bestimmten Prozentsatzes des vereinbarten Pauschalpreises" gibt.
Stets bleibt der Einzelfall zu prüfen, wobei eine Vergütungsanpassung auch nur jene Mengen betreffen kann, die die ca. 20 % saldiert überschreiten bzw. durch die die Pauschalsumme nun mehr als 20 % überschritten wird. Die Größenordnung von +/./. 20 % wird auch zu öffentlichen Bauaufträgen im "Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen" unter Tz. 2.7 in der Richtlinie 510 nach Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017) als Grenze bei Einzelfällen angesehen. Voraussetzung dafür sind jedoch folgende, zu erfüllende Bedingungen:
  • die Leistungs- bzw. Mengenveränderung war nicht vorhersehbar und
  • es erfolgte kein absichtlich zu niedriges Angebot.
Den Nachweis der Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Anpassung des Pauschalpreises als Ausgleich an die geänderten Verhältnisse, die einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichkommen, verlangt werden kann, muss der Auftragnehmer erbringen. In einem solchen Fall sollte der Auftragnehmer schriftlich vom Auftraggeber einen Vergütungsausgleich mit den erforderlichen Nachweisen bzw. Nachberechnungen verlangen.
Die Vergütungsanpassung ist nach den Grundlagen der Preisermittlung und mit Bezug auf die Kalkulationsansätze im Hauptangebot zu berechnen, wobei Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Unberücksichtigt vom Mengenrisiko bleiben Leistungsänderungen, denen Anordnungen des Auftraggebers zugrunde liegen. Bei einem Einheitspreisvertrag sind daraus resultierende Vergütungsabpassungen nach § 2 Abs. 4 bis 6 VOB/B stets vorzunehmen.
Bei einer Globalpauschalisierung ist das Risiko für den Auftragnehmer weitaus größer, es erstreckt sich sowohl auf das Mengenrisiko als auch auf das Leistungs- und Kalkulationsrisiko.
Zur Risikoabgrenzung und Vergütung bei Leistungsbeschreibungen mit Leistungsprogramm (funktionale Ausschreibungen) sei auf folgende Rechtsauslegungen aufmerksam zu machen:
A. Urteil des BGH vom 13.03.2008 (Az.: VII ZR 194/06):
  1. Fordert der Auftraggeber ein funktionales Angebot des Auftragnehmers zur Erstellung einer technischen Anlage für ein Bauwerk unter Vorlage der von ihm bis zu diesem Zettpunkt erstellten Bauwerksplanung, so wird diese grundsätzlich Gegenstand des Angebots.
  2. Soweit nach Vertragsschluss vom Auftraggeber angeordnete Änderungen der Bauwerksplanung Änderungen der technischen Leistungen zur Folge haben, ist das als Änderung des Bauentwurfs anzusehen (§ 1 Abs. 3 VOB/B) und kann zu einem geänderten Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach § 2 Abs. 5 VOB/B führen.
  3. Die Parteien können vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert. Wegen der damit übernommenen Risiken sind an die Annahme einer solchen Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen.
  4. Mit der bei einer Ausschreibung technischer Leistungen üblichen Formulierung "nach Erfordernis" wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass es Sache des Auftragnehmers ist, auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Planung die für eine funktionierende und zweckentsprechende Technik notwendigen Einzelheiten zu ermitteln. Damit wird der funktionale Charakter der Ausschreibung zum Ausdruck gebracht.
  5. Es besteht keine Auslegungsregel, dass ein Vertrag mit einer unklaren Leistungsbeschreibung allein deshalb zu Lasten des Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der Abgabe seines Angebots nicht aufgeklärt hat.
B. Bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm und folgender Global-Pauschalisierung gehört es nach einem Urteil des OLG Jena vom 07.02.2008 (Az.: 1 U 102/07) auch zu den Aufgaben des Auftragnehmers, die planerischen Vorgaben des Auftraggebers auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen und insoweit vorhanden Planungsfehler zu korrigieren. Das Risiko trägt der Auftragnehmer. Denn er schuldet dem Auftraggeber ein funktionstaugliches Werk. Das gilt auch dann, wenn beispielsweise die vereinbarte Ausführungsart nicht geeignet ist, die Funktionstauglichkeit zu gewährleisten. Inwieweit dem Auftraggeber dabei ein Mitverschuldensanteil anzurechen ist, bleibt im Einzelfall zu prüfen.

Beispiel: Übersicht Detail- und Globalpauschalisierung

Pauschalpreisrisiko
VOB/B § 2, Nr. 7
Mengen- bzw. Detail-PauschalisierungLeistungs- bzw. Global-Pauschalisierung
Die zu erbringende Leistung ist detailliert beschrieben.
Entspricht dem Leitbild der VOB.
Zum Beispiel: 100 m2 Mauerwerkt im LV, aber 120 m2 ausgeführt.
Daraus kein zusätzlicher Vergütungsanspruch.
Auftragnehmer trägt das Risiko höherer Mengen, Preis bleibt bindend!
Ändert sich jedoch der Leistungsinhalt, so ändert sich auch der Pauschalpreis!
Beispiele:
  • Forderung einer zusätzlichen, im LV nicht ausgeschriebenen Leistung;
  • Abzug der ersparten Aufwendungen vom Pauschalpreis, wenn der Auftraggeber eine Teilleistung nicht ausführen lässt;
  • bei Änderung des Bauentwurfs oder anderer Anordnungen des Auftraggebers ist der Pauschalpreis auf Grundlage der Ausgangskalkulation anzupassen (nicht nur bei wesentlichen Leistungsänderungen);
  • auch Zusatzleistungen sind vom Pauschalpreis nicht umfasst (eine Zusatzleistung liegt bereits bei einer Anordnung einer Mengenmehrung vor).
Mengenrisiko i. d. R. bis ca. 20 %, darüber Vergütungsanpassung diskutabel.
Die Leistung ist nur global beschrieben, der genaue Inhalt wird während der Bauausführung noch exakt festgelegt.
Leistungspauschalisierungen erfolgen i. d. R. dann, wenn die Leistungsermittlung im Ausschreibungsstadium mit sehr großem Aufwand verbunden ist, der endgültige Leistungsinhalt wird während der ausführung vervollständigt.
Dies weiß der Auftragnehmer und trägt somit das Risiko der Vervollständigung der Leistung! (Ausgenommen sind außerordentliche, ungewöhnliche Wagnisse.)
Hierbei handelt es sich um ein Leistungsrisiko!
Der Auftragnehmer trägt das Kalkulationsrisiko!
Der Auftragnehmer schuldet den Gesamterfolg!
Der Auftragnehmer hat zu beweisen, dass eine Leistung nicht vom Pauschalpreis erfasst worden ist!
Bauprofessor-Redaktion
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