Die funktionale Vergabe spart Kosten, birgt aber auch Streitpotenzial: Wer zahlt bei Änderungen während der Bauphase? Der BGH hat geklärt, dass ohne klare Vereinbarungen Auftragnehmer nicht automatisch haften. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Markus Cosler verrät, wann Mehrvergütungsansprüche bestehen.
Kosteneinsparung und Streitpotenzial
Die funktionale Vergabe von Bauleistungen ist für den Auftraggeber insbesondere deshalb sehr interessant, da er die Fachplanerkosten weitgehend einsparen kann. Für den Auftragnehmer bedeutet die Teilnahme an derartigen Verfahren einen erheblichen Aufwand zur Angebotserstellung.

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In der Praxis zeigt sich bei dieser Vorgehensweise sehr häufig das Problem, dass es im Zuge der Baumaßnahme zu Änderungen der Leistung kommt. Dann streiten die Parteien stets darüber, ob die funktionale Vergabe gleichzeitig die Regelung beinhaltet, dass Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen sind, soweit sie dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert. Mehrvergütung bei funktionaler Vergabe
Der Bundesgerichtshof hat hierzu bereits 2008 eine richtungsweisende Entscheidung gefällt, die jedoch in der Praxis entweder weitgehend unbekannt oder zumindest aber weitgehend unbeachtet ist.
Daher werden im Folgenden die Grundsätze dieser Entscheidung kurz dargelegt:
Gemäß § 1 Nr. 3 VOB Teil B bleibt es dem Auftraggeber vorbehalten, jederzeit und vom Umfang her unbegrenzt Änderungen des Bauentwurfes anzuordnen. Die entsprechende Vergütungsfolge hierzu findet sich in § 2 Nr. 5 VOB Teil B. Danach ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren, wenn durch Änderungen des Bauentwurfes oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Die Vereinbarung soll nach dieser Vorschrift vor der Ausführung getroffen werden. Eine entsprechende Verpflichtung hierzu gibt es ebenso wenig wie eine Verpflichtung zur Anzeige der Mehrvergütung vor Ausführung, insoweit anders als bei den sogenannten zusätzlichen Leistungen.

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Einzelfallprüfung bei funktionaler Vergabe
Die vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Frage war nun, ob diese Grundsätze auch bei der funktionalen Vergabe gelten.
Hierzu hat der BGH Folgendes ausgeführt:
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Zunächst muss natürlich bei der Frage, ob eine geänderte Leistung vorliegt oder nicht, geklärt werden, wie denn das ursprüngliche Bauvolumen bestimmt ist. Fordert der Auftraggeber ein funktionales Angebot des Auftragnehmers zur Erstellung einer technischen Anlage für ein Bauwerk unter Vorlage der von ihm bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Bauwerksplanung, so wird diese grundsätzlich Gegenstand des Angebotes. Damit richtet sich also das ursprüngliche Vertragsvolumen nach der ursprünglichen Planung.
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Soweit nach Vertragsschluss vom Auftraggeber angeordnete Änderungen der Bauwerksplanungen Änderungen der technischen Leistungen zur Folge haben, sind diese also grundsätzlich ebenso als Änderung des Bauentwurfes gem. § 1 Nr. 3 VOB Teil B anzusehen und können daher auch zu einem geänderten Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gem. § 2 Nr. 5 VOB Teil B führen.
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Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die Parteien aber selbstverständlich vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert. Da dies aber eine grundsätzlich untypische Regelung ist, im Rahmen derer der Auftragnehmer erhebliche Risiken übernimmt, sind an die Frage, ob eine solche Vereinbarung tatsächlich zwischen den Bauvertragsparteien getroffen wurde oder nicht, äußerst strenge Anforderungen zu stellen.
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Derartig strenge Anforderungen sind jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn bei einer Ausschreibung technischer Leistungen die übliche Formulierung „nach Erfordernis“ verwendet wird, da diese regelmäßig nur zum Ausdruck bringt, dass es Sache des Auftragnehmers ist, auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Planung die für eine funktionierende und zweckentsprechende Technik notwendigen Einzelheiten zu ermitteln und als im Vertragsvolumen beinhaltet zu erbringen. Damit wird lediglich der funktionale Charakter der Ausschreibung zum Ausdruck gebracht. Diese Formulierung jedenfalls gehört nicht zu einer völlig ausufernden Haftung des Auftragnehmers auch für Änderungswünsche des Bauherren während der Ausführung.
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Es besteht nach den Feststellungen des BGH keine Auslegungsregel dahin, dass ein Vertrag mit einer unklaren Leistungsbeschreibung schon allein deshalb zu Lasten des Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der Abgabe seines Angebotes nicht aufgeklärt hat.
Folglich bedarf es auch bei einer funktionalen Vergabe stets einer Einzelfallprüfung, ob und inwieweit Änderungswünsche des Bauherren tatsächlich das Risiko des Auftragnehmers sein sollen. Regelmäßig wird dies nicht der Fall sein. Wenn der Auftraggeber dies ausnahmsweise wünscht, muss dies klar und eindeutig im Vertrag vereinbart sein.