06.02.2025 | Baurecht / BGB

BGH-Urteil: Übermittlung eines Bauzeitenplans ist keine Anordnung

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist die Mitteilung eines geänderten Bauzeitenterminplans keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB Teil B. Zudem sagt der BGH, dass allein die Änderung des Bauablaufs grundsätzlich keine Verletzung einer Vertragspflicht des Auftraggebers sei. Daher stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten ein Auftragnehmer hat, nicht einkalkulierte Mehrkosten wegen der Bauzeitverschiebung durchzusetzen.

BGH-Urteil mit weitreichenden Folgen

Der BGH hat mit Urteil vom 19.09.2024 (Az. VII ZR 10/24) entschieden, dass die Bekanntgabe eines zeitlich geänderten Bauablaufs fortan keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB Teil B beinhalte. Damit vollzieht der BGH einen Paradigmenwechsel. Diese neue Rechtsprechung ist aus praktischer und juristischer Sicht sehr fragwürdig. Viele Handwerker werden es bei großen Bauvorhaben, die schlecht geplant wurden, zu spüren bekommen, wenn der Auftraggeber sich weigert, einen Bauzeitennachtrag zu vereinbaren. Schon jetzt ist es für Auftragnehmer sehr schwer, die infolge der vom Auftraggeber einseitig vorgenommenen Änderungen eines Terminplans entstehenden organisatorischen und finanziellen Nachteile abzuwenden.
Auch aus dogmatischer Sicht überzeugt die Rechtsprechung keineswegs, weil die Übermittlung eines Terminplans grundsätzlich ein Leistungsabruf ist und damit eine konkludente Aufforderung des Auftraggebers zur Ausführung der Arbeiten zu einem bestimmten Termin darstellt. Denn bislang konnte man annehmen, dass eine solche Aufforderung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 BGB und nicht bloße Wissensmitteilung oder geschäftsähnliche Handlung ist. Dennoch gibt der BGH seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 27.06.1985, Az. VII ZR 23/84; Urteil vom 21.12.1970, Az. VII ZR 184/69; Urteil vom 21.03.1968, Az. VII ZR 84/67), wonach Vorgaben des Auftraggebers zur Bauzeit als Folge von Behinderungen, die aus dem Risikobereich des Auftraggebers herrühren, regelmäßig Mehrvergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 VOB Teil B rechtfertigen können, explizit auf.
Dies hat zur Folge, dass der Auftragnehmer auf einen Teil seines Schadens, den womöglich ein Architekt durch mangelhafte Planungen verursacht hat, sitzen bleibt. Hier ist (de lege ferenda) eine Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation sachgerecht. Bei schwerwiegenden Änderungen der Vertragsgrundlage wäre auch eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB möglich.
BGH-Urteil: Übermittlung eines Bauzeitenplans ist keine Anordnung
Bild: © f:data GmbH

Abgrenzung zwischen Obliegenheit und Pflicht

Im zugrundeliegenden Fall des BGH hat der öffentliche Auftraggeber den Auftragnehmer mit der Ausführung von Elektroarbeiten beauftragt. Es wurde die VOB Teil B vereinbart. Aufgrund fehlender Ausführungsplanungen und unvollständiger Vorleistungen zeigte der Auftragnehmer mehrere Behinderungen an. Die Bauzeit wurde mehrfach verlängert, indem dem Auftragnehmer jeweils aktualisierte Terminpläne übermittelt wurden. Nach Fertigstellung der Arbeiten stellte der Auftragnehmer seine zusätzlichen Kosten von über 56.000 Euro für Personal und Baucontainer wegen der Bauzeitverlängerung in Rechnung. Der Auftraggeber lehnte die Bezahlung ab.
Der BGH hat alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft und deren Voraussetzungen nicht als erfüllt angesehen. Für eine Anpassung der Preise nach § 2 Abs. 5 VOB Teil B fehle es an einer ausdrücklichen Anordnung, weil die Übermittlung des Terminplans keine Willenserklärung sei. Für einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB Teil B fehle es am Verschulden des Auftraggebers, denn die Verschiebung sei nur eine Erfüllung der Koordinierungsaufgabe des Auftraggebers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB Teil B, also eine Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit und keine Pflichtverletzung. Für den Schadensersatz sei jedoch erforderlich, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB Teil B.

Entschädigungsanspruch bei Obliegenheitsverletzung

Für den Fall der Obliegenheitsverletzung bleibt dem Auftragnehmer daher nur noch ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB Teil B in Verbindung mit § 642 BGB. Der Auftragnehmer muss aber hierzu insbesondere die konkrete Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung darlegen. Zudem muss er darlegen, inwieweit er während der Dauer des Annahmeverzugs Leistungen nicht zu der nach dem Vertrag vorgesehenen Zeit ausführen konnte und deshalb Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, vergeblich bereitgehalten hat. Die direkten Mehrkosten für die Ausführung des Auftrags an sich, beispielsweise wegen höherer Tariflöhne und Materialpreissteigerungen, sind davon nicht umfasst.
In einem früheren Urteil äußerte der BGH (Urteil vom 26.10.2017, Az.: VII ZR 16/17), dass es nicht unbillig sei, dem Auftragnehmer nach § 642 BGB keinen Ersatz für solche Lohn- und Materialkostensteigerungen zu gewähren, die durch den Annahmeverzug des Auftraggebers infolge einer diesem obliegenden, aber unterlassenen Mitwirkungshandlung und der hierdurch bedingten Verzögerung der Leistungserbringung entstehen. Der Auftragnehmer könne, wenn die Mitwirkungsverpflichtung des Auftraggebers als selbständige Nebenpflicht auszulegen sei, die ihm entstehenden Mehrkosten nach §§ 280, 286 BGB ersetzt verlangen. Unter einer Nebenpflichtverletzung versteht man grundsätzlich die Verletzung einer nicht leistungsbezogenen Rücksichtnahmepflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Hierin liegt aber das Problem, dass der BGH in der Baufreigabe schon gar keine Pflicht, sondern eine Mitwirkungsobliegenheit des Auftraggebers sieht.

BGH: Bauablaufpläne als bloße Kundgabe von Bauablaufstörungen

Der BGH meint auch, dass die Bauablaufpläne in Bezug auf die verschiedenen Beginntermine für die jeweiligen Leistungen nur die behinderungsbedingten Störungen abbilden würden, die einem vertraglich vereinbarten Ausführungsbeginn sowie einer parallelen Ausführung sämtlicher Leistungen ohnehin entgegenstünden, und die jeweilige Verschiebung der Ausführung in zeitlicher Hinsicht konkretisierten. Gleiches gelte für die Verschiebung der Fertigstellungsfrist und der damit einhergehenden Verlängerung der Gesamtbauzeit.
Mit dieser Ansicht setzt sich der BGH darüber hinweg, dass eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB Teil B auch lediglich konkludent getroffen werden kann, indem der Auftraggeber vom Auftragnehmer beispielsweise eine andere Leistung oder einen Aufschub verlangt, den dieser vorher nicht in seinem Angebot einkalkulieren konnte.

Vertragsanpassung nach § 313 BGB

Der BGH erteilt den Auftraggebern mit der neuen Rechtsprechung einen Persilschein, weil diese nunmehr ohne Angabe von Gründen die Ausführungstermine nach hinten verschieben könnten, ohne die Mehrkosten des Auftragnehmers für Material und Personal tragen zu müssen.
Allenfalls unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB könnte der Auftragnehmer eine Vertragsanpassung verlangen. Dazu müsste also nach Vertragsschluss eine so schwerwiegende Änderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, eingetreten sein, wobei darzulegen ist, dass die Vertragsparteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.
Weitere Voraussetzung ist, dass dem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Je höher also die Mehrkosten sind und je mehr die Bauabläufe und Bauumstände verändert werden, desto eher ist von einer Störung der Geschäftsgrundlage auszugehen.

Grundsätze der Drittschadensliquidation

Häufig sind die Verzögerungen auch auf eine mangelhafte Planung zurückzuführen. Der Auftraggeber könnte daher seine für die Planung beauftragten Architekten in Regress nehmen. Der Auftraggeber hat insoweit einen vertraglichen Anspruch gegen den Planer auf mangelfreie Planung. Gleichwohl entsteht ein Teil des Schadens beim Auftragnehmer, wenn dieser die gestiegenen Material- und Personalkosten hat, ohne dass er unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegen den Auftraggeber hat. Insoweit liegt eine zufällige Schadensverlagerung vor, weil allein auf Grund dogmatischer Argumente zufällig die Haftung des Planers entfiele, während dieser an sich mit einer Haftung rechnen müsste und nur ohne sachliche Rechtfertigung davon profitiert, dass der Auftragnehmer gegen den Auftraggeber zwar einen Schaden, aber keinen eigenen Schadensersatzanspruch hat.
Demnach ließe sich argumentieren, dass nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation der Auftraggeber einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Planer hat, der Schaden des Auftragnehmers zum Anspruch herangezogen wird und sodann der Auftragnehmer einen Anspruch auf Abtretung dieses Schadensersatzanspruchs gegen den Auftraggeber analog § 285 BGB hat.
Ob die Rechtsprechung im Lichte der neuen Rechtsprechung des BGH diesen Weg einschlagen wird, bleibt abzuwarten. Dass der Auftragnehmer auf einem Schaden sitzen bleibt, erscheint jedenfalls nicht sachgerecht. Auch der Verweis darauf, dass er den Vertrag kündigen könne, ist nicht angemessen, zumal er zu diesem Zeitpunkt die potenziellen Kostensteigerungen womöglich noch gar nicht kennt.

Fazit

Der BGH ändert seine Rechtsprechung zur Frage, ob die Mitteilung eines neuen Bauzeitenterminplans eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB Teil B beinhaltet. Wenn der Auftraggeber durch die Änderungen des Bauablaufs keine Pflicht verletzt, fällt auch ein Schadensersatzanspruch wegen Mehrkosten für Personal und Material weg. Lohn- und Materialkostensteigerungen sind grundsätzlich auch nicht von dem Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB umfasst. Daher bleibt nur noch eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB, wenn die Geschäftsgrundlage schwerwiegend gestört ist. Oder der Auftragnehmer kann sich auf die Grundsätze der Drittschadensliquidation berufen und den Verursacher der Bauablaufstörung in Regress nehmen.
Dr. Jan-Erik Fischer
Ein Artikel von
  • Experte für Bau- und Immobilienrecht, Bankrecht und Vergaberecht
  • Haydnstraße 1, 80336 München
  • Telefon: 089-23022303
  • Web: www.fragfischer.de

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